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Quelle: imago images/Contrast

Vereins-Ikone zurück bei Hertha

Arm, aber Dardai

Pal Dardai heißt der neue, alte Trainer von Hertha BSC. Das klingt fantasievoll und fantasielos zugleich - und passt dennoch wie sonst kaum etwas. Zu diesem Klub. Und dieser Stadt. Von Ilja Behnisch

Mitte März 2023, am Tag, als die Trennung zwischen Hertha BSC und Ex-Investor Lars Windhorst auch öffentlich besiegelt wurde, wollte Klub-Präsident Kay Bernstein nicht nur das ungeliebte Label "Big City Club" beerdigt sehen, sondern gleich auch noch Abschied vom Größenwahn und von überzogenen Erwartungen nehmen. Nach der (Wieder-Mal-)Verpflichtung von (Ex-)(Ex-)Trainer Pal Dardai muss man konstatieren: Vorhaben gescheitert.

Dritte Amtszeit

Pal Dardai als neuer Trainer bei Hertha BSC vorgestellt

Hertha BSC hat - mal wieder - einen neuen Trainer. Mit Pal Dardai kommt ein alter Bekannter zurück in den Klub. Nach der Trennung von Sandro Schwarz soll der Ungar in seiner dritten Amtszeit bei den Blau-Weißen den Klassenerhalt sichern.

Hertha in einer Reihe mit Europas Topklubs

Denn die Hertha reiht sich mit dem erneuten Zurück-zum-Ex ein in eine illustre Reihe internationaler Groß-Klubs wie Real Madrid, Juventus Turin oder Bayern München. Vereine, die gleich mehrfach auf denselben Trainer setzten. Trainer wie Zinedine Zidane (zwei Mal Real Madrid), Jose Mourinho (zwei Mal FC Chelsea), Giovanni Trappatoni (zwei Mal Bayern und zwei Mal Juventus Turin) oder Jupp Heynckes (drei Mal Bayern). Übertroffen werden Hertha und Dardai eigentlich nur noch vom FC Schalke 04, der bekanntlich zumindest innerhalb der Stadtgrenzen Gelsenkirchens ein Klub von absolutem Weltrang ist und der gleich vier Mal auf die Dienste von Huub Stevens vertraute.

Was waren die Alternativen?

Von den sportlichen Erfolgen der anderen ist Pal Dardai (noch) ein gutes Stück entfernt. Warum also holt ihn Hertha trotzdem zurück? Mal wieder. Weil der Trainermarkt keine besseren Alternativen parat hatte, um den Klub in den kommenden sechs bis acht Spielen (dann über die Relegation) in der Liga zu halten? Dabei ist die Liste der arbeitslosen Coaches doch ebenso lang wie illuster. Auch wenn Übungsleiter aus dem "Nach den Sternen greifen"-Regal, wenn Antonio Conte (ehemals Juve, Inter und Tottenham), Luis Enrique (ehemals Barcelona und Spanien) oder Mauricio Pochettino (ehemals Tottenham und Paris St. Germain) bei einem Anruf mit der Vorwahl +4930 wahrscheinlich schneller weggedrückt hätten, als Jürgen Klinsmann Mehrwert sagen konnte.

Doch auch realistischere Optionen wie Ralph Hasenhüttl (Leipzig, Southampton), Jesse Marsch (Leipzig, Leeds) oder Gerardo Seoane (Leverkusen) sind nicht auf Sandro Schwarz gefolgt. Oder Kandidaten wie Markus Gisdol (Hoffenheim, Hamburg, Köln) und Achim Beierlorzer (Köln, Mainz), die den Tabellenkeller der Bundesliga zumindest schon einmal besichtigt haben. Stattdessen also Pal Dardai, die Dritte.

Pro & Contra

Darum ist Pal Dardai (nicht) die ideale Lösung für Hertha BSC

Pal Dardai wird bereits zum dritten Mal Trainer von Hertha BSC. Er übernimmt das Team in einer brisanten Situation und auf dem letzten Tabellenplatz. Jonas Bürgener und Patrick Richter analysieren, warum Dardai der Richtige ist - oder eben nicht.

Wein, Gulasch, Zigarre - und trotzdem Hertha BSC

"Wir sind vielmehr Berliner Eckkneipe als Rosenthaler Platz. Und trotzdem ist der Rosenthaler Platz auch Hertha", sagte Tommy Kempert-Gmuer, ehedem Betreiber des mit einem Augenzwinkern betriebenen Twitter-Accounts "Big City Club", Mitte März gegenüber rbb|24. Pal Dardai ist weder Eckkneipe noch Rosenthaler Platz. Er liebt ungarischen Wein, ungarisches Gulasch, er raucht offenbar gern mal eine Zigarre, die hoffentlich weder aus Berlin noch aus Ungarn stammt.

Und trotzdem ist natürlich auch Pal Dardai Hertha BSC, allein schon, weil er seit Januar 1997 zu diesem Klub gehört. Als Spieler, Nachwuchstrainer, Trainer, Nachwuchstrainer, Koordinator Talentförderung, Trainer und, nun ja, wieder Trainer.

