Interview | Ehemalige Eisschnellläuferin Jenny Wolf
Lange Zeit ging Jenny Wolf auf der Eisbahn auf Medaillenjagd. Mittlerweile hat die ehemalige Eisschnellläuferin die Schlittschuhe an den Nagel gehängt und widmet sich bei den Special Olympics neuen Aufgaben. Im Interview erzählt sie, wie es dazu kam.
Special Olympics Deutschland (SOD) ist die deutsche Organisation der weltweit größten Bewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Durch sportliche Aktivitäten versucht SOD, für mehr Inklusion in der Gesellschaft zu sorgen. Höhepunkt für die Athleten sind dabei die World Games, die alle zwei Jahre stattfinden und bei denen sich Sportler verschiedener Nationen in unterschiedlichen Disziplinen miteinander messen. Auch Menschen ohne Behinderung nehmen zur Förderung der Inklusion an den Wettkämpfen teil. Die nächsten Weltspiele finden vom 17. bis 25. Juni 2023 in Berlin statt.
rbb|24: Frau Wolf, vor zwei Jahren kündigten sie ihren Job als Eisschnelllauf-Bundestrainerin und schlossen sich der Special Olympics Deutschland an. Wie kam es zu diesem Wechsel?
Jenny Wolf: Das ist eine längere Geschichte. Kurz erzählt: Ich war bei der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft in verschiedenen Funktionen angestellt. Dann gab es im Verband eine Umstrukturierung und neue Personen sind dazu gekommen. Daraufhin landete ich kurzzeitig auf der Position der Bundestrainerin, habe aber schnell gemerkt, dass das nichts wird und habe mich neu orientiert.
Wie sind sie bei dieser Neuorientierung damals auf die Special-Olympics-Bewegung gestoßen? Gab es schon vorher Berührungspunkte?
Ich war schon als Athletin in Kontakt mit SOD und dort zwei oder drei Mal bei Veranstaltungen eingebunden. Deshalb kannte ich sie bereits und fand sehr gut, was dort gemacht wurde. Tatsächlich bin ich dann einfach auf eine Stellenanzeige gestoßen und habe mich sofort beworben. Ich wusste, dass es das Richtige für mich sein würde.
Was ist dort nun Ihr Aufgabenbereich?
Ich bin dort Koordinatorin für Bildung und Wissenschaft. Der Job ist sehr vielseitig. Es geht nicht nur um das Aufbauen von sportspezifischen Bildungsangeboten für Sportler und Trainer, sondern auch für alle Interessierten, die mit den Special Olympics noch gar keine Berührungspunkte hatten. Außerdem arbeite ich mit Hochschulen und Wissenschaftlern zusammen, deren Projekte im Rahmen der Special Olympics ich betreue und koordiniere.
Was ist für Sie die besondere Herausforderung bei der Arbeit mit den Menschen mit geistiger Behinderung?
Ganz wichtig ist die Kommunikation. Da muss man sich ständig selbst hinterfragen, wie man spricht und Informationen rüberbringt. Das ist eine sehr wertvolle Erfahrung. Man muss das Gespräch gut strukturieren und nicht drumherum quatschen, sondern Dinge auf den Punkt bringen. Und man muss auf die Menschen so reagieren, wie es notwendig ist und auf ihre individuellen Bedürfnisse in der Kommunikation eingehen.
Nächstes Jahr wird mit den World Games der sportliche Höhepunkt der Special Olympics in Berlin stattfinden. Freuen Sie sich schon auf die Weltspiele in Ihrer Heimatstadt und was erwarten Sie von dem Event?
Die Vorfreude ist riesig. Ich hatte großes Glück, genau in dem Zeitraum dazuzustoßen, wo die Weltspiele zu Hause anstehen. Jetzt werde ich nächstes Jahr Teil der deutschen Delegation sein und dort auch Aufgaben übernehmen. Die Spannung ist also groß und es ist ein Event, dass ich in dieser Form noch nicht kenne. Der Wunsch ist, dass die Special Olympics und unsere Athletinnen und Athleten sichtbar werden und alle ein tolles Sportfest in Berlin und ganz Deutschland feiern.
Sie kennen Berlin als Sportmetropole bestens. Warum ist gerade die Hauptstadt der richtige Ort, um die World Games auszutragen?
Wir haben schon dieses Jahr bei den nationalen Spielen gemerkt, wie groß die Wirkung ist, wenn unsere Athletinnen und Athleten und die „Unified Partner“ [Teilnehmer ohne geistige oder mehrfach Behinderung, Anm. d. Red.] am Brandenburger Tor die Abschlussfeier zelebrieren. Da ist man super präsent in der Stadt. Das war sehr beeindruckend. Auch der Senat unterstützt die Special Olympics gemeinsam mit Schulen, Vereinen und allen Verantwortlichen. Das macht einfach Spaß.
Wird es im Juni also voll werden im Olympiastadion?
Das ist schwer zu sagen. Ich hoffe es sehr. Und wie ich die Berlinerinnen und Berliner so kenne, ist die Sportbegeisterung natürlich da und sie werden bereit sein, sich auf etwas Neues einzulassen. Da bin ich ganz zuversichtlich.
Haben Sie neben Ihrem neuen Job ab und zu nochmal Zeit, die Schlittschuhe zu schnüren und raus aufs Eis zu gehen?
Ja, aber nur noch auf Natureis, nicht mehr auf der Bahn. Die Gelegenheiten ergeben sich einfach nicht, dass man mal schnell zum öffentlichen Eislaufen geht. Ich würde natürlich gerne wieder öfter laufen, aber das passt jetzt beruflich nicht mehr so gut rein wie früher.
Pflegen Sie denn noch Kontakte zu Ihrem alten Sport und verfolgen diesen als Beobachterin?
Ja. Ich verfolge die internationalen Wettkämpfe. Mit dem ein oder der anderen, die da teilnehmen, bin ich ja auch noch selbst gelaufen. Mittlerweile kommt da aber natürlich auch eine neue Generation. Zum Verband habe ich eigentlich keinen Kontakt mehr und auch keinen Einblick. Ich verfolge die Sportart also nur noch von außen.
Haben Sie trotzdem eine Erklärung dafür, warum die deutschen Eisschnellläufer derzeit so Probleme haben?
Da werden ganze Klausurtagungen drauf verwendet, um eine Lösung zu finden. Ich bin da mittlerweile zu weit weg und kann nicht genau sagen, woran es hakt. Was immer wieder auf den Tisch kommt, ist sicherlich, dass es Schwierigkeiten gibt, qualifizierte Trainer und Nachwuchs zu finden. Auch die Verlässlichkeit der Strukturen und die fehlenden Ansprechpartner für Athletinnen und Athleten könnten Gründe dafür sein, warum es gerade im deutschen Eisschnelllauf nicht so funktioniert.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 09.12.2022, 18 Uhr
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