Sport-Momente des Jahres
Erleichterung, Überraschungsmomente und ausgelassene Jubelstürme: All das hatte das Sportjahr in Berlin und Brandenburg zu bieten. Ein Rückblick auf fünf prägende Momente in 2022.
Olympische Winterspiele und eine Fußball-WM mitten im Winter: Das sind nur einige sportliche Großereignisse, die das Jahr 2022 zu bieten hatte. Doch auch in Berlin und Brandenburg hat es zahlreiche prägende Sport-Momente gegeben. rbb|24 blickt zum Jahresende auf fünf davon zurück.
"Habt ihr Hunger?", hatte Kevin-Prince Boateng seine Mannschaftskameraden vor dem Relegationsrückspiel gegen den Hamburger SV gefragt. Hatten sie. Also gingen die Spieler von Hertha BSC, von einer abermals völlig verkorksten Saison ganz ausgemergelt, essen. Vorausgegangen war die dritte misslungene Saison infolge. Mit Fredi Bobic, dem Erfolgsmacher aus Frankfurt, sollte doch alles anders werden. Wurde es aber nicht. Erst musste Pal Dardai gehen, dann auch sein Nachfolger Tayfun Korkut. Es herrschte einmal mehr völliges Chaos an der Hanns-Braun-Straße.
Es folgte Trainerlegende Felix Magath, der das Himmelfahrtskommando übernahm, eine bis ins Mark verunsicherte und spielerisch heruntergewirtschaftete Mannschaft noch irgendwie vor dem Abstieg zu bewahren. Der Aufschwung gelang, wenn auch nicht völlig fehlerfrei. Magath machte mehr richtig als falsch, und so kroch die "alte Dame" noch gerade so in die Relegation.
Im Hinspiel vor dem heimischen Publikum hatten die Blau-Weißen noch durch eine blutleere Leistung, die an die meisten Partien der Saison erinnerte, mit 0:1 verloren. Hertha stand mal wieder mit dem Rücken zur Wand. Im Rückspiel aber zeigten die Berliner all das, was zuvor so oft fehlte. Boyatas Kopf, Plattenhardts goldener linker Fuß und eine von Boateng orchestrierte, leidenschaftliche Teamleistung hielten Hertha in letzter Sekunde in der Liga.
Der Klassenerhalt Herthas mag keine sportliche Glanzleistung gewesen sein. Es war "nur" die Verhinderung einer sportlichen Vollkatastrophe. Spektakulär und für Hertha-Fans prägend war er jedoch allemal.
Die Bundesliga erinnert in der jüngeren Vergangenheit häufiger mal an den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier". Der eingefleischte Fußball-Fan wacht morgens auf, schaltet das Radio ein - und deutscher Meister ist mal wieder: Bayern München. Dass diese Saison ausgerechnet Union Berlin für neue Hoffnung sorgte, endlich aus dieser Dauerschleife herauszubrechen, war die größte Überraschung der Hinrunde.
Ganze sieben Spieltage in Folge standen die Eisernen auf Platz eins. Union Berlin spielte sich in einen Rausch und schlug in seiner Heimfestung Spitzenteams wie Borussia Dortmund und RB Leipzig. "Deutscher Meister wird nur der FCU", hallte es durch die Alte Försterei. Auch einige Medien sprachen den Köpenickern bereits ernsthafte Meisterschafts-Chancen zu. Erst kurz vor der Winterpause kam es zu einem kleinen Einbruch mit einem Punkt aus den letzten drei Spielen.
Historisch gut bleibt die bisherige Hinrunde der Unioner aber auch ohne den ersten Tabellenplatz. Nie zuvor in der noch jungen Bundesliga-Historie stand der Verein nach 15 Spieltagen so gut da. Nach dem Sensations-Aufstieg rechneten viele Experten nur mit einem kurzzeitigen Besuch von Union in Liga eins. Stattdessen ist der Klub in seiner vierten Saison nicht mehr aus der Bundesliga wegzudenken - und spielt nicht um den Klassenerhalt, sondern erneut um die internationalen Plätze mit.
"Was wir in den letzten Jahren gemeinsam erleben durften, ist unglaublich und kaum zu beschreiben," sagt Cheftrainer Urs Fischer, mit dem der Verein erst kürzlich verlängerte. Ob es auch am Saisonende für einen ernsthaften Angriff auf Serienmeister Bayern München reicht, bleibt abzuwarten. Ein prägendes Bild war die siebenwöchige Tabellenführung von Union Berlin aber definitiv.
