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Audio: rbb24 Inforadio | 10.01.2022 | Philipp Höppner | Quelle: rbb/Philipp Höppner

Interview | Hertha-Keeper Oliver Christensen

"Ich bin der Geier - das ist der größte Vogel im Berliner Zoo"

Oliver Christensen ist mit 23 Jahren unumstrittene Nummer eins bei Hertha BSC. Im rbb|24-Interview spricht er über den Berliner Winter, einen Bundesliga-Bestwert, der ihm gar nicht so viel bedeutet - und seinen Rap-Namen ("Der Geier aus Kerteminde").

Oliver Christensen trägt eine Wasserflasche in der Hand und ein breites Grinsen im Gesicht, als er zum Interview kommt. Letzteres hat der 1,90 Meter große Däne fast immer dabei. Der Fanliebling bei Hertha BSC schaut in die Augen beim Vorstellen - und hat einen festen Händedruck.

rbb|24: Herr Christensen, woher kommt Ihre immer gute Laune?

(lacht) Ich weiß es nicht. Ich glaube, wenn du aufstehst und zum Training fährst, dann kannst du nicht sauer sein. Das geht nicht. Ich liebe mein Leben - das ist mein Traum, seit ich sieben Jahre alt bin. Und jetzt bin ich hier und sehr froh über die Mannschaft, die Fans, den Verein und auch die Stadt Berlin. Es ist eine super Stadt, es gibt viel zu tun, zum Spaß haben, im Sommer, im Winter…

Was macht denn Spaß in Berlin im Winter?

Du kannst ins Spa gehen, Kultur sehen, in Restaurants. Ich liebe gutes Essen und da gibt es in Berlin viele gute Restaurants. Man hat abseits vom Platz echt ein gutes Leben .

Zur Person

Ihr Deutsch ist echt gut geworden - nehmen Sie noch Unterricht?

Nein, nicht mehr. Ich war richtig gut vor der WM und dann habe ich zwei Monate nur Dänisch geredet. Deswegen ist mein Deutsch ein bisschen schlechter jetzt, aber das kommt wieder.

Sie sind als dritter Torhüter für Dänemark in Katar gewesen. Wie war das?

Das ist der Traum von jedem Fußballer, für sein Land bei einer WM zu sein. Das war richtig schön und ich bin sehr stolz darauf. Natürlich wollten wir besser spielen und weiter kommen, aber die Erfahrungen, die ich gemacht habe, waren trotzdem toll. Ich hoffe, es war nicht meine letzte WM.

Vor acht Monaten saßen Sie bei Hertha noch auf der Bank. Dann verletzten sich Alexander Schwolow und Marcel Lotka - Sie bekamen Ihre Chance in der Relegation gegen den HSV. Und jetzt sind Sie Stammtorhüter. Wie haben Sie diese Zeit wahrgenommen?

Es ist schwer, das alles zu erklären. Es geht so schnell im Fußball. Du wirst vom dritten Torwart zur Nummer eins in vier Tagen. Das ist das Schöne im Fußball. Ich glaube aber auch, dass ich es gut gemacht und mir verdient habe. Es gibt keine Geschenke im Fußball. Wenn du eine kleine Chance kriegst, dann musst du sie nutzen. Und jetzt bin ich der älteste Torhüter in der Gruppe hier in Florida - das macht auch Spaß.

Obwohl Sie ja immer gute Laune zu haben scheinen, werden Sie nervös vor einem Spiel?

Ich bin nicht nervös, ich freue mich. Wenn du Torhüter bist, musst du sehr viel Selbstvertrauen haben und darfst nicht darüber nachdenken, was die Leute im Stadion über dich denken, oder die Journalisten oder deine Trainer. Du brauchst 100 Prozent Selbstvertrauen. Ich freue mich immer aufs Spielen und möchte beweisen, wie gut ich bin. Das ist jedes Spiel mein Ziel.

Sie verlassen oft den Strafraum, kommen weit aus dem Tor heraus. Wieso?

