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Video: rbb24 | 14.02.2023 | Max Zobel | Quelle: imago images/Matthias Koch

Aufstiegskampf in der Frauen-Regionalliga

Drei Wege, ein Ziel

Mit Union, Viktoria und Türkiyemspor duellieren sich drei Klubs in der Regionalliga Nordost der Frauen um den Zweitliga-Aufstieg. Es ist auch ein Kampf verschiedener Modelle - zwischen Investorinnen, Profis und Kiezklub. Von Johannes Mohren

Es ist das Spitzenduell gleich zum Rückrunden-Auftakt. Die Regionalliga Nordost der Frauen beendet am Wochenende ihre Winterpause und der Zweite 1. FC Union empfängt den Ersten Viktoria Berlin. Schon der Spieltermin unterstreicht die Bedeutung: Angepfiffen wird die Partie am Samstag (14 Uhr) - einen Tag, bevor der Rest der Liga loslegt. Die 1.500 Eintrittskarten für das Spiel auf dem Fritz-Lesch-Sportplatz waren binnen 20 Minuten komplett ausverkauft. "Es ist ein Endspiel", sagt Ailien Poese, Trainerin der Köpenickerinnen.

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Tatsächlich ist es ein Duell, das die - oft allzu inflationär gebrauchte - Bezeichnung 'richtungsweisend' redlich verdient. Mit einem Sieg wäre Viktoria dem 1. FC Union (fast) enteilt. Doch der Trainer der Lichterfelderinnen Alejandro Prieto warnt schon einmal vorsorglich: "Die Saison wird nicht in diesem einen Spiel entschieden." Auch weil der Aufstiegskampf eben doch mehr ist als nur das illustre Duell zwischen dem Investorinnen-Klub aus dem Berliner Südwesten und den Unionerinnen mit Profiklub-Background im Männer-Bereich.

Es ist noch ein drittes Team, das mitmischt - oft vergessen im Kampf der beiden Schwergewichte um sportlichen Erfolg und mediale Aufmerksamkeit. Nicht jedoch von Prieto: "Türkiyemspor hat auch ein Spiel weniger als Union. So wie wir. Sie könnten also nach dem Spieltag Zweiter sein." Der Kreuzberger Kiezklub hat den Zweitliga-Aufstieg ebenso als Ziel ausgegeben. Für das Trio gilt: Die Meisterschaft alleine reicht dafür nicht. In der Relegation müssten noch die Titelträgerinnen der Nord-Staffel besiegt werden - voraussichtlich der Hamburger SV.

rbb|24 schaut im Detail auf die drei Teams im Meisterschaftskampf.

Quelle: Screenshot rbb

Viktoria Berlin - in der Pole Position

Elf Siege hat Viktoria in den zwölf Hinrunden-Spielen geholt und dabei 81 Tore geschossen und nur acht kassiert. Es sind Zahlen der Dominanz - und sie passen zu Alejandro Prietos Spielphilosophie: "Wir wollen offensiv sein, Tore schießen, wir wollen Spaß vermitteln", sagt der Trainer. Das gelang den Lichterfelderinnen vor der Winterpause vorzüglich - in einer Liga, die dem Team in weiten Teilen nicht gewachsen ist. Gleich in vier Spielen fertigte Viktoria überforderte Gegnerinnen zweistellig ab. Alleine Topstürmerin Aylin Yaren hat 23 Tore erzielt. Die Hälfte der Konkurrentinnen kommt nicht einmal in der Summe auf diese Trefferzahl.

Yaren ist bundesliga- und nationalmannschaftserfahren und kam vor der Saison von Liga-Konkurrent Türkiyemspor (siehe unten) zu Viktoria. Neben ihr auf dem Feld steht seit ihrem Comeback im November unter anderem Nina Ehegötz. Die 25-Jährige lief - bevor sie zwischenzeitlich die Karriere für beendet erklärte - für Bayer Leverkusen und Turbine Potsdam mehr als hundert Mal im Fußball-Oberhaus auf. Es sind diese Spielerinnen, die die Lichterfelderinnen zu mehr machen als einem 'normalen' Drittliga-Team. "Sie sind großartig. Es ist nicht nur das sportliche Niveau, das sie mitbringen, ihre Art und Weise zu spielen und ihre Erfahrung. Sie sind auch als Personen einfach beeindruckend", sagt Prieto.

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Sie sind die Anführerinnen, die das Team (Prieto: "Wir haben eine gute Balance aus jungen und erfahrenen Spielerinnen) in die zweite Liga führen sollen. Und die soll nicht mehr als eine möglichst kurze Zwischenstation sein. Das steht fest, seit im Sommer sechs Investorinnen das Ruder übernahmen. Inzwischen liegt die Zahl der Unterstützerinnen - unter ihnen große Sport-Namen wie Franziska van Almsick, Dunja Hayali oder Maria Höfl-Riesch - im hohen zweistelligen Bereich und das finanzielle Engagement im siebenstelligen.

Ob das Druck bedeute? Nein, versichert Prieto. "Ich empfinde es als große Motivation und das Team tut das auch." Mit dem 1. FC Union geht es nun zum einzigen Konkurrenten, gegen den seine Mannschaft in der Hinrunde verlor - ehe die Serie von elf Siegen startete. Der Trainer will das Spiel nicht mit mehr Bedeutung beladen, als es ohnehin schon hat. Er bremst, sagt: "Jedes Wochenende ist ein Finale." Um dann doch hinzuzufügen: "Wir wollen Erster werden, wir wollen ein Statement setzen - es ist also großartig, diese Chance zur Revanche zu haben."

