Unions Ausscheiden im Pokal in der Analyse
Nach dem Pokalaus im Viertelfinale suchen die Eisernen nach Erklärungen für einige schwache Leistungen in Serie. Auch gegen Frankfurt zeigte Union nicht das gewohnt intensive Spiel. Der Gegner nutzte das eiskalt aus. Von Till Oppermann
Unter der Woche Fußball zu spielen, mache süchtig, sagte Rani Khedira einige Tage vor Union Berlins DFB-Pokal-Viertelfinale bei Eintracht Frankfurt. Nachdem er und seine Mannschaft ebenjenes Viertelfinale verdient mit 0:2 verloren haben, ist klar, dass Khedira auf seinen Suchtstoff erstmal verzichten muss.
"Es ist sehr enttäuschend, für solche Spiele lebt man", klagte Khedira. Knapp drei Wochen nach dem chancenlosen Aus in der Europa League haben sich die Eisernen auch aus dem DFB-Pokal verabschiedet – erneut zeigten sie dabei eine schwache Leistung und schafften es nicht, ihr typisches Spiel auf den Platz zu bringen.
Woran das lag? Er könne es nicht erklären, schimpfte Khedira und auch Mannschaftskapitän Christopher Trimmel zeigte sich ratlos: "Ich weiß es selbst nicht, das ist komisch." Dabei kam Unions schwache Vorstellung keineswegs überraschend: "Zum dritten Mal hintereinander spielen wir eine katastrophale erste Halbzeit."
So deutlich kritisiert selbst der selbstkritische Khedira selten, zumal die Eisernen die beiden anderen angesprochenen Spiele mit schlechter erster Halbzeit in der Liga gegen Stuttgart und ebenfalls Frankfurt noch gewonnen hatten.
Aber er hat Recht, möchte man besonders kritisch sein, kann man auch das Auswärtsspiel in Belgien in die Analyse einbeziehen und kommt schon auf vier Spiele in Serie, in denen die Unioner insbesondere in der Defensive nicht annähernd das auf den Platz brachten, was sie über weite Strecken der Saison zum wohl unangenehmsten Gegner der Fußball-Bundesliga gemacht hat.
Wenig Intensität, kaum Balldruck und entscheidende Zweikämpfe, die die Mannschaft verliert, resultieren in klaren Chancen für den Gegner. Hätte Eintracht-Angreifer Borre in der 20. Minute nicht hauchzart im Abseits gestanden, hätte es bereits zu diesem Zeitpunkt 3:0 für die Hessen gestanden. Man werde knallhart in der Analyse sein, versprach Khedira und fand schließlich doch noch einen Grund: "Insgesamt waren wir nicht aggressiv genug und haben die Eintracht genau das machen lassen, was sie stark macht."
Bei aller Wut über ihren enttäuschenden Auftritt vergaßen die Unioner nicht, ihren Gegner zu loben. Die kombinationsstarken Frankfurter spielten sich zahlreiche Chancen heraus. Dabei setzten sie auf zwei taktische Mittel, die den Berlinern besonders große Probleme bereiten. So nutzten die Frankfurter Unions fehlende Intensität im Anlaufen und in den Zweikämpfen aus, indem sie immer wieder in den dadurch offenen Raum zwischen Abwehrkette und Mittelfeld spielten.
Das wiederum führte dazu, dass sich Unions Reihen nach und nach zu einer Linie verdichteten. Schon in der zehnten Minute nutzte Frankfurt das mit dem zweiten Mittel gnadenlos aus: Vorlagengeber Mario Götze startete in die Tiefe und wurde durch einen Chipball hinter die kaum noch zu unterscheidende Mittelfeld-Abwehr-Schlange freigespielt, bevor er mit der Hacke auf den Torschützen Randal Kolo Muani ablegte.
Hätte Union verteidigt wie gewohnt, wäre dieses Tor – bei aller Genialität von Götze und Kolo Muani – eher nicht möglich gewesen: Der Passgeber des Chips auf Götze wäre gestört worden und die Staffelung der Innenverteidiger hätte den Tiefenlauf unterbunden. Zumindest geschah es so in den meisten Spielen dieser Saison.
Dass Frankfurt-Coach Oliver Glasner seine Mannschaft ganz bewusst auf gechippte Pässe hinter die Kette eingeschworen hatte, zeigte dann Kolo Muanis zweites Tor. Diesmal lupfte Götze hinter die Abwehr und der Franzose veredelte mit einem weiteren Heber. Mit einer Einschränkung: Ohne einen aberwitzigen Ausflug von Torwart Lennart Grill, der erneut Frederik Rönnow vertrat, wäre das Tor nie gefallen. Grills zweiter Fehler im Rauslaufen in kurzer Zeit, nachdem er gegen Stuttgart noch von einem Handspiel des Gegners gerettet wurde.
Auch danach kam Union nicht auf die Beine. Den ersten Schuss auf das Tor von Frankfurts Torwart Kevin Trapp feuerte Sheraldo Becker in der 63. Spielminute ab und "abfeuern" ist hier ein großes Wort, denn der Nationalkeeper wählte zwar die Arme, aber hätte den Abschluss auch problemlos mit der Innenseite stoppen können.
"Wenn du früh zwei solche Tore bekommst, dann hat die Auswirkungen", sagte Trainer Urs Fischer. Deshalb wechselte er schon zur Halbzeit dreifach. Aber auch mit einer offensiveren Aufstellung mit Sven Michel, der neben Kevin Behrens und Becker der dritte Stürmer auf dem Feld war, kam Union nicht zu Chancen gegen eine Frankfurter Mannschaft, die sichtlich froh war, nicht mehr ihr Tempo aus der Anfangsphase gehen zu müssen.
Obwohl Union viel Raum hatte, kam wenig zustande. Es häuften sich schwache Distanzschüsse und Fehlpässe. Dafür fehlt in Ballbesitz weiter ein Plan, der über das Gewinnen von zweiten Bällen und Standards hinausgeht. Christopher Trimmel sagte zurecht: "Da müssen wir uns entwickeln, sonst wird es schwierig mit unserem Saisonziel." Zum Glück haben die Unioner sich in den letzten Wochen trotz mäßiger Leistungen mit ihrem Kampfgeist bereits einen Vorsprung im Kampf um den Europacup erarbeitet.
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.04.2023, 05:00 Uhr
Beitrag von Till Oppermann
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