Profikämpfer Ünsal Arik
Der Profiboxer Ünsal Arik nutzt seine Bekanntheit seit Jahren für politische Botschaften und Kritik am türkischen Präsidenten Erdogan. Immer wieder erlebt er deshalb Anfeindungen und Angriffe, die ihn aber nicht von seinem Weg abbringen.
38 Kämpfe, 36 Siege, davon 29 durch K.o. – Ünsal Arik hat eine erfolgreiche Boxkarriere vorzuweisen, wurde Welt- und Europameister. Doch seinen schwersten Kampf trägt er seit Jahren außerhalb des Ringes aus und steht dabei einem mächtigen Gegner gegenüber: dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. "Beruflich bin ich Profiboxer und privat mache ich mir gerne Probleme, indem ich mich für Menschenrechte einsetze", sagt er.
Arik wuchs als Sohn türkischer Gastarbeiter im bayerischen Parsberg auf und blickt auf einen bewegten Werdegang zurück. In seiner Jugend spielte er erfolgreich Fußball und stand kurze Zeit sogar in der A-Jugend des türkischen Spitzenclubs Fenerbahce Istanbul unter Vertrag. "Ich war echt sehr gut. Dann kam aber eine schwierige Zeit in Berlin und ich wurde hier obdachlos. Da kamen dann auch Drogen ins Spiel", erzählt er.
Lange habe er mit seiner Drogensucht zu kämpfen gehabt. Eines Nachts habe er dann auf dem Weg durch die Straßen der Hauptstadt plötzlich eine Boxhalle entdeckt und seine neue Karriere begann. Erst im Alter von 30 Jahren stand er für seinen ersten Profikampf im Ring.
Schon immer begleitet hat ihn hingegen das politische Engagement. Bereits als Kind sei seine kritische Haltung Erdogan gegenüber zuhause geprägt worden. "In meiner türkischen Familie sind alle sehr politisch und bei uns zuhause liefen die ganze Zeit die Nachrichten. Irgendwann fällt es natürlich auf, wenn der Vater immer gegen diesen einen Mann schimpft und den Fernseher ausschaltet, wenn er ihn sieht", erzählt Arik.
2014 sah er dann durch das Boxen die Chance, mit seiner Kritik an dem türkischen Präsidenten in die Öffentlichkeit zu gehen und ein Zeichen zu setzen: "Da habe ich ein Angebot für einen Fernseh-Kampf in der Türkei bekommen und mir gedacht, dass ich das jetzt mal ausnutzen will." Nach dem Kampf präsentierte er dem Publikum ein T-Shirt mit der Aufschrift "Das Land gehört Atatürk, nicht Tayyip". Eine schwere Provokation in Richtung Erdogan, die den Stein seines politischen Engagements ins Rollen brachte, ihm seitdem aber auch große Probleme beschert hat.
"Ich wusste nicht, dass es so viele Idioten gibt, die so fanatisch sind. Die haben mich gehasst und wollten mich umbringen. Auch die Polizei in der Türkei hat mich gesucht, weil ich den Präsidenten provoziert habe", erzählt er. Er habe sich nach der Aktion fast zehn Wochen in Istanbul verstecken müssen, bevor sich die Sache wieder beruhigte und er zurück nach Deutschland reisen konnte.
Doch den vermeintlich rettenden Boden hatte er auch dort nicht erreicht. "Die noch größeren Idioten habe ich dann hier in Deutschland getroffen", erzählt er. Erst seien es nur Beleidigungen und Bedrohungen gewesen, die ihn über die sozialen Netzwerke von Anhängern Erdogans entgegengeschlagen sind. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Vor drei Jahren lauerten ihm in Berlin auf der Straße zwei Männer auf, die ihm mit einem Messer verletzten. 2021 endete eine Attacke auf ihn beim Training in einem Park in einer blutigen Schlägerei. Außerdem fand er eines Morgens Patronenhülsen überall auf seinem Auto verteilt.
Sicher fühle er sich seitdem in Berlin nicht mehr. "Es ist schon krasser als viele denken. Ich verlasse das Haus sehr selten. Nur zum Gassi gehen und zum Training. Und da fahre ich mit dem Auto", sagt er. Manche Bezirke wie Neukölln oder Kreuzberg würde Arik mittlerweile komplett meiden. "Das sind für mich zwei Tabu-Orte. Man muss sich ja nicht freiwillig in Gefahr begeben."
Das hält ihn aber nicht davon ab, sich weiter deutlich zu positionieren. Immer wieder sendet er über die sozialen Medien Botschaften gegen Erdogan. In einem Hip-Hop-Song verglich er den türkischen Präsidenten zuletzt mit Adolf Hitler, wofür ihm in der Türkei bis zu 15 Jahre Haft drohen. Wegen Beleidigungen und vermeintlicher Gewaltandrohungen sei er nach eigenen Angaben mittlerweile über 50 Mal von der türkischen Justiz angeklagt worden. Eine Reise in seine Heimat ist für ihn deshalb unmöglich geworden.
Mit 42 Jahren neigt sich seine sportliche Karriere langsam dem Ende zu. Sein letzter Kampf ist schon eine Weile her und Arik weiß noch nicht, ob und wann er wieder in den Ring steigen wird. Doch sein politisches Engagement soll weitergehen. "Boxen ist nur ein Mittel zum Zweck. Das Einsetzen für Menschenrechte ist mir wichtiger", sagt er. Und so könnte er sich auch eine ganz andere Karriere vorstellen. 2019 absolvierte er ein Praktikum im Bundestag und habe seitdem Kontakt zum SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil. "Mal schauen, was sich ergibt", sagt er.
Ein Job in der Politik käme für ihn in jedem Fall in Frage. Denn nicht nur die Probleme in der Türkei beschäftigen Arik. Auch gegen die Ausländerfeindlichkeit, die er immer wieder in Deutschland erleben würde, wolle er etwas tun. Gerade hat er seine Biografie veröffentlicht, in der viele dieser Erlebnisse verarbeitet werden und mit der ein großes Ziel verfolgt: "Deutsche und Türken sollen sich endlich besser verstehen und dieses Buch wird aufklären."
Für seine türkische Heimat hofft er bei den kommenden Wahlen im Mai auf einen Regierungswechsel. "Das Erdbeben hat vielen Menschen die Augen geöffnet und ich hoffe, dass die Leute jetzt wirklich endlich aufgewacht sind", sagt er. Bis es soweit ist will er sich weiter größtmöglich engagieren und für eine bessere Situation in der Türkei kämpfen.
Sendung: rbb24, 11.04.2023, 18 Uhr
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