Interview | Ex-Herthaner Sebastian Langkamp
Fünf Jahre lang spielte Sebastian Langkamp für Hertha BSC und steckte mit dem Verein mehrfach im Abstiegskampf. Im Interview verrät der ehemalige Verteidiger, wie man dem hohen Druck standhält und spricht über seinen neuen Job als Mentor.
rbb|24: Herr Langkamp, von 2013 bis 2018 trugen Sie das Trikot von Hertha BSC. Erinnern Sie sich gerne an die Zeit zurück?
Sebastian Langkamp: Ja, natürlich. Das war sportlich eigentlich die prägendste Zeit in meiner Karriere und auch der längste Aufenthalt bei einem Verein.
Haben Sie noch Kontakt zum Verein und der Stadt?
Ja, wir leben mittlerweile wieder in Berlin und ich habe noch viele Bezugspunkte zum Verein und bin mit einigen Leuten im Kontakt.
Nach Ihrer Karriere haben Sie sich im Rahmen eines Zertifikatsstudiums viel mit Sportpsychologie beschäftigt. Was haben Sie dabei gelernt und was fasziniert Sie daran?
Ich hatte mich schon während meiner aktiven Karriere mit dem Thema beschäftigt. Gerade bei meiner letzten Bundesliga-Station in Bremen. Dort habe ich auch mit einem Sportpsychologen zusammengearbeitet und mir ein bisschen Hilfe geholt, um mich optimal auf mein Karriereende vorzubereiten. Ich hatte also in der Praxis schon ganz viele Berührungspunkte mit der Sportpsychologie und wollte mir nach meiner Karriere auch die Theorie aneignen, um diese nachvollziehen und verstehen zu können. Ich glaube, dass das ein großes und zukunftsträchtiges Themenfeld im Leistungssport ist. Und es hat mich einfach schon immer sehr interessiert.
Jetzt geben Sie das Gelernte und Ihre Erfahrung an junge Spieler weiter. Wie kann man sich den Job vorstellen?
Ich arbeite für eine Firma, die junge Spieler an den Nachwuchsleistungszentren in ganz Deutschland betreut. Es geht darum, eine Art Mentor zu sein und mein Wissen und meine Erfahrungswerte weiterzugeben. Das passiert natürlich alles auf freiwilliger Basis und die Jugendspieler müssen darauf auch Bock haben. Die heutige Nachwuchs-Generation findet in den Vereinen zwar schon ganz gute Voraussetzungen vor und sie werden dort gut unterstützt, aber ich glaube, so ein externer Dienstleister mit Expertise und Erfahrungswerten ist wichtig und es stößt auf großes Interesse.
Mit welchen Problemen sind die jungen Spieler heutzutage konfrontiert und wie unterscheiden sich diese von Ihrer Jugend?
Der Druck ist heutzutage noch mal ein ganz anderer. Wir sind eine Fußballnation und jeder zweite Jugendliche träumt von einer großen Fußballer-Karriere. Statistisch schaffen es aber die wenigsten. Ich glaube, dass es unsere Verantwortung ist, die Möglichkeiten aufzuzeigen, aber auch die Widerstände, die auftreten können. Da leben wir heute in einer Zeit, die noch viel schnelllebiger geworden ist als zu meiner Jugend damals. Und dafür muss man die jungen Spieler sensibilisieren. Es geht um die optimale Vorbereitung der Jugendlichen auf den Übergang vom Nachwuchs- in den Profibereich. Was dann dabei rauskommt, das weiß man nie. Aber man kann die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass es zum Erfolg führt.
Bei Ihrem Ex-Klub Hertha scheint dieser Übergang immer wieder gut zu funktionieren. Wie blicken Sie auf die Jugendarbeit im Verein?
Die Jugendakademie von Hertha BSC ist ein Aushängeschild für den Nachwuchs-Fußball in Deutschland. Es war schon zu meiner Zeit so, dass die Durchlässigkeit nach oben dort groß war und viele Spieler die Möglichkeit hatten, im Profitraining dabei zu sein und teilweise ihre Chance dann auch genutzt haben. Wichtig ist immer zu gucken, wie nachhaltig das funktioniert. Mit Spielern wie Maximilian Mittelstädt, Jordan Torunarigha und Marton Dardai hat Hertha gezeigt, dass es Spieler gibt, die über Jahre das Niveau spielen können. Aber ich glaube, dass die Quantität da schon noch zunehmen könnte, weil es in der Hertha-Akademie viele Talente gibt.