Union Berlin - im Attacke-Modus

Es ist eine große Tafel im Stadion an der Alten Försterei, an der Ailien Poese und Jennifer Zietz sitzen. Sie sind das sportliche Führungsduo des Frauen des 1. FC Union - Poese seit Saisonbeginn als Trainerin, Zietz seit der Winterpause als sportliche Leiterin. Zahlreiche Journalisten sind zum Pressetermin gekommen - und sie erleben an diesem Morgen einen Verein im Attacke-Modus. "Wir wollen natürlich den ersten Platz angreifen und der Startschuss soll gegen Viktoria fallen. Wir wollen jedes Spiel der Rückrunde gewinnen", sagt Poese.

Sie wissen in Köpenick, dass sie es nicht mehr in der eigenen Hand haben. Doch sie haben alles getan, um bereit zu sein, falls Viktoria schwächelt. So sind Dina und Katja Orschmann zurück beim 1. FC Union. "Wer unsere Vorbereitungsspiele gesehen hat, hat schon gemerkt, dass das sehr starke Zugänge sind. Sie haben ja auch schon auf höherem Niveau gespielt", sagt Poese. Die Verpflichtungen gäben einen "enormen Input und vielen Spielerinnen aus dem Kader einen Push". In den Testpartien siegte Union etwa gegen Turbine Potsdam.

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Und damit gegen den Ex-Klub der neuen sportlichen Leiterin Zietz. Mit den Brandenburgerinnen gewann die 39-Jährige zahlreiche Meisterschaften und Pokale - der größte Triumph: der Champions-League-Sieg 2010. "Das hilft unfassbar und ich bin total glücklich, dass es dem Verein gelungen ist, sie zu verpflichten", sagt Poese. Es ist ein klarer Schritt der Professionalisierung. Sie bringe Erfahrung mit in den Verein, "vor allem Erfahrung aus dem Frauenfußball".

Das Projekt Union sei "super spannend", sagt Zietz selbst. Wenn sie über Zeithorizonte spricht, sagt die die 39-Jährige, der Verein wolle "zeitnah" in die zweite Liga aufsteigen und "mittelfristig" auch in die erste. Der Klub selbst betont, keinen Druck machen zu wollen. "Je schneller man es schafft, umso schöner, aber es ist nicht so, dass von Vereinsseite irgendwo ein Datum steht", sagt der Geschäftsführer Kommunikation Christian Arbeit.

Türkiyemspor Berlin - die lachenden Dritten?

Zeljko Ristic ist ein gesprächiger Mensch. Das gilt gerade dann, wenn der sportliche Leiter zu 'seinem' Frauenteam von Türkiyemspor gefragt wird. Auf eine Frage nach dem Saisonziel fällt seine Antwort aber kurz aus. "Wir beantragen die zweite Liga", sagt er im rbb|24-Interview, um dann - als könne er das Erstaunen über die wenigen Worte spüren - doch noch nachzuschieben: "Wir wollen noch weiter in die Suppe spucken. Ganz einfach."

Es hat Gründe, warum Ristic so wortkarg reagiert. Türkiyemspor liegt - bei einem Spiel weniger - nur einen Punkt hinter Union und fünf Zähler hinter Viktoria. Trotzdem ist es oft die Erzählung eines Duells, wenn es um den Aufstiegskampf in der Regionalliga Nordost geht. "Uns beachtet niemand, also wirklich niemand. Es ist ja so, als würden wir gar nicht richtig oben mitspielen. Das finde ich fast schon ein bisschen grotesk", sagt der sportliche Leiter.

Eine "mangelnde Wertschätzung" für seinen Kreuzberger Klub nimmt er wahr, der die Partien bei Union (1:3) und Viktoria (1:2) in der Hinrunde nur knapp verlor - und bewusst 'anders' sein will als die beiden Konkurrenten. Zumindest fällt dieses Wort im Gespräch mit Ristic immer wieder. Wie er dieses Anders-Sein definiert? "Wir wollen wirklich noch ein Berliner Verein sein und auch unabhängig von der Liga-Zugehörigkeit nachhaltig etwas entwickeln. Es gibt - Stand jetzt - gar nicht so viele gute Fußballerinnen in der Stadt. Union und Viktoria müssen also auch auf Spielerinnen von außen zugreifen. Wir konzentrieren uns nur auf Berlin."

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Es ist nicht nur ein Anders-Sein-Wollen, sondern auch ein -Müssen. Zusammenhalt und familiäres Flair sollen finanzielle und strukturelle Wettbewerbsnachteile wettmachen. "Wir wollen mehr Liebe investieren in die Spielerinnen und Trainerinnen", sagt Ristic nicht ohne Pathos - und: "Wir sind wie ein kleiner Familienbetrieb, der viel davon lebt, dass wir uns gegenseitig wertschätzen, schöne Dinge gemeinsam machen und eine Haltung haben. Dadurch kommen auch Frauen zu uns, um in und mit diesem Gefühl hier zu spielen."

Spielen wird Türkiyemspor in der Rückrunde unter einem neuen Trainer. Antonio Schmid kommt vom Berlin-Ligisten Viktoria Mitte. Bislang war die Position des Coaches vakant, ja: ein Nebenbei-Geschäft im Verein. "Wir wollen, dass die Frauen jemanden haben, der sie wirklich trainiert und nicht wie Murat [Gründer und Leiter der Mädchen- und Frauenabteilung, Anm. d. Red.] und ich auf mehreren Hochzeiten rumspringen. Das ist den Frauen nicht gerecht geworden." Mit Schmid an der Linie soll der Sprung nach oben gelingen. Eng werde es, prophezeit Ristic, um dann selbstbewusst zu sagen: "Natürlich tippe ich nur auf unser Team. Wir werden am Ende der lachende Dritte sein."

Sendung: rbb24, 14.02.2023, 18 Uhr

Beitrag von Johannes Mohren

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