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Video: rbb24 | 05.03.2023 | Max Zobel | Quelle: imago images/Sven Simon

Analyse | Herthas Niederlage in Leverkusen

Ohne große Not

Wie schon beim letzten Auswärtsspiel in Dortmund verliert Hertha gegen Leverkusen mit 1:4. Gegen den BVB konnten die Berliner trotz der Niederlage noch von einer ordentlichen Leistung sprechen, gegen Leverkusen fehlte es jedoch an Vielem. Von Marc Schwitzky

Es war eine vermeintlich unscheinbare Szene, die gut beschreibt, was Hertha BSC gegen Bayer Leverkusen an diesem 23. Spieltag in der Fußball-Bundesliga fehlte. In der 70. Minute führt Innenverteidiger Agustin Rogel den Ball. Der Uruguayer hat das gesamte Feld vor sich und mit seinen Abwehrkollegen gleich mehrere Anspielstationen, um das Spiel geordnet aufzubauen. Doch Rogel entscheidet sich, obwohl ganz ohne Gegnerdruck, für den langen, unkontrollierten Ball, der Niemanden im gleichen Trikot findet und sofort in Leverkusens Reihen verschwindet.

Rogels Ballverlust steht symbolisch dafür, wie sich Hertha gegen Leverkusen selbst das Leben schwer machte. Ob mit oder gegen den Ball – Hertha ließ in Leverkusen nahezu alles von dem vermissen, was die Blau-Weißen in den letzten Spielen auszeichnete.

1:4-Niederlage bei Bayer Leverkusen

Hertha kämpferisch, aber chancenlos

Nach einer klaren Niederlage bei Bayer Leverkusen steckt Hertha BSC auch nach 23 Spieltagen in der Fußball-Bundesliga mitten im Abstiegskampf. Bei den Rheinländern war dabei von Beginn an wenig zu holen für die Hauptstädter.

Es ist von Beginn an Leverkusens Spiel

"Wir haben von der ersten Minute an unser Spiel nicht auf den Platz bekommen", stellte Herthas Trainer Sandro Schwarz nach Abpfiff fest. Im mittlerweile gewohnten 3-5-2 wollte Hertha an die letzten Wochen, in denen die Leistungen stimmten und zwei Siege eingefahren wurden, anknüpfen. Mit hoher Intensität in jeder Szene, mit aggressivem und situativ frühem Anlaufen, mit diszipliniertem Verschieben gegen den Ball sowie schnellem Umschalten sollte es etwas werden, vielleicht sogar mit dem zweiten Auswärtssieg der Saison.

Doch von all dem war nach nur wenigen Momenten nichts mehr zu sehen. Von Beginn an war es das Spiel der Leverkusener Hausherren. Hertha erlangte zu keinem Zeitpunkt den nötigen Zugriff, insbesondere Bayers rechte Seite um Moussa Diaby und Jeremie Frimpong zerlegte die hilflos wirkende Hertha-Abwehr.

Hertha macht es dem Gegner denkbar einfach

So beim 1:0 in der zwölften Minute, als Sturmspitze Sardar Azmoun nach vorbildlicher Vorarbeit der Leverkusener Außenarbeiter nur noch einschieben brauchte. So auch beim 2:0 nur neun Minuten später durch Flügelflitzer Frimpong selbst. Und es wäre ein Leichtes, allein auf Bayers Tempo zu verweisen, welches Hertha mit keinem Spieler auf Augenhöhe auffangen kann. Doch es wäre eben auch nur ein Teil der Wahrheit. Denn die ersten beiden Treffer offenbarten, wie unkonzentriert die "Alte Dame" an diesem Tag zu Werke ging.

Vor dem zweiten Treffer etwa reichte ein einfacher Doppelpass zwischen Frimpong und Edmond Tapsoba, um gleich drei herausgerückte Herthaner zu narren und den kompletten Raum auf dem Flügel für Diaby zu öffnen. "Wir wollten anlaufen, das musst du aber mit einer ganz anderen Intensität machen. Wir haben kein Timing gefunden und wenn du dadurch Räume für den Gegner aufmachst, wird es schwer. Leverkusen hat die Qualität, das auszunutzen", sagte Schwarz im Anschluss.

