rbb24
  1. rbb|24
  2. Sport
Quelle: rbb

Gesperrte Turnhallen in Berlin

"Bei schlechtem Wetter gehen wir in den Mehrzweckraum"

Immer wieder fällt der Sportunterricht aus, weil die Turnhalle marode ist. Die Dimension des Problems ist in Berlin schwierig zu ermitteln, belastbare Zahlen fehlen. Auskünfte der Bezirke und einzelner Schulen geben Anlass zur Beunruhigung. Von Shea Westhoff

Durch die verglaste Dachkonstruktion der Grundschule im Taunusviertel fällt am Montagmorgen warmes Sonnenlicht, das die gesamte Eingangshalle erstrahlen lässt. Die funkelnden Pokale, die sich in drei Vitrinen dicht nebeneinander drängeln, wirken im hellen Licht noch beeindruckender.

Sport hat einen besonderen Stellenwert in der Schule in Berlin-Lichtenrade, das wird direkt klar. Die aktuell 347 Schülerinnen und Schüler sollen hier sportlich besonders gefördert werden, etwa durch vier statt der im Lehrplan drei festgeschriebenen Sportstunden. Das schlägt sich dann auch im erfolgreichen Abschneiden in Wettbewerben nieder: "Gerade erst haben wir den Berlin-Sieg im Turnen für die Klassen fünf und sechs der Mädchen eingefahren", sagt Schulleiter Hanno Rüther, der in seinem Büro empfängt.

Vor 30 Jahren

Als die Hertha-Bubis die Hand am Pokal hatten

Am 31. März 1993 zogen Herthas Amateure ins Pokalfinale ein. Die "Hertha-Bubis" waren der erste Drittligist, dem das Kunststück glückte. Wohl auch, weil das Team um Carsten Ramelow den Wettbewerb locker nahm. Von Shea Westhoff

Von der Sport-Doppelstunde bleiben 50 Minuten

Es soll um die Frage gehen, wie der Stand der Sanierungsarbeiten der Schulturnhalle ist. Denn ausgerechnet bei seiner Grundschule mit sportlichem Fokus ist die Halle seit Jahren nicht nutzbar.

Und größer gedacht: Wie steht es um die Sporthallen in Berlin? Der Senat bezifferte den Sanierungsbedarf aller öffentlichen Sportanlagen vor zwei Wochen auf 350 Millionen Euro, eine gewaltige Summe. Über die Lage des Schulsports im Besonderen ist weniger bekannt.

"Wir haben gerade keine Sporthalle zur Verfügung", sagt Rüther recht lapidar. Es hatte einen unentdeckten Wasserschaden gegeben, woraufhin sich unter dem Hallenboden Schimmel bildete, wohl über Jahre. Der Bezirk stellte eine Ausweichhalle in Marienfelde zur Verfügung, mit dem Bus 20 Minuten entfernt. Damit fallen 40 Minuten für den Hin- und Rückweg an. "Wenn wir nun Sport in eine Doppelstunde packen, dann bleiben noch 50 Minuten übrig, maximal", sagt Rüther. Manchmal auch nur 40 Minuten, wenn Stau ist. Daneben gebe es noch eine weitere Schulsportstunde auf dem Schulsportplatz, zumindest wenn schönes Wetter ist. "Bei schlechtem Wetter gehen wir in den Mehrzweckraum, versuchen da was zu machen."

Die Grundschule im Taunusviertel, Lichtenrade. | Quelle: rbb

Mühlen der Bürokatie

Das hintergründig berichtende WDR-Format "Sport Inside" [ardmediathek.de] hatte im Januar auf die Notlage bei Schulsporthallen aufmerksam gemacht. Es führte beunruhigende Zahlen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) an, nach denen es bei den insgesamt rund 35.000 Sporthallen und 7.500 Schwimmbädern in Deutschland großen Sanierungsbedarf gebe. Viele Schulen sind dem Fernsehbeitrag zufolge ebenfalls betroffen. Die TV-Doku zeichnete ein düsteres Bild der deutschen Schulsport-Landschaft.

Thematisiert wurde auch die missliche Situation an Rüthers Grundschule. Geschaut habe er den TV-Beitrag noch gar nicht, sagt er dem rbb zu Wochenbeginn, und irgendwie passt das zum Eindruck, den der gebürtige Westfale vermittelt: den eines entspannten Mannes, der sich erst mal durch wenig aus der Ruhe bringen lässt.

Seit vier Jahren ist die Schulsporthalle wegen Wassereinbruchs gesperrt, ein neuer Hallenboden ist immer noch nicht verlegt. Ernsthaft? "Ich würde mir wünschen, dass das schneller geht. Aber ich bin auch lang genug im Schulsystem zu Hause, um zu wissen, dass es da einfach Hindernisse gibt, die einfach so schnell nicht beseitigt werden können", sagt Rüther.

