Interview | Podcast-Macher über Fall Robert Hoyzer
Robert Hoyzer ist das Gesicht eines der größten Wettskandale des deutschen Fußballs. Der Journalist Laurenz Schreiner hat sich seines Falls nun in einem neuen Podcast exklusiv für die ARD Audiothek angenommen. Und neue Entdeckungen gemacht.
rbb|24: Herr Schreiner, Sie sind Amateur-Schiedsrichter, vor allem aber Investigativ- Journalist. Zusammen mit Ihrem Team um die Journalistin Zita Zengerling haben Sie nun den Podcast "Hoyzer - Verrat am Fußball" [ardaudiothek.de] produziert. Warum interessiert sich ein heute 29-Jähriger wie Sie für einen Wettskandal von vor 18 Jahren?
Laurenz Schreiner: Ich war damals HSV-Fan und weiß noch, dass ich das Spiel damals geguckt habe.
"Das Spiel" war jene von Robert Hoyzer manipulierte DFB-Pokalpartie zwischen dem Hamburger SV und dem SC Paderborn am 21. August 2004. Der HSV trat damals in der Champions League an, Paderborn in der Regionalliga. Der Außenseiter gewann mit 4:2, auch, weil Hoyzer zwei mehr als fragwürdige Strafstöße gegen die Hamburger sowie einen Platzverweis für ihren Stürmer Emile Mpenza verhängte.
Ich weiß noch sehr genau, wie ich den "Sportschau"-Bericht gesehen habe und wie krass ich es fand, dass man gegen Paderborn ausscheiden kann.
Sie sind selbst Schiedsrichter, pfeifen für den Berliner Fußballverband in der Landesliga. Dort bekommen Sie pro Spiel 35 Euro als Aufwandsentschädigung und für die Fahrtkosten. Bei Ihnen würde man Bestechlichkeit also zumindest finanziell noch nachvollziehen können. Robert Hoyzer hingegen war zum Zeitpunkt der Tat gerade einmal 24 Jahre alt, hatte aber schon zwölf Zweitliga-Spiele pfeifen dürfen. Ihm wurde eine große Karriere prognostiziert. Warum setzt man all das aufs Spiel, für die 67.000 Euro, die er erhalten hat, und einen Plasma-Fernseher?
Das war für mich die Ausgangs- und Kernfrage des Podcasts. Wenn man als Schiedsrichter anfängt, mit 14, 15 Jahren, dann will man ganz nach oben. Man denkt sich: Vielleicht steige ich noch eine Liga auf und noch eine. Und so viele sind es ja gar nicht. Als Schiedsrichter erscheint der Profi-Fußball machbar. Robert Hoyzer war schon mittendrin, diesen Traum zu leben. Er wurde gefördert, hatte die Chance auf die Bundesliga, vielleicht sogar auf eine internationale Karriere.
Und er schmeisst all das weg.
Er wollte dazugehören. Zu der Gang der Leute im Café King. Er wollte ein cooles Auto haben, einen großen Fernseher. Und das alles auf Kosten seiner Karriere.
Das Verb "hoyzern" entstand und wurde bei der Wahl zum Wort des Jahres 2005 auf Rang sieben gewählt. Mit dem Abstand von nun 18 Jahren: Wie groß war dieser Skandal wirklich?
Man muss differenzieren. Schaut man auf die Bedeutung für Manipulationen in der weiten Fußballwelt, dann ist das eine sehr, sehr kleine Nummer gewesen. Die Bedeutung des Skandals für Deutschlands war hingegen unfassbar groß. Auch, weil der Fall Hoyzer direkt in die Vorbereitungen auf die Weltmeisterschaft 2006 gefallen ist. Das ging bis in die Innenpolitik. So hat sich Innenminister Otto Schily an den damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger gewandt und gesagt: Das Ganze muss aufgeklärt sein bis zum Confed-Cup (im Sommer 2005, Anm. d. Red.). Wir können nicht eine WM veranstalten, während wir in den Scherben eines offenen Skandals stehen.
War der Aufschrei auch deshalb so groß, weil erstmals ein Schiedsrichter im Mittelpunkt des Betrugs stand und nicht etwa, wie beim Bundesliga-Skandal in den 1970er Jahren, Spieler und Funktionäre?
Schiedsrichter sind so etwas wie Sachverständige. Die gelten als Instanz. Auf die können wir uns doch verlassen, so der Gedanke. Dass das verloren gegangen ist, dass der Name Hoyzer immer noch als Synonym für Betrug auf Fußballplätzen genutzt wird, auch von Leuten, die ihn gar nicht mehr kennen, zeigt, wie groß dieser Fall war.
Auf Fußballplätzen durfte sich Hoyzer erstmal nicht mehr blicken lassen, der DFB sperrte ihn im April 2005. Viele würden aber ohnehin erstmal untertauchen, wenn sie inmitten eines solchen Skandals stecken würden. Robert Hoyzer hingegen wollte im Frühjahr 2006 im Football angreifen, bei den Berlin Adlern.
Er hat nach dem Skandal erstmal alles geleugnet, um dann alles zuzugeben. Er wurde zum Kronzeugen und hat alles ausgepackt. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn Anwälte sagen heute: Er hätte einfach die Klappe halten müssen, man hätte es nicht nachweisen können. Aber Hoyzer hat entschieden: Ich packe aus und gehe an die Öffentlichkeit. Also gab er Fernseh-Interviews, ist zu Johannes B. Kerner in die Talkshow, er tauchte in einer ZDF-Doku auf.
2011 begnadigte ihn der damalige DFB-Präsident Theo Zwanziger. Hoyzer spielte zunächst selbst im Amateurbereich, wurde dann ab 2015 Technischer Direktor beim Berliner AK, anschließend bei Viktoria Berlin...
Du musst schon leicht masochistisch veranlagt sein, wenn du bereit bist, dich wieder in diese Berliner Fußball-Bubble hinein zu bewegen. Mit dem Namen. Ich glaube, Hoyzer hat das auch genossen, dass über ihn berichtet wurde.
Inzwischen ist er Sales-Manager eines Internet-Portals und es ist still um ihn geworden. Dabei wollte er ursprünglich ein Buch schreiben. Darauf wartet die Welt bis heute.
Der DFB hat sich mit Hoyzer offenbar darauf geeinigt, dass er mit einer medialen Aufarbeitung kein Geld verdienen darf. Er hat dann nie etwas dazu veröffentlicht. Deshalb machen wir es jetzt. (lacht)
Sie lachen. Hatten Sie denn Kontakt zu ihm?
Wir hatten zu Beginn der Recherche Kontakt. Ich hatte ihm geschrieben, dass ich einen Podcast mache zu seinem Fall. Er hat total nett geantwortet. Was er gesagt hat, dafür muss man aber reinhören.
Neben einem Persönlichkeitsprofil von Robert Hoyzer und vielen O-Tönen von Zeitzeugen: Bringt der Podcast denn etwas Neues zu Tage?
Wir haben auf jeden Fall Sachen, über die noch nie berichtet wurde. Wir können sehr schön nachzeichnen, wie das System funktioniert hat. Und wir zeigen auf, dass der DFB viel früher hätte Bescheid wissen können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ilja Behnisch, rbb Sport.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.03.2023, 09:15 Uhr
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