Dardai? Ein "komplett anderer Mensch"

Er sei die absolute Wunschlösung, niemand stehe für den Berliner Weg so sehr wie Pal, sagte Herthas Sportdirektor Benjamin Weber auf der Antritts-Pressekonferenz Dardais und: "Pal kennt hier jeden Grashalm, jede Tür." Auch die zahlreichen Falltüren, möchte man anfügen, aber gut, Dardai "mag die Herausforderung", wie er selbst sagt, außerdem wolle er der Hertha-Jugend, die ihm besonders am Herzen liege, eine Bundesliga-Mannschaft zum träumen überlassen und keinen Zweitligisten. Und auch Anhänger, die mit dem Trainer Dardai eher schwer verdauliche Fußballkost verbinden, dürften erleichtert aufatmen, schließlich ist Dardai inzwischen "ein komplett anderer Mensch", denn er habe sich einen Hund gekauft: "Ich habe Menschen ausgelacht, die sagen, dass ein Hund dich als Mensch verändert - ist aber so."

Kommentar | Entlassung von Sandro Schwarz

Eine Niederlage für die Hertha-Vereinsspitze

Für die Entlassung von Sandro Schwarz als Trainer von Hertha BSC gab es viele Argumente. Trotzdem sieht Herthas Führung dabei nicht gut aus: Sie hatte sich entschieden zum Weg mit dem Trainer bekannt - um ihn am Ende doch zu entlassen. Von Till Oppermann

Wieviel Maltipoo steckt in der Mannschaft von Hertha BSC?

Ein Maltipoo ist es geworden, über den Wikipedia zu berichten weiß, er vereine "in sich die Liebenswürdigkeit des Maltesers mit der Intelligenz des Pudels. Die Mischung ergibt einen aufmerksamen, fröhlichen und verspielten Familienhund, der sich leicht erziehen und im Alltag führen lässt." Bleibt die Frage: Wieviel Maltipoo steckt in der Mannschaft von Hertha BSC? Wie gut passt sie zu Dardai? Und was unterscheidet ihn eigentlich von seinem Vorgänger, von Sandro Schwarz? Denn die Parallelen zwischen beiden sind frappierend. Als Spieler waren sie im defensiven Mittelfeld beheimatet. Auch Schwarz trainierte lange im Jugendbereich. Beiden wird Geradlinigkeit und eine klare Ansprache attestiert. Hörte man sich rund um den Verein um, galt auch Schwarz als außerordentlich leidenschaftlich in der Sache und für Hertha BSC. War Schwarz einfach nur kein (Spiel-)Glück beschieden? Oder gehört doch mehr dazu?

In einer Sache jedenfalls scheint Dardai noch etwas entschiedener als Schwarz und vielleicht ist es das, was ihn so prädestiniert für diesen Klub, für diese Stadt: Pragmatismus. Auch Schwarz war und ist kein Idealist, niemand, der stur seiner Wunschvorstellung von Fußball folgte und an ihr festhielt. Doch kaum ein (Hertha-)Trainer der jüngeren Vergangenheit vertraut(e) so sehr auf die Basics des Fußballs wie Pal Dardai. Der Ungar schwört auf wenige Grundregeln. Eine davon besagt, dass zwischen Abwehrreihe und vorderstem Angreifer nie mehr als 30 Meter Abstand herrschen darf. Der Rest ist: laufen, Zweikämpfe gewinnen, Fehler minimieren. Reinbeißen ins Spiel, geduldig auf die eigenen Chancen warten, sie werden schon kommen und dann muss man sie nur noch nutzen.

Analyse | Hertha-Pleite auf Schalke

Ein Gesamtkunstwerk des Grauens

Mit einem desolaten Auftritt hat sich Hertha dem FC Schalke 04 zum Fraß vorgeworfen. Die 2:5-Niederlage gegen den Tabellenletzten hat jede Hoffnung genommen, die Klasse zu halten – und vermutlich Trainer Schwarz den Job gekostet. Von Marc Schwitzky

Springt Hertha mal wieder vom Galgen?

Und vielleicht ist nichts mehr "Berliner Weg" als das. Im Fußball und überhaupt. Kühne Träume und große Pläne mögen weltstädtisch klingen. Berlin aber lebt weniger von Visionen, viel mehr von dem, was immer wieder zwischendrin und nebenbei entsteht. Von Leuten, die richtig Bock haben, etwas zu gestalten und nicht von Menschen, die vor allem viel Geld dafür bekommen, es zu tun. Von Persönlichkeiten und nicht von Ideologien. Jetzt muss der neue, alte Trainer dieser Hertha nur noch möglichst schnell herausfinden, auf wen er dabei setzen sollte. Damit es nicht schön, aber selten wird. Damit sie mal wieder vom Galgen springen, am besten mit einem Spruch auf den Lippen. Damit es nach der und über diese Saison und in Anlehnung an einen Berliner Klassiker heißen mag: arm, aber Dardai.

Sendung: rbb24 Abendschau, 17.04.23, 19:30 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

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