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Quelle: IMAGO/Matthias Koch

Keine Tickets und Betretungsverbote

Wie europäische Auswärtsreisen für Fans und Klubs zunehmend erschwert werden

Keine Tickets für Frankfurt-Fans in Neapel, Betretungsverbote für Union-Fans in Belgien – internationale Auswärtsreisen werden zunehmend vorab erschwert. Doch ist das angemessen - und vor allem rechtmäßig? Von Jakob Lobach

Es ist ein langes Wort mit B, das nicht nur als Paradebeispiel für Verwaltungssprech dienen könnte, sondern auch bei Union Berlin noch immer präsent ist: Betretungsverbot. Viereinhalb Monate ist es her, dass der Bürgermeister der belgischen Stadt Leuven mit einem solchen Verbot die Fans der Köpenicker Fußballer davon abhalten wollte, ohne Ticket zum ersten Europa-League-Spiel beim Namensvetter Royal Union Saint-Gilloise zu reisen. Die ansonsten gefährdete öffentliche Ordnung müsse gewahrt werden, hieß es damals in der Begründung. Es war eine drastische Maßnahme, aber kein Einzelfall.

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Hohe Hürden für Auswärtsfans

Aktuell ist es vor allem ein Ticket-Verbot für Fans von Eintracht Frankfurt vor dem Champions-League-Achtelfinale beim SSC Neapel, das als jüngste, die Auswärtsfans einschränkende Maßnahme heiß diskutiert wird [sportschau.de]. Es passt ins Bild: Europäische Auswärtsreisen scheinen komplizierter zu werden – vor allem für reisefreudige Fans, aber auch deren Klubs, die viel tun, um Auswärtsfahrten möglich zu machen und nun zunehmend Kritik äußern. Zwei Fragen spielen hierbei eine zentrale Rolle: Sind Maßnahmen wie die in Leuven oder Neapel rechtlich überhaupt zulässig? Und inwiefern lassen sie sich durch gewalttätige Entgleisungen (deutscher) Fußballfans auf europäischen Reisen rechtfertigen?

Geht es nach den Fans von Union Berlin, ist diese Frage schnell beantwortet: "Damals habe ich gesagt: 'Das geht zu weit. Das ist Willkür'", sagt der 47-jährige Sebastian, der bei Union von allen nur "Butze" genannt wird, über das belgische Betretungsverbot. Alle europäischen Auswärtsspiele hat der Berliner mitgemacht, seitdem Union sich vor zwei Jahren für die Conference League qualifizierte. "Butze" berichtet von "der schönsten Auswärtsreise, die es gibt" nach Tel Aviv, von kompromissbereiten Ordnern in Prag sowie Problemen und Stress in Rotterdam. Auch beim ersten Gruppenspiel in Leuven war er natürlich vor Ort – obwohl der europäische Dachverband Uefa dem 1. FC Union nach Ausschreitungen in Malmö den Verkauf von Tickets für den Gästeblock verboten hatte. Ein ungarischer Ausweis machte das Betretungsverbot für ihn zwar hinfällig, ein von Saint-Gilloise storniertes Ticket den Zutritt zum Stadion allerdings unmöglich.

Quelle: IMAGO/Matthias Koch

Dass Gästefans außerhalb des Gästeblocks, also in den für Heimfans vorgesehenen Bereichen, nicht gern gesehen sind, ist weder ein Geheimnis noch neu. Auch "Butze" berichtet von der Registrierungspflicht beim Ticketkauf, von Ausweiskontrollen und Ordnern, etwa in Rotterdam, die selbst neutral gekleidete "Union-Fans außerhalb des Gästeblock beim ersten Klatschen oder Anfeuern rausgeschmissen" hätten. Hierfür hat der Union-Anhänger sogar Verständnis, verweist auch auf die Sicherheitsbedenken bei der Vermischung der Fan-Lager. Das Betretungsverbot hingegen verurteilt er, genauso wie die aktuellen Vorgänge in Neapel, über die er sagt: "Weil die Stadt Neapel nicht in der Lage ist, die eigenen und gegnerischen Fans zu sichern, hindern sie Menschen am Kommen, die noch nichts getan haben. Sie vorverurteilen sie."

