Hertha zu Gast in Leverkusen
Nach zwei Heimsiegen steht Fußball-Bundesligist Hertha BSC erstmals seit dem 15. Spieltag wieder auf einem Nicht-Abstiegsplatz. Am Sonntag in Leverkusen will die Mannschaft von Sandro Schwarz den positiven Trend fortsetzen. Von Patrick Richter
Hinter Hertha liegt eine ruhige Trainingswoche. Was bei anderen Vereinen keine besondere Nachricht wäre, hat bei den Blau-Weißen Seltenheitswert. Immer wieder gab es rund um den Klub Störgeräusche, die das Arbeiten auf dem Fußballplatz zumindest nicht gerade erleichterten. Diese Ruhe, vor allem nach dem Wirbel um die negativen Leistungen zu Beginn des Jahres und der damit verbundenen Kündigung von Geschäftführer Fredi Bobic, tut der Mannschaft sichtlich gut. Auch gegen Leverkusen erwartet Sandro Schwarz wieder "volle Intensität, vor allem im Spiel gegen den Ball" von seiner Mannschaft.
Doch diese Ruhe hat sich das Team von Sandro Schwarz auch selbst erarbeitet. Schon seit Saisonbeginn sieht der Trainer vor allem in den Trainingseinheiten, dass die Mannschaft will und auch kann. In den Bundesliga-Spielen war davon teilweise erschreckend wenig sichtbar. Ein wichtiger Faktor dafür, dass sich das nun geändert hat: Tolga Cigerci. Der Winter-Neuzugang der Hertha gibt der Mannschaft unheimlich viel Sicherheit und Ruhe im Spielaufbau. Das hilft auch den Köpfen seiner Mitspieler: "Vielleicht stecke ich die Leute auch an. Ich versuche, positiv zu sein und viel mit den Spielern zu reden."
Hinzu kommt die Systemumstellung auf Dreierkette. Ein weiterer Innenverteidiger führt nicht nur zu größerer Präsenz in der Defensive, sondern senkt auch die Fehleranfälligkeit der einzelnen Spieler. Zusätzlich hat Hertha mit Florian Niederlechner endlich einen Stürmer, der den Ball fest machen und seine aufgerückten Mitspieler in Szene setzen kann. Dafür gab es auch ein Extralob des Trainers: "Was er im Training und in den Spielen anbietet, ist sehr, sehr gut."
Bayer Leverkusen hat jetzt schon eine turbulente Saison hinter sich. Nach nur einem Sieg aus den ersten acht Spielen kämpfte sich die Werkself in den Wochen danach Stück für Stück wieder nach oben. Doch immer wieder gab es, vor allem spielerisch, Rückschläge zu verkraften. Hinzu kommen zu zahlreiche individuelle Aussetzer in der Defensive. Auch nach dem Last-Minute-Abstieg gegen Atletico Madrid in die Europa League brauchte es gegen Monaco das Glück im Elfmeterschießen, um in das Achtelfinale einzuziehen.
Eine klare Handschrift von Xabi Alonso ist noch nicht wirklich zu erkennen. Für den sich zunehmend einstellenden Erfolg ist vor allem eine Person verantwortlich: Florian Wirtz. Der Youngster spielt auch nach seinem Kreuzbandriss wieder überragend. Starkes Pressing, offensiv kreativ und zusätzlich torgefährlich - wenn es bei Leverkusen läuft, dann durch und über ihn. In seinen neun Spielen in dieser Saison konnte der Spielmacher bereits sechs Scorer-Punkte sammeln.
Er schafft es, mit seinen genialen Momenten die individuell ganz stark besetzte Offensive um Moussa Diaby zur Geltung zu bringen. Diese "individuelle Klasse" und "Geschwindigkeit" sind laut Sandro Schwarz die wichtigsten Aspekte, auf die es zu achten gilt. Doch "am Ende liegt es an uns, ob wir bereit sind mit unserer Leistung", so der Hertha-Trainer weiter.
Mit Stammspieler Robert Andrich trifft zudem ein Berliner mit Unioner und Herthaner Vergangenheit auf die Mannschaft von Sandro Schwarz. Vor dem Spiel stellte auch er fest, dass Hertha "mittlerweile seine Formation und auch eine grobe Stammelf gefunden" hat und erwartet deshalb einen "harten Brocken".
Gegen Leverkusen könnte Hertha das erste Mal seit knapp einem Jahr wieder zwei Spiele in Folge gewinnen. Zuletzt gelang das im April 2022 unter Felix Magath gegen Stuttgart, nach einem Sieg in Augsburg. Von Nutzen könnte sein, dass sich Leverkusen in den vergangenen drei Partien gegen Mainz, Monaco und Dortmund nicht gerade heimstark präsentiert. Alle Spiele gingen verloren.
Besonders zu achten gilt es auf die rechte Seite der Leverkusener. Mit Diaby und Jeremie Frimpong bearbeiten dort zwei Spieler die Linie, die mit mehr als 36 km/h unter den Top 5 der schnellsten Bundesliga-Spieler sind. Dabei wird Marvin Plattenhardt, mit knapp mehr als 32 km/h nur auf Rang 217 der Tabelle, sicher etwas Unterstützung benötigen.
Nach den beiden Siege aus den vergangenen drei Spielen in nahezu derselben Formation wird für Trainer Sandro Schwarz kaum ein Grund zur Veränderung bestehen. Marton Dardai, der am vergangenen Wochenende kurzfristig verletzungsbedingt aus der Startelf rutschte, könnte wieder in die Anfangsformation zurückkehren. Wer dafür weichen müsste, ist fraglich. Augustin Rogel zeigte sich in der Hinrunde deutlich stabiler als Filip Uremovic, der Kroate spielte dafür in der Dreierkette deutlich formverbessert.
Im Sturm dürfte Dodi Lukebakio den Vorzug vor Jessic Ngankam erhalten. Sandro Schwarz lobte den Belgier und bescheinigte ihm, mit seinem Treffer zum 2:0 gegen Augsburg die “richtige Reaktion” auf seine drei Bankplätze in Folge gezeigt zu haben. Zusätzlich bringt er gegen die Tempo-Fußballer aus Leverkusen noch einmal mehr Geschwindigkeit mit als Ngankam.
So könnte Hertha beginnen: Christensen - Rogel, Kempf, Dardai - Richter, Cigerci, Plattenhardt - Tousart, Serdar - Lukebakio, Niederlechner
In den vergangenen direkten Duellen präsentiert sich Hertha gegen Leverkusen immer als Gegner auf Augenhöhe. Die Frage, die sich stellen wird: Inwieweit schafft es die Mannschaft von Sandro Schwarz, den Leverkusenern, aber vor allem Florian Wirtz, den Spaß am Fußball zu nehmen? Dieser Aufgabe wird sich besonders Tolga Cigerci annehmen. Es wird damit auch ein Spiel der beiden Strippenzieher. Schafft es Hertha, sich kein frühes Gegentor zu fangen und mit offensiven Nadelstichen die Defensive der Gäste immer wieder zu verunsichern, ist alles möglich.
Der rbb|24-Tipp: Ohne die eigenen Fans im Rücken liefert Hertha zwar eine erneut solide Leistung ab, muss sich aber den ausgeruhten und individuell enorm starken Leverkusenern mit 1:2 geschlagen geben.
Sendung: rbb24, 03.03.2023, 18 Uhr
Beitrag von Patrick Richter
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