Derzeit steckt der Verein mitten im Abstiegskampf. Auch Sie haben damals Ihre Erfahrungen damit gesammelt. Wie hoch ist der Druck für die Spieler in einer solchen Situation?
Mittlerweile ist das ja leider jährlich so, was sehr schade ist. Auch zu meiner Zeit hatten wir es immer mit dem Abstiegskampf zu tun, bis auf zwei Jahre unter Pal Dardai, in denen wir auch Europa League gespielt haben. Es ist keine einfache Situation. Da gibt es ein paar Prozentpunkte, die du als Leistungssportler durch den Druck nicht abrufen kannst. Deswegen ist es umso wichtiger, auch Jugendspieler schon so früh wie möglich darauf vorzubereiten. Man muss eine gewisse Mentalität entwickeln, um da durchzukommen. Ich blicke gerne zurück auf meine Zeit bei Hertha, aber die Jahre im Abstiegskampf möchte ich ehrlich gesagt nicht wiederholen wollen. Da kann ich mich in jeden Spieler reinversetzen. Es ist nicht leicht, wenn du jedes Wochenende um alles spielen musst.
Wie haben Sie es damals geschafft, diese Mentalität zu entwickeln und den Abstieg zu verhindern?
Da hat glaube ich jeder seine individuelle Strategie. Man braucht auf jeden Fall eine Abwechslung zum tristen Trainingsalltag. Die mentale Komponente ist sehr wichtig und man muss eine gewisse Balance im Leben schaffen. Und auch die Homogenität in der Mannschaft ist entscheidend. Das war bei uns immer das Nonplusultra. Wir hatten ein gutes Gerüst und einen wahnsinnigen Zusammenhalt im Team. Das hat es glaube ich in den Jahren danach so bei Hertha nicht noch einmal gegeben. So haben wir nicht nur den eigenen Abstieg ein paar Mal verhindert, sondern auch zwei Jahre international gespielt. Was die Qualität betrifft, waren wir glaube ich nicht prädestiniert dafür. Aber wir haben das durch andere Merkmale wett gemacht. Dieses Gefühl fehlt mir gerade ein wenig bei Hertha, aber ich hoffe, dass sie das wieder ins Team reinbringen können.
In der Rückrunde geht es mit den Leistungen bei den Berlinern wieder ein Stück bergauf. Was ist Ihr Eindruck von der Mannschaft: Reicht es am Ende für den Klassenerhalt?
Davon gehe ich aus. Zur Wahrheit gehört ja auch immer, dass es meiner Meinung nach zwei schlechtere Mannschaften als Hertha gibt. So doof sich das anhört. Vor ein paar Wochen war die tabellarische Situation schwieriger, aber es gab immer zwei oder drei Teams, die auf einem ähnlichen Niveau agiert haben. Jetzt ist Hertha besser geworden. Deswegen glaube ich auch, dass der Klassenerhalt drin ist.
Helfen würde dabei ein Sieg im Kellerduell gegen Hoffenheim am Wochenende. Werden Sie das Spiel verfolgen und was ist Ihr Tipp?
Da haben Sie mich auf dem falschen Fuß erwischt. Wenn Sie mich das nicht gefragt hätten, hätte ich gar nicht gewusst, gegen wen Hertha spielt (lacht). Ich gucke mittlerweile weniger Fußball, weil ich viel privat unterwegs bin und die Unabhängigkeit genieße. Wenn überhaupt, dann gucke ich abends oder am nächsten Morgen die Zusammenfassungen. Aber ich drücke Hertha natürlich die Daumen. Es wird ein immens wichtiges Spiel und das Momentum spricht derzeit für sie, weil Hoffenheim in einer schwierigen Lage ist. Deswegen gehe ich davon aus, dass Hertha das Spiel gewinnen kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 16.03.2023, 18 Uhr
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