Ticket-Verbot in der Champions League per Dekret

Per Dekret hatte das italienische Innenministerium vergangene Woche verboten, dass Tickets für das Rückspiel – selbst im Gästeblock – an Fans aus Deutschland verkauft werden. Eine erfolgreiche Berufung vor Gericht von Eintracht Frankfurt später, erließ dann jüngst die Verwaltung von Neapel einen neuen Beschluss. Nun sind "nur" noch Ticketverkäufe an Menschen aus Frankfurt verboten. Als "in Inhalt und Begründung minder rechtswidrig und zudem auch völlig untauglich", kritisierte Eintracht-Vorstandsmitglied Philipp Reschke den Beschluss, ehe die Frankfurter kurz darauf auf das komplette ihnen zustehende Kartenkontingent verzichteten. Neben Innenministerin Nancy Faeser (SPD) schloss sich auch der Präsident von Union Berlin, Dirk Zingler, im Rahmen des Hinspiels gegen Saint-Gilloise der Kritik an. "Das ist eine katastrophale Entwicklung", kommentierte Zingler und ergänzte: "Am Ende muss der Staat, müssen wir in der Lage sein, diese Spiele sicher zu organisieren."

Egal ob Betretungsverbote, eingeschränkte Kartenverkäufe oder personalisierte Tickets – die allgemeine Sicherheit sichern zu wollen, ist stets das Hauptargument für solche Maßnahmen. Dass diese Sicherheit immer mal wieder bedroht wird, ist auch klar: Oft gewalttätige und teils heftige Ausschreitungen gibt es, wie etwa die beim Union-Spiel in Malmö oder bei den Spielen von Frankfurt gegen Marseille oder jüngst beim Hinspiel gegen Neapel. Und dennoch sagt der Fan-Forscher Jonas Gabler: "Was ich nicht sehe, ist eine totale Eskalation der Gewalt, die die Maßnahmen wirklich rechtfertigen würde."

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Ausschreitungen im "normalen Schwankungsbereich"

Der 41-jährige Gabler beschäftigt sich eingehend mit verschiedenen Aspekten in den Fußball-Fanszenen. Wenngleich auch er noch nicht auf statistische Erhebungen zur laufenden Saison – der ersten vollen Spielzeit unter 'Normalbedingungen' nach den Corona-Einschränkungen – zurückgreifen kann, sieht er die Fälle von Körperverletzung und Hausfriedensbruch im Fußball "im normalen Schwankungsbereich". Während Gabler zwar mehr Pyrotechnik als vor der Corona-Zeit auf den Rängen beobachtet, sieht er also keinen Anstieg physischer Gewalt in den Fan-Szenen. Auch die Berliner Polizei erklärte im November letzten Jahres auf Anfrage von rbb|24, "aktuell keine veränderte Gefahrenlage oder zunehmende Gewalt bei Fußballspielen" zu beobachten.

Was laut Fan-Forscher Gabler hingegen sehr wohl zunimmt, ist die Frequenz, mit der behördliche Maßnahmen rund um Profi-Spiele angeordnet werden. Zwar seien etwa Verkaufsverbote von Tickets für (Gäste-)Fans aus Regionen mit bestimmten Postleitzahn in Ländern wie Italien nichts Neues. Ihre Anwendung auch bei internationalen Spielen wie dem von Neapel gegen Frankfurt in der Champions League hingegen schon. Über die erwähnten Betretungsverbote sagt Gabler: "Vor 15 Jahre war das eine ganz große Ausnahme im Fußball. Heute kommt das häufiger vor."

Dabei merkt Gabler nicht als einziger an, dass mit solchen Maßnahmen auch Risiken einhergehen. Betretungsverbote würden in den Fanszenen als zu undifferenziert wahrgenommen, und so das Feindbild Polizei noch weiter schärfen, meint er. Und ist es wirklich sicherer, wenn einige hundert, vielleicht sogar tausende Fans von Eintracht Frankfurt am Mittwochabend frustriert und ohne Ticket quer in Neapel verteilt sind, statt mit Ticket im Stadion gebündelt zu sitzen? "Es ist immer besserer und sicherer, wenn die Fans im Stadion sind", beantwortet Gabler diese Frage mit Nachdruck.