Was er damit auch meint: Wie jede staatliche Schule in Berlin wird Rüthers Grundschule vom ansässigen Bezirk getragen, in diesem Fall Tempelhof-Schöneberg. Und der müsse, so Rüther, jeden einzelnen Arbeitsschritt öffentlich neu ausschreiben, auch, um nicht in den Ruch der Korruption kommen, weil sich Aufträge privat zugeschoben würden. Der Preis dafür ist ein umso langwierigeres Prozedere.

Auswärtsspiel in Halberstadt

TeBes letzter Strohhalm

Tennis Borussia steht vor einem wohl entscheidenden Spiel. Wenn die Berliner in Halberstadt nicht gewinnen, wird es noch enger mit dem Klassenerhalt in der Fußball-Regionalliga. Von Panik ist im Klub aber nichts zu spüren. Von Jonas Bürgener

Belastbare Zahlen fehlen

Unter den sanierungsfälligen Turnhallen leide auch der Vereinssport, sagt der Präsident des Landessportbundes Berlin, Thomas Härtel, im Telefonat mit rbb|24. "Wir kennen viele solcher Fälle." Nicht nur bei Schulturnhallen, generell bei Sportanlagen gebe es in Berlin einen hohen Sanierungsbedarf. Laut Härtel sind derzeit 60 Anlagen gesperrt.

Härtel betont, wie wichtig die Vereine derzeit seien, um Bewegungsdefizite auszugleichen, die einerseits durch die Pandemie entstanden sind – andererseits aber auch, weil Sportunterricht immer wieder ausfalle. Doch "auch aufgrund der fehlenden Sanierungsmittel, stellen wir immer wieder fest", dass Kapazitäten im Grunde "nur begrenzt zur Verfügung stehen."

Wegen der Zuständigkeit der einzelnen Bezirke für deren Schulturnhallen hapert es allerdings an belastbare Zahlen, die ein möglicherweise größeres Berliner Problem im Schulsport in seiner Gesamtheit veranschaulichen könnten.

Forderung nach landesweitem Sportstätten-Entwicklungsplan

Was fehle, sei ein landesweiter Sportstätten-Entwicklungsplan, der "von Landesebene steuernd in den Blick nimmt: Was brauchen wir überhaupt in Berlin", sagt Klara Schedlich, sportpolitische Sprecherin der Grünen in Berlin. Wichtig sei ein unbürokratischeres System, das den einzelnen Ämtern ermöglicht, leichter auf Landes- und Bundesgelder zurückzugreifen.

Über die Situation der Schulsporthallen fällt sie trotz fehlender Kennzahlen ein negatives Urteil. "Wir haben in allen Bezirken – und auch wenn wir uns die Vereine anschauen – einen Hallen- oder Sportstättenmangel. Und so ist es natürlich auch bei den Schulen."

Brandenburger Kevin Schade vor DFB-Debüt

Ein Hoffnungsträger für das deutsche Nationalteam und Energie Cottbus

Kevin Schade steht vor seinem DFB-Debüt. Der Ex-Cottbuser gehört zu einer neuen Generation, in die Bundestrainer Hansi Flick große Hoffnungen setzt. Die hegt auch die Fußball-Lausitz, denn Schade könnte Energie zu viel Geld verhelfen. Von Andreas Friebel

Eine Schwierigkeit sei das "Zuständigkeits-Pingpong" bei den Behörden, sagt Schedlich. Es gebe zwar mehrere Programme, über die Sanierungen von Hallen finanziert werden könne. So zum Beispiel die Berliner "Schulbauoffensive", das "Sportstättensanierungsprogramm", aber auch Gelder für einzelne Sanierungsprojekte, die direkt vom Bund kämen.

Jedoch müsse seitens der Bezirke oft erst einmal ermittelt werden, aus welchem Topf genau man nun die Mittel für bestimmte Projekte abrufen könne - obwohl das Geld theoretisch vorhanden wäre.

Steigende Schülerzahlen ein Problem

Um herauszufinden, wie groß der Mangel an Schulsporthallen und der Sanierungsbedarf ist, hat rbb|24 die zwölf Berliner Bezirke angeschrieben. Sechs Bezirke antworteten mit einer konkreten Nennung der sanierungsbedürftigen Turnhallen. Die Anzahl liegt demnach pro Bezirk zwischen zwei und fünf Schulsporthallen, die aktuell nicht für den Sportunterricht nutzbar sind. In einer Millionenmetropole wie Berlin scheint das zunächst nicht kritisch ins Gewicht zu fallen.

Vor dem Hintergrund einer rasant wachsenden Großstadt könnte sich das Problem allerdings rasch verschärfen. So sieht man im Bezirk Marzahn-Hellersdorf die Gründe im "Fehlbedarf" unter anderem in den weiter steigenden Schülerzahlen sowie "aktuellen zu kleinen Sporthallen".

