Interview | Ex-Herthaner und -Unioner Robert Andrich
"Die Verbindung zu Hertha ist nicht so groß, dass sie mich aus dem Konzept bringen wird"
Über ein Jahrzehnt bei Hertha BSC und zwei Saisons mit Union Berlin haben Robert Andrichs Fußball-Weg geprägt. Im Interview blickt der heutige Leverkusener zurück auf seine Berlin-Brandenburger Wurzeln und voraus auf das Spiel gegen Ex-Klub Hertha.
Man muss nicht lange suchen, um in der Biografie von Robert Andrich auf die Region Berlin-Brandenburg zu stoßen. Im Jahr 1994 markierte sie gar den Start ins Leben des heute 28-jährigen Fußballprofis. In Potsdam geboren zog ihn als Jugendlicher der Fußball nach Berlin – erst für ein gutes Jahrzehnt zu Hertha BSC, später auch zu Union Berlin. Mittlerweile ist Andrich Leistungsträger bei Bayer Leverkusen und als solcher am kommenden Sonntag Gastgeber für Ex-Klub Hertha BSC (15:30 Uhr). Grund genug für ein Gespräch über seine Heimatregion, die Beziehung zu seinen Ex-Klubs und den unangenehmen Blick auf die Tabelle.
rbb|24: Herr Andrich, vor zwei Jahren hat Zecke Neuendorf Sie als vermeintlichen und heimlichen Hertha-Fan enttarnt. Was ist dran an den Worten ihres ehemaligen Mitspielers?
Robert Andrich: Gar nichts. Das war ein Spaß, den er sich damals vor dem Derby, als ich noch bei Union gespielt habe, erlaubt hat. Da ist also nicht viel Wahrheit dran.
Zur Person
Robert Andrich wurde am 22. September 1994 in Potsdam geboren. Dort begann er bei Turbine auch mit dem Fußballspielen, ehe es ihn 2003 nach Berlin ins Programm von Hertha BSC zog. Andrich durchlief anschließend alle Hertha-Jugendmannschaften, schaffte den Sprung in die Bundesliga zunächst jedoch nicht.
Über Dresden, Wiesbaden und Heidenheim kam Andrich 2019 dann zu Union Berlin. Neun Tore, sechs Vorlagen und viel Einsatz machten ihn dort in zwei Saisons und 66 Pflichtspielen zum Publikumsliebling, ehe Andrich 2021 schließlich zu Bayer Leverkusen wechselte.
Knapp zwölf Jahre haben Sie bei der Hertha verbracht, dort nicht nur in der U23 mit Neuendorf zusammengespielt, sondern auch Grundstein für Profi-Karriere gelegt. Wird das Spiel gegen Hertha etwas Besonderes?
Natürlich sind alle Spiele gegen Ex-Klubs irgendwie besonders. Du hast ja immer eine bestimmte Verbindung zu ihnen, die so ein Spiel ein bisschen spezieller macht. Allerdings ist die zu Hertha nicht so groß, dass sie mich aus dem Konzept bringen wird.
Sind Sie mit Union Berlin, Ihrer zweiten Hauptstadt-Station, noch enger beziehungsweise anders verbunden?
Ja, schon. Meine Zeit bei Hertha ist ja bereits ein bisschen länger her und damals nicht so schön zu Ende gegangen. Als ich dann zurück nach Berlin gekommen bin, hatte ich zwei wunderschöne Jahre bei Union – nicht nur sportlich, sondern auch zwischenmenschlich, mit einem sehr guten Verhältnis zu allen Menschen im Klub. Auch dass ich mit Union das erste Mal Bundesliga gespielt habe, verbindet natürlich.
Sind Sie denn noch oft in der Region? Schließlich haben Sie nicht nur in Berlin Fußball gespielt, sondern sind auch in Potsdam geboren.
Meine Eltern leben noch dort und ich habe ein paar Freunde, die noch in Berlin wohnen. Die Stadt ist meine Heimat. Ich bin zwar nicht dort geboren, habe aber den Großteil meiner Jugend dort verbracht. Ich habe nur leider nicht viel Zeit, um regelmäßig nach Berlin zu kommen. Schließlich ist so ein Trip mit meiner Frau und Tochter, die hier in Leverkusen wohnen, nicht so schnell und einfach gemacht.