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Die Frage nach dem Recht

Hinzukommt die Frage der Rechtmäßigkeit, die für Frust bei den Fans und den betroffenen Vereinen sorgt. Eine Frage, die Thomas Summerer, der Präsident der Deutschen Vereinigung für Sportrecht, für Deutschland wie folgt beantwortet: "Für derartige Präventivmaßnahmen bedürfte es einer konkreten Gefahr und einer gesetzlichen Befugnisnorm." Oder um es in den Worten von Union Berlins Pressesprecher Christian Arbeit zusammenzufassen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regierende Bürgermeisterin von Berlin oder der Bezirksbürgermeister von Köpenick solche Maßnahmen erlassen würden." Weder die Eine noch der Andere dürfte es überhaupt.

In Neapel und auch in Leuven hatten die Verwaltungen nach den landeseigenen Gesetzen zumindest die Befugnis, die jeweiligen Maßnahmen zu erlassen. Rechtswidrig seien diese angesichts des geltenden EU-Rechts, laut Summerer, dennoch. Der Anwalt spricht von einem "Einreisehemmnis", eingeschränkter "Dienstleistungsfreiheit" und einem "strengen Rahmen", in dem sich "Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit" bewegen. Die abstrakte Gefahr, dass es zu Ausschreitungen kommen könnte, bestünde bei vielen Spielen und würde keine pauschalen Ticket- oder Betretungsverbote rechtfertigen, so Summerer. Das Problem: Gehen Klubs oder Einzelpersonen gerichtlich gegen solche Maßnahmen vor, dauert es oft Jahre, bis ihr Fall ausgehandelt und ihnen rechtgegeben wird.

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Auswärts braucht es Austausch

So blieb auch Union Berlin vergangenen November nicht viel anderes übrig, als das Betretungsverbot der Stadt Leuven hinzunehmen. Während das Verbot damals eine einseitige Ansage der belgischen Behörden war, läuft die Organisation von Auswärtsspielen normalerweise im Dialog. So schickte Union Berlin vor dem Achtelfinal-Rückspiel bei Saint-Gilloise am Donnerstag extra einen Mitarbeiter nach Brüssel, wo das K.o.-Spiel stattfindet, um sich vor Ort mit Gegner, Polizei und Behörden auszutauschen.

Treffpunkte in der Stadt für Gästefans, die Wege vom und zum Stadion, geplante Choreografien, geeignete Sportkneipen für Unioner ohne Ticket – all das und viel mehr wird in einem solchen Treffen und vielen Telefonaten besprochen. Auch die Verdopplung des Gäste-Kontigents von 1.000 auf 2.000 Tickets durch Saint-Gilloise zugunsten der Köpenicker musste zunächst von Polizei und Stadt abgenickt werden. "Teil der Vereinbarung war, dass wir dafür deutlich mehr vereinseigenes Ordnungspersonal mitbringen", erklärt Pressesprecher Christian Arbeit.

Genauso von Union mitgebracht werden die zehn Fanbetreuer, die sich um die 2.000 mitgereisten Berliner Fans kümmern werden. "Die Fanbetreuung ist bei Auswärtsreisen immer mit vor Ort", erklärt Arbeit. Sie informiert über das, was zuvor zwischen Behörden und Klubs besprochen wurde, vermittelt bei Ticket-Problemen und gelegentlich auch zwischen Polizei und festgesetzten Fans.

Andre Knobloch (li.) und Carsten Baum sind zwei der Fanbetreuer von Union Berlin. | Quelle: IMAGO/Matthias Koch

Uefa kündigt Änderungen an

"Butze" wird in Brüssel keinerlei Gefahr laufen, irgendwo festgesetzt zu werden. "Ich bin schon ein Stehplatz-Mensch", sagt der Unioner, der aber auch betont, keinen Krawall zu suchen oder diesen auch nur zu tolerieren oder zu relativieren. Er sagt: "Ich bin auch der Meinung, dass einzelne im Nachgang härter bestraft werden müssen – aber eben nicht alle im Vorfeld."

Auch Union-Präsident Dirk Zingler hat die Uefa vergangene Woche in die Pflicht genommen, sich für einen anderen Umgang mit Gästefans einzusetzen. Und Verbandspräsident Aleksander Ceferin hat sich mittlerweile tatsächlich dazu geäußert. Mit Blick auf die Vorgänge in Neapel sagte der Slowene dem ZDF gegenüber: "Wir müssen sagen, wenn so etwas passiert, wird dort nicht gespielt. Ganz einfach: Wir werden die Regeln ändern."

Sendung: rbb24, 15.03.2023, 18 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

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