Schulleiter Hanno Rüter in seiner gesperrten Turnhalle | Quelle: rbb

Beeindruckende Leere in der Turnhalle

Das Problem zu kleiner Sporthallen sei auch ihm bekannt, sagt Hanno Rüther. Eine Kollegin einer anderen Schule habe sich beklagt, dass ihre Sporthalle nur sehr klein sei und gleichzeitig die Schülerschaft beständig wachse. Als Folge sei die Halle durchgehend von zwei Klassen belegt. "Da kann man keinen vernünftigen Sportunterricht machen", fasst Rüther zusammen, ohne den konkreten Namen der Schule zu nennen.

Solche Platzmängel tauchen in keiner Sanierungs-Statistik auf, sind aber ebenfalls Teil des Problems.

Rüther bittet nun hinein in die Sporthalle, die seit vier Jahren unbenutzbar ist. Dort zu sehen: eine beeindruckende Leere. Der verschimmelte Hallenboden wurde im Vorjahr herausgerissen, übrig geblieben ist eine kahle Betonfläche. Kondenswasser aus der Heizungsanlage ist jahrelang unter den Bodenbelag gelaufen und von unten in den Estrich gesickert.

Das zumindest sei der Haupteintrittsweg des Wassers gewesen, sagt Rüther. Er deutet nach oben auf eine rotbraune Linie an die Hallendecke. "Da sieht man eine Rostkante, im Übergang zwischen Wand und Decke, da regnet es rein. Da war dann auch Wasser."

Was hat sich in den vergangenen Jahren getan?

Für den Laien wirkt es, als ob die Sanierung hier doch recht einfach vonstatten gehen müsste: Dach flicken, neuen Boden verlegen. Doch in den vergangenen Jahren ist genau das nicht passiert.

Was genau ist eigentlich passiert? Frage an das zuständige Bauamt Tempelhof-Schöneberg. Aus der sehr ausführlichen Antwort geht hervor, dass bei der Sanierung stets neue Mängel zutage getreten seien. Eine Ursache: Die gesamte Halle sei "in einem nassen Baugrund” eingelassen. "Vereinfacht ausgedrückt steht das Gebäude in einem Trog", heißt es. Deswegen gestalte sich auch die Entwässerung kompliziert. Von "einem erhöhten Wasserdruck im Erdreich" ist die Rede, "der auf dem eingegrabenen Bauwerk lastet."

In den vergangenen drei Jahren "wurden mit zahlreichen Begehungen vor Ort die Schadensursachen ergründet", teilt das Bauamt weiter mit. Derzeit werde "die Sanierungsplanung erstellt". Erst danach kann ein neuer Hallenboden in der Sporthalle eingebaut werden.

Liest man sich die Antwort des Büros für Stadtentwicklung und Facility Management durch, bekommt man tatsächlich den Eindruck, dass es sich um eine sehr komplizierte Sanierung handeln muss. Vier Jahre Baustelle in der Schulsporthalle? Dafür scheint es gute Gründe zu geben.

Hört man sich in den Leitungspositionen einiger Schulen im Bezirk Tempelhof-Schöneberg jedoch ein wenig um, erfährt man, dass die uferlose Sanierung der Grundschule im Taunusviertel kein Einzelfall ist.

Kampfsport in der Lausitz

Wie Spremberg zur Judo-Hochburg wurde

Die Brandenburger Kleinstadt Spremberg gilt als eine Top-Adresse des Judosports. Seit Jahren kämpfen die Männer des KSC ASAHI in der 1. Bundesliga. In der neuen Saison folgen nun auch die Frauen. Von Thomas Juschus

Grundschule im Taunusviertel kein Einzelfall

So kam es in der doppelgeschossigen Sporthalle des Paul-Natorp-Gymnasiums im Jahr 2013 zu einem Wassereinbruch. Während die untere Halle weitergenutzt werden konnte, war der Schwingboden in der oberen komplett aufgeweicht. Deswegen wurde die Halle im Obergeschoss für Sanierungsarbeiten gesperrt.

Doch die tatsächlichen Bauarbeiten begannen erst fünf Jahre später, im September 2018. Diese sollten 2019 abgeschlossen sein. Die Jahre vergingen. Endlich, im April 2023, soll es tatsächlich soweit sein. So erzählt es der hörbar desillusionierte Schulleiter Robert Fuß am Telefon.

Zehn Jahre gingen ins Land von Hallensperrung bis zur (erhofften) Wiedereröffnung. Schöner Gruß an die Grundschule im Taunusviertel.

Dort hofft Schulleiter Hanno Rüther auf die Rückkehr in die eigene Sporthalle bereits im kommenden Jahr, auch der Bezirk Tempelhof-Schöneberg gibt als Ziel aus "die Sporthalle selbst in der ersten Hälfte des Jahres 2024 wieder in Betrieb nehmen zu können".

Die Finanzmittel für die Sanierung seien bereits fest eingeplant, heißt es auf Anfrage. Aber Geld allein baut den Kindern der Grundschule im Taunusviertel halt keine neue Turnhalle.

Sendung: rbb24 Inforadio, 07.04.2023

Beitrag von Shea Westhoff

Artikel im mobilen Angebot lesen