Interview | Navigator Timo Gottschalk nach Rallye Dakar
Bei der Rallye Dakar holte der Brandenburger Navigator Timo Gottschalk mit Lucas Moraes überraschend den dritten Platz. Zurück in Deutschland spricht er über die Herausforderungen der Strecke, lange Stunden im Auto und die richtige Playlist.
Herr Gottschalk, wo erreichen wir Sie gerade? Am Sonntag haben sie die Rallye Dakar in Damman abgeschlossen. Sind Sie schon wieder zurück in Deutschland?
Timo Gottschalk: Ich bin gestern Nachmittag wieder angekommen und sortiere jetzt erst wieder alles. Sie haben hier gestern auch was mit circa 30 Freunden in einer Gaststätte organisiert, wo wir gestern Abend dann zusammengesessen und darauf angestoßen haben. Das war ein schöner Empfang. Das hat mich gefreut.
Sie sagten nach dem Rennen, dass Ihr erreichter dritter Platz alle Erwartungen übertroffen hätte. Welche Faktoren haben eine entscheidende Rolle gespielt, um Sie so nach vorne zu katapultieren?
Generell war die erste Woche eine recht schwierige, wo es auch ein großes Favoritenstraucheln durch technische Probleme und Unfälle gab. Wir sind die Sache dadurch, dass wir eigentlich keinen Druck hatten, recht entspannt und locker angegangen. Wir haben uns so ein bisschen aus dem Schlamassel rausgehalten.
Und wir sind auch die nächsten Tage eigentlich recht clever gefahren. Da, wo es das Terrain zugelassen hat, haben wir ein bisschen mehr Gas gegeben und da, wo es ein bisschen kniffliger war, haben wir ein bisschen ruhiger gemacht. Das hat uns eigentlich im Endeffekt die Platzierung nach vorne gebracht.
Ihr Fahrer Lucas Moraes galt vor dem Rennen eher als unbeschriebenes Blatt. Er hat das erste Mal an der Rallye Dakar teilgenommen. Wie hat ihre Zusammenarbeit funktioniert?
Wir haben uns eigentlich erst ein paar Wochen vor Dakar kennengelernt. Erst telefonisch und dann bei einer kleinen Rallye in Dubai zur Vorbereitung. Das klappte von Anfang an eigentlich ziemlich gut. Wir hatten beide Spaß im Auto. Und auch nebenher verstehen wir uns gut. Das hat perfekt gepasst.
Gerade auf langen Autofahrten kann es passieren, dass man sich irgendwann ein bisschen auf die Nerven geht und streitet...
Wir haben uns zum Glück überhaupt nicht gestritten. Wir haben uns auch ein Wohnmobil geteilt. Da war auch klar: Mal wäscht der ab, mal fegt der aus. Das war schon recht gut aufgeteilt. Und klar: Im Auto verbringt man viele, viele gemeinsame Stunden, wo es auch gar nicht ums Rennen geht. Dazwischen gab es die Transportetappen, die teilweise sehr lang waren. Da hat dann jeder so seine Musik im Ohr und es geht eh nur geradeaus.
Was haben Sie gehört?
Auf meiner Playlist? Die ist ganz gemischt. Von 80ern über Aktuelles bis ein bisschen Elektro ist alles drauf.
Lief auf den letzten Kilometern vorm Ziel auch Musik?
Nee. Da war so eine große Anspannung, da hört man dann irgendwie die Mäuse im Auto husten. Hier ist ein ungewöhnliches Geräusch und da ist irgendwas nicht so. Und wie viele Kilometer sind es denn noch? Man fiebert so den letzten Kilometern entgegen.
Und das Schöne ist: Wenn man dann ins Ziel kommt, sind dann gleich die ganzen Medien, Presseleute und das Team da. Es fallen die ganzen Emotionen von einem ab. Das hat man bei Lucas auch ganz doll gesehen.
Die Strecke wurde im Vorfeld als länger, schwerer und düniger beschrieben. Dazu kamen starke Regenfälle, wodurch die Streckenführung teilweise neu organisiert werden musste. Wie haben Sie die Etappen im Vergleich zu den Vorjahren erlebt?
Es gab letztes Jahr nach Dakar einige Stimmen, die gesagt haben, dass es zu einfach war. Das hat sich der Veranstalter nicht zweimal sagen lassen und hat für dieses Jahr dann mal richtig die Keule rausgeholt.
Das haben wir im Vorfeld schon gesehen: Acht Tage bis zum ersten Ruhetag, lange Etappen, lange Prüfungen und dann kam das Wetter dazu. Der Regen und die Wassermassen haben es nicht einfacher gemacht. Die erste Woche hat es wirklich in sich gehabt. Für Mensch und Material war es sehr, sehr anstrengend. Das war das Härteste, was wir bisher bei der Rallye Dakar in Saudi-Arabien hatten. Die zweite Woche in den Dünen hatte es auch in sich. Alles in allem muss man schon sagen, dass es recht heftig war.
Sie sind mit einem schön verdreckten, aber intakten Auto angekommen. Bei einem normalen Pkw ist klar, dass er nach 4000 Kilometern nicht aussortiert wird, aber wie ist das bei so einem Wettkampfauto, das in kurzer Zeit etwas mehr mitgemacht hat?
Die Autos sind schon so robust, dass sie recht lange halten. Es gibt gewisse Teile, die nur eine gewisse Laufzeit haben und getauscht werden müssen. Aber es ist jetzt nicht so, dass es nach Dakar nicht mehr zu verwenden ist. Da wird natürlich alles saubergemacht und zerlegt. Dann wird jedes einzelne Teil nochmal überprüft. Die Autos haben eine Einsatzzeit von mehreren Jahren.
Sie haben den Großteil des neuen Jahres im Auto verbracht. Machen Sie jetzt erstmal Pause und vertreten sich die Beine oder geht es gleich wieder weiter?
Jetzt ist erstmal ein bisschen Pause: Beine vertreten und ein bisschen mit dem Hund im Wald spazieren gehen. Mal nicht so viel fahren und sitzen. Wir schauen einfach, was die nächsten Wochen bringen. Da laufen viele Gespräche an. Durch die Platzierung öffnen sich für Lukas einige Türen mit Sponsoren. Da schauen wir mal, was sich ergibt. Das Ziel ist es schon, in diesem Jahr drei oder vier Rallyes gemeinsam zu fahren als Vorbereitung fürs nächste Jahr.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lynn Kraemer, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 17.01.2023, 21:45 Uhr
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