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Audio: rbb24 | 15.03.2023 | Quelle: IMAGO/Nordphoto

Analyst Rick Goldmann über Eisbären-Krise

"Es war eine geschenkte Saison"

Hinter den Eisbären liegt eine schwierige Eishockey-Hauptrunde, an deren Ende das Verpassen der Playoffs stand. Experte Rick Goldmann benennt im Interview die Ursachen für die Krise und sagt, auf welchen Positionen sich das Team verbessern muss.

rbb|24: Herr Goldmann, die Eisbären sind innerhalb einer Saison vom deutschen Meister zum Nichterreichen der Playoffs abgestürzt. Hätten Sie damit gerechnet?

Rick Goldmann: Nein. Es war vor der Saison zu erkennen, dass ein gewisser Qualitätsverlust da ist, keine Frage. Aber in den vergangenen Jahren hat die Mannschaft es immer verstanden, sich gemeinsam in eine Art Rausch zu spielen, unabhängig vom vorhandenen Spielermaterial. Das Team hat stets einen Weg gefunden, trotzdem zu gewinnen. Deswegen hätte ich den Eisbären den Absturz vor der Saison auf keinen Fall zugetraut.

Hauptrunden-Aus der Eisbären

"Die Kopf-Rechnerei im Bett, was alles noch möglich wäre, hat auch endlich aufgehört"

Auch die Fanszene der Eisbären Berlin blickt auf eine verkorkste Eishockey-Saison zurück. Zum ersten Mal seit 22 Jahren ist der Klub nicht in den Playoffs dabei. Woran es mangelte und wie die Anhänger das Hauptrunden-Aus aufnehmen.

Trotz der krisenhaften Saison waren die Playoffs für die Eisbären bis zuletzt möglich. Hatten auch Sie auf die Wende gewartet?

An eine Wende habe ich nicht mehr gedacht. Sind wir ehrlich: Wenn man nur die letzten 20 Spiele der Berliner anschaut, dann wären sie Dritter in der Liga. Trotzdem war insgesamt die Konstanz auch da nicht so gegeben, dass man hätte sagen können: "Jetzt kommen sie. Keiner kann sie mehr aufhalten." Das war dieses Jahr nie das Gefühl. Das letzte Spiel war ein bisschen sinnbildlich dafür, wie die ganze Saison gelaufen ist: auf der einen Seite nah dran – dann verliert man aber das Spiel (Anm.: gegen die Schwenninger Wild Wings). Es war eine geschenkte Saison.

Was sind die Hauptgründe für den sportlichen Tiefflug?

In den Jahren zuvor ist sehr viel Positives zusammengekommen. Die Mannschaft konnte sich immer steigern. Es ist quasi von alleine alles gut gegangen. Und dieses Jahr ist von Anfang an alles schlecht gegangen. Los ging es mit dem Qualitätsverlust: Die Eisbären haben es nicht verstanden, Schlüsselspieler wie Mathias Niederberger (Anm.: wechselte zum EHC München), Blaine Byron (IK Oskarshamn), Frans Nielsen (Karriereende) zu ersetzen. Das gleiche gilt für die Kadertiefe. Dann war ein gewisser Meisterschaftsblues da, nach zwei gewonnenen Titeln. Neuzugang Marcel Barinka war schnell wieder weg, Peter Regin war mehr oder weniger ein Totalausfall. Und die Verletztenmisere ist hinzugekommen. Dann stellt man plötzlich fest: Mist, es läuft diesmal nicht von alleine.

Liegt die Schuld also auch bei Sportdirektor Stephane Richer und seiner Kaderplanung?

Nein, das habe ich auch zuletzt betont. Wer jetzt sagt, Richer ist sei Schuld, dass die Eisbären da unten stehen, dem muss man sagen: Er war auch verantwortlich dafür, dass die Eisbären lange ganz oben standen. Er hat zweimal die Meisterschaft geholt mit dem Kader. Hat dieser in der letzten Saison die gleiche Qualität gehabt? Nein. Konnte Richer etwas für den Meisterschaftsblues und die Verletztenmisere? Ich glaube auch: nein. Aber das Schöne ist ja im Sport, dass er in der nächsten Saison allen zeigen kann, dass er es wieder so gut macht wie die Jahre zuvor.

Zur Person

Rick Goldmann wurde 1976 im niederbayrischen Dingolfing geboren und war professioneller Eishockey-Spieler für verschiedene Vereine in der Deutschen Eishockey-Liga. Er absolvierte exakt 500 DEL-Spiele und beendete seine Karriere 2008.

Seit 2008 ist er als Experte und TV-Kommentator für diverse Sender tätig. Während der Olympischen Winterspiele 2022 war er Eishockey-Experte für die ARD.

War die Vertragsverlängerung von Trainer Serge Aubin für sie nachvollziehbar?

Man hat sehr lange an Aubin festgehalten. Dass man ihn auch für nächstes Jahr mit einem Vertrag ausstattet, ist für mich logisch. Nach zwei gewonnenen Meisterschaften vertraut man ihm und möchte um ihn herum etwas Neues aufbauen.

Welche Baustellen sehen Sie im Kader?

Man braucht Qualität in allen Mannschaftsbereichen. In der Verteidigung war Berlin qualitativ und in der Tiefe zu schwach besetzt. Ich bin gespannt, was Kai Wissmann in der nächsten Saison macht, ich kann mir nicht vorstellen, dass er noch ein Jahr in Amerika bleibt (Anm.: Wissmann wechselte im Vorjahr von Berlin in die American Hockey League zu den Providence Bruins). Gawanke ist ein interessanter Mann, der nicht in die NHL (National Hockey League) reinkommt. Das sind zwei deutsche Spieler, die Berlin gut zu Gesicht stehen würden. Ich glaube auch, dass man sich auf den Import-Positionen verbessern muss. Es gibt keine Ausnahmen. Es dürfte ein großes Stühlerücken geben, ich glaube, es werden acht, neun Positionen neu besetzt. Das betrifft alle Mannschaftsteile.

Wird es nach dem Nicht-Erreichen der Playoffs schwieriger, die passenden Spieler für die neue Saison zu verpflichten?

Mein erster Impuls ist: nein. Die Eisbären haben in der DEL mit wenigen anderen Klubs einen sehr, sehr großen Namen. Und wenn ich als Spieler zu den Eisbären Berlin gehe, dann weiß ich: Normalerweise spiele ich hier um die Meisterschaft mit. Auch die beiden Meisterschaften aus dem letzten und vorletzten Jahr dürfen wir nicht vergessen. Diese Saison war natürlich enttäuschend. Dennoch, vor allem für die Importspieler gilt: Berlin ist eine interessante Stadt, der Klub ist spannend, mit einer tollen Infrastruktur.

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Bleibt die schwache Saison am Ende nur ein Ausrutscher und wird es den Eisbären gelingen, mit einem Kaderumbruch direkt wieder oben mitzuspielen?

Mit einem clever aufgestellten Kader kann Berlin in die Top-Four kommen – jetzt reden wir über die Hauptrunde. In den Playoffs kommen natürlich viele Sachen dazu. Aber die Eisbären haben es in der eigenen Hand, nächstes Jahr ein Top-Vier-Kandidat zu werden, und das sollte auch der Anspruch sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.

Sendung: rbb24 Inforadio, 15.03.2023, 17:15 Uhr

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