Interview zum 50. Geburtstag
Am Freitag wird Handball-Legende Stefan Kretzschmar 50 Jahre alt. Anlässlich dieser besonderen Zahl blickt der Sportvorstand der Füchse Berlin auf seine wilden Jahre in die Vergangenheit zurück, aber auch auf seine Wünsche für die Zukunft.
Sie werden 50 Jahre alt. Ist das eine Zahl, die etwas mit Ihnen macht oder ist das ein Tag wie jeder andere?
Es wird etwas mit mir machen, weil andere Menschen etwas hineininterpretieren. Mir ist das relativ egal, ob man mir das glaubt oder nicht. Die Zahl interessiert mich überhaupt nicht, außer dass es im Sommer eine schöne Party geben wird. Ich gehe das im Kreise meiner Familie ganz entspannt an und mache das Telefon einfach aus, weil ich weiß, was da alles passieren wird und das wäre zu viel.
Ein halbes Jahrhundert ist ein guter Zeitpunkt, um zurück- und vorauszublicken. Was sind die Momente des Handballers aber auch des Menschen Stefan Kretzschmar, bei denen Sie sagen: Das habe ich richtig gut gemacht?
Das ist in meinem Fall schon schwer zu sagen, weil so wahnsinnig viel passiert ist: Unheimlich viele Eindrücke und Erlebnisse, die in meinem Leben passiert sind und in anderen Leben nicht einmal ansatzweise. Im Leistungssport geht es immer weiter, man hat gar nicht die Chance, mal innezuhalten und den Moment zu genießen. Es wird immer abgehakt und weiter geht’s - neue Ziele und Erwartungen. Ich finde, dass ich das Sportliche nicht so schlecht gemacht habe, ich habe mit meinen Möglichkeiten sehr viel erreicht.
Für mich ist es immer das größte Kompliment, wenn andere Menschen durch mich inspiriert werden und mir gesagt wird, man habe wegen mir angefangen, Handball zu spielen. Das ist viel mehr wert als jede Trophäe. Die Amerikaner sagen immer ganz nett: Man hat das Spiel besser hinterlassen, als man es vorgefunden hat. Ich glaube schon, dass ich für den Handball in Deutschland viel gemacht habe und immer noch mache. Ich bin mit meinem Leben bisher zufrieden.
Sie haben einst in der Show von Kurt Krömer ein wenig zurückgeblickt, auch auf Auftritte in der Öffentlichkeit aus den 90er Jahren. Gibt es auf dieser Ebene Dinge, bei denen Sie sagen: Das hätte man anders machen können oder gar nicht tun müssen. Oder war es einfach eine andere Zeit und Sie stehen zu den Dingen?
Alles aus den 90er Jahren ist peinlich. Aber das sage ich nun auch aus der Sicht eines 50-Jährigen. Natürlich würde ich heute nicht mehr die Parolen von damals raushauen. Ich wäre nicht mehr solch ein Schreihals und so rebellisch wie plakativ unterwegs. Das ist halt die Jugend. Und es war auch Teil des Phänomens, warum ich überhaupt populär wurde. Das war mein Äußeres, mein Rebellentum und Aktionen wie bei MTV. Ich bin realistisch, dafür war ja nicht nur meine sportliche Leistung der Grund.
Als 50-Jähriger würde ich rückblickend natürlich Dinge anders machen. Aber wenn man grundsätzlich den gesamten Weg sieht, den ich gegangen bin, dann würde ich alles wieder genauso machen. Dieser Weg hat mich dahin geführt, wo ich heute bin und ich bin mit der jetzigen Lebenssituation sehr zufrieden.
Was wünschen Sie sich zu Ihrem in dieser Saison von ihrem Team, den Füchsen?
Das hat nichts mit meinem Geburtstag zu tun, sondern mit einer Verbundenheit, die über Jahre gewachsen ist. Ich glaube, wir sind bereit für etwas Großes. Wir sind in der Lage, in diesem Jahr womöglich die Champions League zu erreichen. Ich wünsche mir hundertprozentigen Fokus. Das habe ich der Mannschaft auch nochmal gesagt. Ich weiß sehr gut, wie oft man eine solche Chance bekommt.
Wir sind momentan in einer sehr guten Ausgangsituation und ich wünsche mir, dass das jedem bewusst ist und jeder diese gute Phase zu schätzen weiß. Man darf nicht unsensibel und inflationär darüber hinweggehen. Diese Chance wird dir nicht jedes Jahr geboten. Was wir in Berlin an Bedingungen, Umfeld und Mannschaft haben, ist nicht selbstverständlich. Wenn die Jungs das verstehen, und das tun sie, dann ist etwas Großes möglich.
Losgelöst vom Sport: Was ist Ihr persönlicher Wunsch zum 50. Geburtstag?
Da bin ich relativ bescheiden. Ich habe keine materialistischen Wünsche, überhaupt nicht. Je weniger Zeit man im Leben zur Verfügung hat, desto mehr Zeit wünscht man sich, um das zu machen, was man gerne macht. Mein Freizeitbewusstsein ist in den letzten Jahren immer weniger geworden, weil mir mein Job immer mehr Spaß macht. Das ist eine Entwicklung, die komisch ist und an die man sich erstmal gewöhnen muss. Ich wünsche mir einfach Zeit: mit guten Leuten, meinen Freunden und der Familie, aber auch Gesundheit.
Das Interview führte Dennis Wiese, rbb sport.
Sendung: rbb24, 17.02.2023, 18 Uhr.
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