Boxtrainer-Legende Ulli Wegner
Trainer-Legende Ulli Wegner betreute die besten Boxer Deutschlands und machte sie zu Weltmeistern. Die vergangenen Jahre waren aber vor allem von Krankheit und Klinikaufenthalten geprägt. Seine Leidenschaft fürs Boxen hat er nicht verloren. Von Jakob Lobach
Pünktlich um 12 Uhr und nach nur einem Freizeichen geht Ulli Wegner an sein Telefon. Eine kurze Begrüßung, und keine Minute später lässt der langjährige und sehr erfolgreiche Berliner Boxtrainer auch schon die erste gute Nachricht verlauten: "Ich sitze gerade am Frühstückstisch. Meine Frau und ich haben vorhin gegessen", sagt er. Was banal klingt, ist es nicht, wenn man bedenkt, dass der mittlerweile 80-Jährige erst kürzlich aus der Klinik entlassen wurde.
Zwei komplizierte Oberschenkelhalsbrüche, eine schwere Corona-Erkrankung und nur durch Zufall entdeckter Darmkrebs haben die vergangenen gut drei Jahre von Ulli Wegner geprägt. Sie haben einiges, aber nicht alles verändert in Wegners Alltag: Seine Leidenschaft am Boxsport, die konnten sie nicht trüben. Noch immer verfolgt Deutschlands bekanntester Boxtrainer der vergangenen Jahrzehnte die Szene intensiv – angesichts eines Mangels an neuen Weltklasse-Boxern dieser Tage durchaus kritisch.
Wegner selbst hatte zu seinen Hochzeiten als Trainer gleich mehrere solcher Boxer von internationalem Format unter seinen Fittichen: Sven Ottke, Arthur Abraham, Markus Beyer – es sind nur drei der Athleten, die Wegner zum Erfolg und zu Titeln führte. Auch als Wegner 2020 nach seinem ersten Oberschenkelbruch zuletzt mit dem Bulgaren Kubrat Pulev trainierte, tat er dies zur Vorbereitung auf dessen WM-Kampf gegen Anthony Joshua. "Ich war immer auf Draht und hatte trotz der körperlich anstrengenden Arbeit als Trainer nie gesundheitliche Probleme", sagt Wegner, ehe er ergänzt: "Die letzten zwei Jahre hat es mich aber ganz schön erwischt."
Wenn Wegner spricht, klingt durch, dass die Probleme der vergangenen Jahre durchaus Spuren bei ihm hinterlassen haben. Noch auffälliger ist allerdings die Begeisterung, mit der Wegner auch heute noch über seinen Sport spricht: "Ich war 47 Jahre im Boxen tätig – in ganz verschiedenen Funktionen", sagt Wegner. "Das lässt einen nicht los." Zumal auch der Kontakt zu ehemaligen Wegbegleitern auch in den vergangenen Jahren nicht abgerissen ist. "Meine ehemaligen Schützlinge rufen immer mal bei mir an", erzählt er. Auch mit anderen, noch aktiveren Trainern sei er in Kontakt, sagt Wegner. "Wie beispielsweise Kay Huste, der die Nina Meinke zum Weltmeister gemacht hat. Er fragt nach meinen Erfahrungen und dann tauschen wir uns aus."
Mit ihrem WM-Titel im WIBF-Verband gelang der Berlinerin Meinke – wenn auch in geringerem Ausmaß – vergangenes Jahr das, was Abraham, Ottke und Co. zu ihren besten Zeiten regelmäßig taten: Sie verschaffte der Berliner Boxszene zusätzliche Aufmerksamkeit. "Zu den Hochzeiten von Sauerland und Universum hatte Deutschland weltweit im Boxen ein Wörtchen mitzureden", weiß auch Ulli Wegner. Dafür, dass dies aktuell eher nicht der Fall ist, sieht der gebürtige Stettiner viele Gründe.
Einzig einen Mangel an Talenten will Wegner dabei nicht als Ausrede gelten lassen. "Es gibt viele junge Menschen, die gerne boxen wollen, und wir haben die gleiche Zahl von Talenten wie früher", sagt Wegner. In deren Förderung seien jedoch "viele Lücken entstanden", ergänzt er und fügt hinzu: "Jetzt ist es an den Trainern und Managern, Strukturen aufzubauen, um sie zum Erfolg zu führen."
Ob Ulli Wegner selbst nochmal als Trainer arbeiten und einen Boxer zum Erfolg im Ring führen wird, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. An seiner Motivation und Bereitschaft wird es nicht scheitern: Er träume davon, besagten Kubrat Pulev "nochmal auf einen Weltmeisterschafts-Kampf vorzubereiten. Das habe ich ihm versprochen", sagt Wegner. Allerdings nicht, ohne hinzuzufügen: "Aber da muss ich sehen, ob das mit meinem Bein noch geht." Das nämlich schmerzt nach dem zweiten Oberschenkelhalsbruch noch immer und war auch der Grund für den jüngsten Klinik-Aufenthalt.
Konkrete Box-Pläne hat Ulli Wegner für den Moment also nicht. Und auch, wenn er liebend gerne noch einmal einen Schützling im und am Ring betreuen würde, erzwingen will und wird er dies nicht. "Ich kann auch so mit gutem Gewissen zurückblicken", sagt Wegner über seine Trainerkarriere.
Beitrag von Jakob Lobach
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