2021 sind Sie von Union Berlin nach Leverkusen gewechselt, um dort bei einem großen Klub den nächsten Karriereschritt zu machen. Wie bewerten Sie diesen Schritt heute?
Eigentlich durchweg positiv. Was Einsatzzeiten und Wichtigkeit im Team angeht, kann ich mich, glaube ich, nicht beschweren. Das musste ich mir aber auch erarbeiten. Wenn du zu einem großen Klub wechselst, ist die Konkurrenz schließlich auch größer. Dass ich mich da so schnell durchgesetzt habe, macht mich schon auch stolz.
Robert Andrich bejubelt eines seiner Tore im Trikot von Union Berlin. (Bild: IMAGO/Matthias Koch) | Quelle: IMAGO/Matthias Koch
Es kommt also auch beim Blick auf die Tabelle keine Wehmut auf, die Sie sich zurück nach Köpenick wünschen lässt?
Natürlich kann man mit einem lachenden Auge darauf schauen und sagen: "Ein absolut schlechter Wechsel. Union spielt jetzt oben mit, wir spielen im Mittelfeld." Aber so sehe ich das nicht. Ich freue mich einfach für Union, weil ich auch weiß, was für ein Verein das ist. Vor allem aber gucke ich auf uns und unsere Situation, die es zu verbessern gilt.
Trotz sehr viel individueller Qualität im Kader stecken Sie mit Leverkusen aktuell im Mittelfeld, statt dem anvisierten Rennen um die Champions League. Woran liegt das?
Nur individuelle Qualität wird nicht reichen, um erfolgreich zu sein. Das ist auch das, was uns zuletzt immer wieder nachgesagt wurde. Ich denke, jedem ist bewusst, was für spielerische Qualität wir haben, aber die größte Qualität ist die Mannschaft. Wichtig ist, dass wir ein bisschen abgezockter werden, auch an schlechten Tagen mal ein Spiel gewinnen und hinten nichts zulassen, wenn vorne nichts geht. Da haben wir schon Fortschritte gemacht, sind aber gelegentlich noch etwas grün hinter den Ohren und verlieren hier und da Spiele, die du nicht verlieren musst.
Erst seit knapp einem Monat bei Fußball-Bundesligist Hertha BSC, aber schon jetzt ein Fixpunkt im Mittelfeld der Blau-Weißen: Tolga Cigerci. Der türkische Nationalspieler bringt die Tugenden mit, die Hertha lange gefehlt haben.
Zuletzt setzte es so Niederlagen gegen Mainz und Augsburg. Sind solche Spiele Belege für eine steigende Qualität in der Breite der Bundesliga?
Ich denke schon. Die sieht man ja auch daran, dass die Mannschaften unten in der Tabelle jetzt auch ihre Punkte sammeln. Ich finde, dass die Bundesliga mittlerweile sehr ausgeglichen und dieses Jahr auch oben nochmal enger zusammengerückt ist.
Ein Ergebnis ist ein ausnahmsweise völlig offenes Rennen um die Meisterschaft. Wie erleben und verfolgen Sie als Spieler dieses Rennen?
Eigentlich relativ entspannt. Natürlich würde ich mir wünschen, dass es diese Saison einen neuen Meister gibt. Das wünschen sich aber 80 Prozent der Fußball-Fans in Deutschland schon seit zehn Jahren. Insgesamt gucke ich aber aktuell wegen unserer eigenen Situation nicht so gerne auf die Tabelle.
Chance zum Klettern in der Tabelle bietet das Spiel gegen ihren Jugendklub am Samstag. Was für eine Hertha erwarten Sie da?
Hertha hat mit der Fünferkette mittlerweile seine Formation und auch eine grobe Stammelf gefunden. Du merkst ihnen an, dass sie eine gewisse Abstimmung haben, die Räume bekannt sind und jeder weiß, was er machen muss. Hertha ist viel unterwegs auf dem Platz und spielt sehr aggressiv. Es wird also ein harter Brocken für uns.