1. FC Union im Trainingslager in Spanien
Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Der 1. FC Union bereitet sich im spanischen Campoamor auf die zweite Saisonhälfte vor. Spieler und Trainingsplatz leiden bei sonnigem Wetter. Von Jakob Rüger
Die spanischen Rentner haben keine Ahnung, wer der grauhaarige Mann mit Brille und Schweizer Akzent ist. Erfolgstrainer Urs Fischer sitzt entspannt und lächelnd auf der Terrasse in der spanischen Sonne. Um ihn herum sind die Tische bei blauem Himmel bis auf den letzten Platz besetzt mit spanischen Golfspielern und älteren Damen, die offenbar auf ihre Männer warten. Die Mannschaft des 1. FC Union drückt den Altersdurchschnitt im Hotel Golf Campoamor deutlich und fällt in dieser Kulisse auch etwas aus dem Rahmen. Doch zum Entspannen oder Golfen sind die Bundesligaprofis nicht an die Costa Blanca gereist.
Trainer Urs Fischer genießt deshalb am trainingsfreien Nachmittag auch nicht den Kaffee oder die angenehmen 18-Grad-Temperaturen. Mit seinem Trainerteam plant er die nächsten Trainingseinheiten. Seit Montag quält der Cheftrainer seine 29 Profis auf einem der drei Trainingsplätze. Die Spuren sind deutlich im Grün zu sehen, der Trainingsplatz hat gelitten unter den Einheiten. Der Greenkeeper hat, auch auf Anweisung des 1. FC Union, alle Hände voll zu tun die Löcher zu stopfen. Dazu gibt es mit dem belgischen Zweitligisten KMSK Deinze einen weiteren Verein, der die Trainingsplätze für die Vorbereitung nutzt.
Beim 1. FC Union steht vor allem das Spiel mit dem Ball im Fokus. Trainer Urs Fischer möchte, dass sein Team schnell und direkt vertikal aus der Defensive herausspielt. Seit dem zweiten Bundesligajahr feilen die Köpenicker an ihrem Ballbesitzfußball. Auch in dieser Saison waren die Defizite sichtbar, wenn sich die Gegner zurückzogen und dem 1. FC Union den Ball überließ. "Klar sein, auch in der Entscheidung, wo ich den Ball hinspielen will", hatte Fischer schon im Sommer immer wieder lautstark von seinen Spielern gefordert. Endlich ist außerdem Zeit auch an den Standardsituationen zu arbeiten. Dafür war in der ersten Saisonhälfte auf Grund des engen Spielplans keine Zeit.
Während die Spieler schwitzen, schauen neben den mitgereisten Union-Fans auch vereinzelt spanische Hotelbesucher am Trainingsplatz vorbei. Mittelfeldspieler Jannik Haberer dreht eine Extra-Runde mit dem Athletiktrainer und joggt am Kollegen vorbei, der per Telefon aus Spanien vorübergehend die Kinderbetreuung zu Hause übernommen hat. Den spanischen Touristen ist das egal, Fußballfans scheinen sie nicht zu sein.
Dabei dreht sich jetzt im Januar fast alles um Fußball an der Costa Brava. Beim Mietwagenverleih ist die erste Frage, ob man etwas mit Fußball zu tun habe. Verantwortliche von Borussia Dortmund, Werder Bremen oder dem FC Augsburg hätten sich schon ein Fahrzeug abgeholt. Die halbe Bundesliga trifft sich in der Sonne Spaniens. Dazu kommen jede Menge Berater, die zu Gesprächen ins Trainingslager reisen.
Auch der 1. FC Union muss Entscheidungen für den Sommer treffen. So laufen zum Beispiel die Verträge von Rani Khedira oder Julian Ryerson aus. Im Winter noch abgeben und eine Ablöse kassieren oder den Vertrag verlängern? Oliver Ruhnert ist nicht vor Ort in Spanien, eine Erkältung hat eine Anreise verhindert. Nun heißt es digitale Gespräche für den Manager statt Espresso unter blauem Himmel. Dabei hätte auch Oliver Ruhnert unerkannt die spanische Sonne genießen können mit dem Mittelmeer am Horizont.
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.01.2022, 13:15 Uhr
Beitrag von Jakob Rüger
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