Als Anett Nemeth den dritten Matchball für den SC Potsdam verwandelte, war in der Porsche-Arena in Stuttgart nur noch das Kreischen der Spielerinnen zu hören. Überglücklich fielen sich die Potsdamerinnen in die Arme. Denn sie hatten gegen Stuttgart nicht nur die Revanche für das verlorene Meisterschaftsfinale gewonnen, sondern mit dem Supercup auch den ersten Titel in der Vereinsgeschichte geholt.
Eine kleine Volleyball-Sensation, die Laura Emonts mit einer "unglaublichen Teamleistung" erklärte. Was folgte, war nicht nur eine lange Partynacht auf der achtstündigen Heimfahrt mit dem Bus, sondern auch eine Erfolgsserie. Denn auch in der Liga läuft es bei den Brandenburgerinnen: Als einziges Team sind sie noch ungeschlagen und könnten als Tabellenführer auch im nächsten Jahr wieder prägende Sport-Momente kreieren.
Es gibt Sportler, die während ihrer Ära so verlässlich auf Weltklasseniveau abliefern, dass es schon beinahe seine Besonderheit verliert und normal wird. Lionel Messi, Roger Federer oder Lewis Hamilton sind hier beispielhaft zu nennen. Sie alle sind Vorbilder für Eliud Kipchoge, der selbst Teil dieser erlesenen Gruppe von Menschen ist. Seit 20 Jahren gehört der Kenianer zu den besten Läufern der Welt, auf seine herausragenden Leistungen ist Verlass. Beim 48. Berlin-Marathon hat der 37-Jährige es einmal mehr beeindruckend unter Beweis gestellt.
In nur 2:01:09 Stunden brachte Kipchoge die 42,195 Kilometer hinter sich. Damit brach er am 25. September dieses Jahres den Weltrekord, den er 2018 selbst aufgestellt hatte. Genau 30 Sekunden war er im Vergleich zu vor vier Jahren schneller. "Berlin ist ein Ort, an dem ein Mensch seine Grenzen ausreizen kann", sagte Kipchoge der "SZ" und schuf damit ein Zitat, das neben dem Laufen wohl auf viele Lebensbereiche anwendbar ist. Es sieht beinahe mühelos aus, wenn er auf der Laufstrecke Rekorde bricht. Nach einem Rennen sieht man Kipchoge die Anstrengungen kaum an, da ist nur ein herzliches Grinsen.
"Ich laufe, um Geschichte zu schreiben“, so Kipchoge. Das ist ihm 2022 gelungen - erneut und auf so selbstverständliche Weise, dass man sich an seine Einmaligkeit schon beinahe gewöhnt.
Für einen kurzen Augenblick kamen bei Basketball-Fans Erinnerungen an die glorreiche Heim-EM 1993 hoch, bei der Deutschland damals seinen bis heute einzigen Titel holte. Auch diesmal fand die Finalrunde im eigenen Land statt. In der Mercedes-Benz-Arena in Berlin. Die Zuschauer sahen eine überragende deutsche Mannschaft. Angeführt von den NBA-Spielern Dennis Schröder und Daniel Theis besiegte die deutsche Mannschaft Topteams wie Litauen und Frankreich und konnte selbst Mitfavorit Griechenland um Superstar Giannis Antetokounmpo im Viertelfinale sensationell aus dem Weg räumen.
Erst im Halbfinale wurde das DBB-Team vor ausverkaufter Heimkulisse vom viermaligen Europameister Spanien knapp mit 91:96 gestoppt. Der anschließende Sieg im Spiel um Platz drei gegen Polen war dennoch die historische Krönung eines mehr als erfolgreichen Turniers. "Ich kann es immer noch nicht glauben. Wir hatten die Chance, mehr zu gewinnen. Aber was wir heute abgeliefert haben. Wir haben Geschichte geschrieben. Ich hoffe, dass der deutsche Basketball wieder etwas sexier geworden ist", sagte Dennis Schröder nach dem Spiel. Mit der Bronzemedaille holte die Nationalmannschaft das beste EM-Ergebnis seit 2005.
Sendung: Abendschau, 29.12.2022, 19:30 Uhr
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