Gleichberechtigung von Frauen
Auch im Berliner Fußball gehen deutlich weniger Trainer-Lizenzen an Frauen als an Männer. Die Strukturen im Fußball verhindern gleichberechtigte Chancen auf diesem Weg. Doch Verband und Vereine wollen dies ändern. Von Patrick Richter
Trainerinnen sind im männerdominierten Fußball weiterhin eher eine Rarität als die Normalität. Im Jahr 2021 gingen lediglich 19,9 Prozent der vom Berliner Fußballverband (BFV) ausgestellten Trainer-Lizenzen an Frauen. Das geht aus einer Statistik des BFV hervor, die rbb|24 vorliegt. In den Jahren davor war die Quote teilweise noch geringer. Die Gründe dafür sind vielfältig. Doch der BFV arbeitet nach eigenen Angaben daran, dass die Grundlagen für Frauen verbessert werden, in den Trainerberuf einzusteigen - damit sie dann wiederum Vorbilder für zukünftige Generationen sein können.
Damit mehr Trainerinnen in den Fußball kommen, brauche es ein Zusammenspiel von Verbänden und Vereinen, ist Martin Meyer überzeugt, Referatsleiter für Qualifizierung, Sport und Sportschule beim BFV. "Wir als Fußballverband können den Vereinen eine Plattform bieten, Frauen in ihren Vereinen zu qualifizieren", sagt er. Eine Entscheidung darüber treffen, ob die ausgebildeten Trainerinnen tatsächlich in die entsprechenden Positionen kommen, könne der BFV allerdings nicht. Somit liegt es in der Hand der Vereine, ob sie sich für einen Trainer oder eine Trainerin entscheiden.
Eine große Mehrheit der Vereine wird jedoch immer noch von Männern geführt. Diese alten Strukturen hätten sich zu einem "selbsterhaltenden System" entwickelt, erklärt Meyer. "Die Männer bilden die Jungs aus, die wiederum selbst zu Trainern werden." Dieses System zu durchbrechen, sei nicht leicht - und es benötige in erster Linie Zeit: einerseits, um entsprechend qualifizierte Frauen auszubilden, aber auch, um in die Köpfe der Männer zu bringen, dass Trainerinnen im Fußball selbstverständlich sind. Genau dieses Umdenken will der BFV durch "Sichtbarkeit von Frauen" erwirken.
Diese Sichtbarkeit zu erwirken, ohne Trainerinnen im Fußball als etwas Besonderes darzustellen, sei allerdings kein einfacher Spagat, findet Meyer. Von Möglichkeiten wie die in anderen Branchen angewandte Frauenquote hält er - zumindest in diesem Bereich - wenig: "Die Trainerinnen, mit denen wir sprechen, bleiben vor allem lange in den Vereinen, wenn es selbstverständlich ist, dass sie sich engagieren - wenn sie nicht als Pilotprojekt gesehen werden." Eine Quote führe hier eher zu einer Stigmatisierung. Bei der Besetzung von Gremien im Verband oder Verein könnte sie hingegen ein durchaus sinnvolles Instrument zur Sicherung der Meinungsvielfalt sein.
Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts spielt mit Sicherheit auch eine Rolle, wenn Frauen dem Fußball den Rücken kehren, statistisch erfassen lasse sich das bisher jedoch nicht, so Meyer. Oftmals seien die Gründe für den Rückzug von Frauen aus dem Fußball pragmatischer Natur: Familie, Studium, Auslandsaufenthalte und berufliche Ambitionen unterbrechen den Übergang von einer Spielerinnen-Karriere zu einer möglichen Trainerinnen-Karriere. Diese Gefahr sei bei Frauen deutlich höher als bei Männern, da diese den Fußball in ihrem Leben deutlich weniger priorisieren würden, sagt Meyer. Durch einen strukturellen Wandel könnte sich diese Denkweise aber möglicherweise verändern.
Um eine Veränderung anzustoßen, müsse an den Grundstrukturen gearbeitet werden, sagt Meyer. In erster Linie sei es wichtig, dass die Lizenz-Lehrgänge als sichere Räume für Frauen wahrgenommen würden, gerade wenn diese dort in der Unterzahl sind. Es brauche eine gute Ausbildung, Unterstützungsprogramme während des Werdegangs und Vertrauensvorschüsse, die ausgebildeten Trainerinnen in den entsprechenden Rollen dann auch in Ruhe arbeiten zu lassen. Bei der Umsetzung dessen in den Vereinen stößt der BFV bei einigen "auf offene Arme, aber auch oft noch auf taube Ohren", wie Meyer sagt. "Es ist ein mühsamer Prozess."
Ein weiterer wichtiger Baustein zur Gleichberechtigung im Trainerberuf ist der Faktor Zeit. Um entsprechende Lizenzen zu erwerben, braucht es teilweise bis zu zehn Jahre. Trainerinnen würden jedoch als erfolgreiche Vorbilder dienen, um in der nächsten Generation eine noch breitere Masse an Mädchen für den Werdegang zu begeistern, betont Meyer. Nur so könne auch nachhaltig eine Veränderung zu mehr Frauen im Trainerberuf herbeigeführt werden. Genau in diesem Bestreben sieht Martin Meyer den Berliner Fußball-Verband auf einem guten Weg, betont aber auch: "Zufrieden sind wir allerdings noch nicht."
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