Herthas Niederlage in Hoffenheim in der Analyse
Hertha BSC ist nach der Niederlage gegen die TSG Hoffenheim auf den Relegationsplatz der Fußball-Bundesliga abgerutscht. Doch noch schlimmer wiegt die dazugehörige Leistung, die wenig Hoffnung lässt. Von Ilja Behnisch
Entschuldigung, es muss sein: Wir müssen über Pal Dardai reden. Der Ungar hatte während seiner Amtszeiten zwar nicht unbedingt ein Händchen für Offensivspektakel, dafür aber eine wunderbar bildhafte Sprache. Mal verglich er seine Spieler mit Tieren ("Dodi ist unser Känguru!"), dann wieder wurde es botanisch.
Auf eine fußballerisch eher maue Phase entgegnete Dardai einst sinngemäß, das habe schon seine Richtigkeit, denn die Hertha habe zuletzt viele Samen gesät und nun müsse man eben geduldig warten und schauen, wann und wie ertragreich genau die Ernte einsetze. Das klang überzeugend und tröstete den ein oder anderen Hertha-Anhänger über die ein oder andere, fußballerische Magerkost seiner Mannschaft hinweg.
Die aktuelle Mannschaft nun hat das mit der Magerkost ebenfalls ganz gut drauf. Den jüngsten Beweis dafür lieferte sie beim erschreckend schwachen 1:3 (0:2) in Hoffenheim. Doch während man den Spielern von Sandro Schwarz so dabei zusah, wie sie mehr halbherzig als wild entschlossen den Sinsheimer Rasen umgruben, wuchs von Minute zu Minute die Überzeugung: zu ernten geben wird es in naher Zukunft eher wenig.
Nun dürften die Hertha-Fans immerhin erfreut zur Kenntnis genommen haben, dass sowohl Trainer Sandro Schwarz ("Völlig verdiente Niederlage, keine gute Leistung") als auch die Spieler (Kevin-Prince Boateng: "Es war einfach zu wenig") nach dem Spiel keine Beschönigungen versuchten. Dabei stellt sich spätestens nach dem 25. Spieltag dieser Fußball-Bundesligasaison die eher grundsätzliche Frage, wie diese Hertha zu den nötigen Punkten für den Klassenerhalt kommen möchte.
Fußball kann die Antwort kaum sein. Wie schon im Heimspiel gegen Mainz (1:1) war davon nämlich wenig bis gar nichts zu sehen bei den Berlinern. Einer unterirdischen Quote angekommener Pässe von knapp 55 Prozent gegen die Rheinhessen stellte Hertha bei der TSG Hoffenheim in der ersten Halbzeit ebenfalls unterirdische 64 Prozent entgegen. Auf die gesamte Spieldauer steigerte sich dieser Wert zwar noch auf 70 Prozent. Aber auch das ist ein furchtbar schlechter Wert und vor allem mit dem Platzverweis der Hoffenheimer (Munas Dabur, 71.) zu erklären.
Was immer Hertha sich offensiv vorgenommen haben mag, die Mannschaft kam so nicht einmal im Ansatz dazu, etwas davon zeigen zu können. Mit Blick auf die taktische Aufstellung und das Personal darf von intensivem Flügelspiel (Mittelstädt, Richter), zweiten Bällen (durch Niederlechner und Ngkankam) und nachrückenden Achtern (Serdar, Tousart) geträumt worden sein. Auf dem Platz ergab sich die zarte Hoffnung auf eine Torchance jedoch höchstens einmal durch einen glücklich zum Mitspieler gegrätschten Ball.
Nun muss man bekanntlich kein Tor erzielen, um zu punkten. Gerade im Abstiegskampf und gerade bei einer notorisch schwachen Auswärtsmannschaft wie der Hertha (Platz 18 auf fremden Plätzen) könnte ein 0:0 eine ganz eigene Erotik entfachen. Dass es dazu nicht kam, lag zum einen am frühen Handelfmeter, verursacht von Tolga Cigerci, den Hoffenheims Andrej Kramaric souverän verwandelte (22.). Zum anderen am unzureichenden Abwehrverhalten der Berliner.
Immer wieder durften die Gastgeber unbedrängt Chipbälle zwischen die Berliner Außen- und Innenverteidigung spielen. Dass sich insbesondere Hoffenheims Kevin Vogt vorzüglich auf dieses Stilmittel versteht, sollte dabei bekannt gewesen sein. Doch nicht nur ließ die Hertha den Pass zu, sondern gleich auch noch gnädig viel Raum, den vor allem der technisch versierte Kramaric, aber auch der flinke Ilhas Bebou bestens für sich zu nutzen wussten.
Fairerweise muss angemerkt werden, dass Hertha-Coach Sandro Schwarz mit Personalmangel zu kämpfen hatte, weshalb sich Marvin Plattenhardt statt auf der linken Außenbahn in der Dreier-Innenverteidigung wiederfand. Andererseits hätte Schwarz auch auf zwei Innenverteidiger (Rogel, Uremovic) und eine Viererkette setzen können, ohne zwangsläufig mit Sanktionen des Fußballgotts rechnen zu müssen.
Zu den fußballerischen und taktischen Unzulänglichkeiten der Hertha gesellte sich in Hoffenheim zudem ein irritierendes Phlegma. Selbst die Lamentos der Spieler über Fehlentscheidungen oder verpasste Möglichkeiten wirkten pflichtschuldig und leblos. Und so passte am Ende eigentlich nur eines an diesem Samstagnachmittag: die Trikots der Hertha. Die rote Ausweichklamotte soll, in Tateinheit mit weißem Flock, schließlich nicht nur die Farben der Stadt Berlin repräsentieren, sondern im aktuellen Design an den 22. Mai 1997 erinnern. Damals sicherte sich Hertha mit einem 2:1-Erfolg bei der SpVgg Unterhaching und in roten Trikots den Aufstieg aus der zweiten Liga. Zumindest dem ist die Mannschaft in Hoffenheim deutlich näher gekommen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.03.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Ilja Behnisch
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