Es war über die gesamte Spieldauer immer wieder das gleiche, simple Muster, mit dem Leverkusen zu Chancen kam. Ein sich zurückziehender Bayer-Angreifer lockte Hertha aus der Ordnung, öffnete so die nötigen Räume für Pässe in die Tiefe. Auf Bundesliga-Niveau sollte das nur selten funktionieren, bei Hertha aber sorgte es aufgrund mangelnder Abstimmung durchgängig für Probleme – weil in Leverkusen nie wirklich klar war, wer von den Berlinern herausrückte, und wer absicherte.

Nach Bobic-Aus

Zukunft von Plattenhardt bei Hertha wieder offen

Keine Verbesserungen im zweiten Durchgang

In der zweiten Halbzeit ergab sich – obwohl Leverkusen gar nicht mehr so viel investierte – ein ähnliches Bild. Hertha war in nahezu jedem Moment gedanklich wie körperlich einen Schritt langsamer. Das 3:0 in der 60. Minute fiel nach mehreren guten Chancen der "Werkself" beinahe schon zwangsläufig. Erneut fehlte Hertha jeglicher Zugriff, erneut reichte ein Doppelpass, um den gesamten Berliner Abwehrverbund aufzubrechen. Hertha war sowohl in jener Szene als auch über die gesamte Spieldauer in mehreren Aspekten unterlegen, die auf solch einem Niveau wenig mit der individuellen Qualität zu tun haben: Kommunikation, Körpersprache, Intensität, Handlungsschnelligkeit.

In der 67. Minute gelang dem Hauptstadtklub zwar der 1:3-Anschlusstreffer per Elfmeter, doch nur sechs Minuten später stellte Leverkusen den alten Abstand wieder her. Patrick Schick lockte gleich zwei Herthaner Verteidiger aus ihrer Position, der durchgestartete Amine Adli nutzte den geöffneten Raum zum 4:1 – ein Angriffsmuster, das dem aufmerksamen Leser bekannt vorkommen sollte.

Auch im Ballbesitz gelingt nichts

Auch die Unzulänglichkeiten in der Offensive lagen nur bedingt an der gegnerischen Qualität. Im eigenen Ballbesitz fehlte es Hertha an Bewegung, die einfache Manndeckung Leverkusens im Zentrum nahm Suat Serdar und Lucas Tousart als Anspielstationen gänzlich aus der Partie, sodass den Gästen nur der lange Ball als Spieleröffnung blieb. Lukebakio und Florian Niederlechner konnten die wenig dankbaren Zuspiele jedoch nicht festmachen und auch die zweiten Bälle entschied Hertha zu selten für sich. Die schaurige Bilanz: Bis auf den verwandelten Elfmeter gelang den Blau-Weißen nur ein einziger weiterer Schuss aufs Tor.

Am Ende steht eine völlig verdiente 1:4-Niederlage, die vielmehr an den schlimmen Jahresbeginn als an die jüngsten Leistungen erinnert. Erstmals seit der ersten Halbzeit gegen Frankfurt wirkte die Mannschaft nicht bei sich, sogar regelrecht verunsichert. Ein klarer Rückschritt, der wiederholt aufzeigt: Geht Hertha in einer Partie nicht an die eigene Leistungsgrenze, ist das Team kaum bundesligatauglich – Gegner wie Leverkusen bestrafen solche Leistungsausfälle nur stärker als andere.

Entscheidend wird nun der Umgang mit der Partie sein. Hertha muss den Beweis antreten, im neuen System mit solch einem Rückschlag umgehen zu können und nicht einmal mehr in ein Loch zu fallen. "Ich glaube nicht, dass das ein großer Rückschlag für uns ist. Wir haben uns als Team zusammengerafft, sind gefestigter", sagte Herthas Innenverteidiger Marc Oliver Kempf. Im kommenden Spiel gegen Mainz 05 kann und muss Hertha Taten folgen lassen, denn der Abstiegskampf ist so eng und damit so gefährlich wie selten zuvor.

Sendung: rbb24, 05.03.2023, 22 Uhr

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