Das ist mein Spiel. Ich habe das weiterentwickelt hier in Deutschland und eine gute Position für mich gefunden, wo ich das Spiel gut im Blick habe und meinen Verteidigern helfen kann, wenn tiefe Bälle kommen - die kann ich dann abfangen. Ich möchte meinen Verteidigern immer helfen und gebe alles für sie und sie für mich. Es ist wichtig, einander zu helfen. Denn wir müssen zusammen das Tor sauber halten.

Von allen Torhütern in der Bundesliga sind Sie in den ersten 15 Spielen die meisten Kilometer gelaufen. Wissen Sie, wie viele?

6,5 Kilometer pro Spiel?

6,26 um genau zu sein. 94 Kilometer insgesamt. Woher wissen Sie das?

Wir bekommen immer Statistiken nach den Spielen. Marco Richter hat mir einmal gesagt nach einem Spiel, in dem er zur Halbzeit eingewechselt worden ist, dass er 6 Kilometer gelaufen ist und ich 7,1, glaube ich. Das war echt viel. Aber ich denke darüber nicht so viel nach. Ich möchte einfach helfen und wenn wir hoch stehen und pressen, dann stehe und laufe ich eben auch etwas mehr.

Wegen Knieverletzung

Ejuke reist aus Hertha-Trainingslager ab

Der Torwart, der diesen Stil quasi erfunden hat, ist Manuel Neuer. Das ist auch eines Ihrer Vorbilder im Tor, richtig?

Ja. Alle waren fasziniert von Manuel Neuer, weil er in der Champions League, schon bevor er zu Bayern gewechselt ist, immer sehr hoch gestanden hat. Das war für Torhüter, Journalisten und Experten beeindruckend und sie haben alle gemerkt, dass das hilft. Es macht es dem Gegner schwer, weil sie gegen hochstehende Mannschaften nicht einfach den Ball blind nach vorne schlagen. Man musste gucken, wo Neuer steht. So kannst du deiner Mannschaft echt helfen, aber es ist auch ein Risiko. Manchmal geht es auch nicht gut, du siehst schlecht aus. Aber ich denke, man macht so vielleicht zwei Fehler in der Saison, verhindert aber sieben oder acht Tore. Das sind dann plus sechs.

Im November hat Hertha zu Hause gegen Bayern gespielt - haben sie miteinander gesprochen oder Trikots getauscht?

Nein. Ich habe ihm nur viel Glück gewünscht für die WM, mehr nicht.

Wusste er, dass Sie auch zur WM fahren?

Ich glaube nicht. (lacht)

Mit welchen Aspekten Ihres Torwartspiels sind Sie zufrieden und woran möchten Sie noch besonders arbeiten?

Ich bin sehr zufrieden mit meiner Aggressivität - bei hohen und flachen Bällen. Das hätte ich nicht gedacht vor der Saison. Besser werden möchte ich mit meinen Füßen. Wenn du ein Top-Torhüter in der Bundesliga sein willst, dann musst du da richtig gut sein. Das habe ich auch mit Andi Menger (Andreas Menger ist Herthas Torwarttrainer, Anm. d. Red.) besprochen. Ich bin mit den Füßen nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut. Daran möchte ich arbeiten.

Bald steht auch wieder das Derby an - wie kann es für Hertha besser laufen als am ersten Spieltag der Saison?

Wenn du ein Derby spielst, dann musst du von der ersten Sekunde bereit sein. Ich wünsche mir, dass wir ein bisschen härter spielen. Wenn ein Mann vorbeigeht, dann (klatscht einmal in die Hände) musst du rein ins Fleisch. Manchmal gibt es Freistoß, aber manchmal kriegst du auch den Ball. Du musst sehr körperlich spielen im Derby. Union macht das auch. Die sind aggressiv und wir müssen ihre Aggressivität erwidern. Wir haben das am ersten Spieltag nicht gut gemacht, aber ich finde, wir sind eine andere Mannschaft jetzt. Ich möchte das Spiel unbedingt gewinnen und die ganze Mannschaft auch.

Hertha-Keeper Oliver Christensen bejubelt den Relegations-Erfolg in Hamburg. | Quelle: imago images/Matthias Koch

In der vergangenen Saison gab es Zoff zwischen Mannschaft und Fans. Nach der Derby-Niederlage im Olympiastadion sollten Sie auch Ihr Trikot ausziehen, obwohl Sie gar nicht gespielt haben. Jetzt scheint die Stimmung wieder deutlich besser - warum?

Ich glaube, nach dem Hamburg-Spiel (in der Relegation, Anm. d. Red.) haben wir einander wiedergefunden - Mannschaft und Fans. Da waren sehr viele Emotionen nach dem Spiel. Die Fans haben gesehen, wir wollen alle das Beste für den Verein und dass wir den Verein lieben. Deswegen sind wir hier. Ich glaube, das haben die Fans gesehen. Viele haben nach dem Spiel geweint. Ich aber nicht, ich habe andere Sachen gemacht.

Welche denn?

(lacht) Ich habe Spaß gemacht. Wie immer. Die Fans haben gesehen, dass es den Spielern auch sehr viel bedeutet. Diese Saison ist auch die Stimmung im Oly wieder überragend. Die Fans freuen sich wieder da zu sein nach Corona.

Daran arbeitet Hertha im Trainingslager in Florida

Präzision unter Palmen

Zwei Wochen bevor die Bundesliga wieder losgeht, macht sich Hertha BSC in Florida fit. Bei strahlendem Sonnenschein soll besonders an der Präzision im Offensivspiel gearbeitet werden. Und die Stimmung ist weiterhin unbeeindruckt von der Tabellensituation. Von Philipp Höppner

Wo steht Hertha am Saisonende?

Ich hoffe, höher als Fünfzehnter. Ich habe gesagt, wir müssen es besser machen als letztes Jahr. Wir haben bislang so viele Punkte verloren am Ende, in den letzten zehn Minuten. Das müssen wir besser machen.

Wie wichtig ist gute Laune dabei?

Das ist richtig wichtig. Wenn du immer auf die Tabelle guckst, ist das nicht gut für deinen Kopf. Für mich ist das Wichtigste für einen Fußballer, dass er frei im Kopf ist. Wenn du zu viel nachdenkst über das, was die Zeitungen schreiben oder die Fans auf Instagram, ist das nicht gut. Du brauchst einen freien Kopf und Selbstvertrauen. Hier in dieser Mannschaft versuchen wir, eine gute Stimmung zu haben. Wir müssen nicht über den Abstieg reden, wenn noch 20 Spiele zu spielen sind. Wenn noch fünf Spiele übrig sind, dann können wir darüber reden. Aber in 20 Spielen können wir noch 60 Punkte holen.

Hertha kann noch Meister werden.

Wir können noch Meister werden, wenn wir alle Spiele gewinnen und mit etwas Glück vielleicht. (lacht) Aber wir wollen alle Spiele gewinnen - auch Bayern auswärts. Und dafür braucht es eine gute Stimmung in der Kabine und im Verein.

Sie sind großer NBA-Fan - was ist Ihr Lieblingsteam?

Ich habe kein Team, aber einzelne Spieler, die ich liebe: LeBron James, Kyrie Irving und Donovan Mitchell. Und Damian Lillard finde ich auch sehr cool - der rappt auch ein bisschen - "Dame D.O.L.L.A" - der geilste Name der ganzen Liga.

Erst 3:0, dann 7:1

Hertha BSC gewinnt seine ersten beiden Testspiele im USA-Trainingslager deutlich

Was wäre Ihr Rap-Name?

(lacht) Ich glaube, der Geier aus Kerteminde.

Kerteminde ist die Stadt, in der Sie geboren und aufgewachsen sind. Und wieso der Geier?

Ich bin der Geier - das ist der größte Vogel im Berliner Zoo.

Vogel ist in Deutsch umgangssprachlich eigentlich ein komischer Mensch, wussten Sie das?

Ah, nein, das wusste ich nicht. Aber ich bin vielleicht auch ein Vogel.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Philipp Höppner, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 10.01.2022, 17:15 Uhr

Beitrag von Philipp Höppner

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