Analyse | Niederlage in Dortmund
Der 1. FC Union Berlin verliert nach einem individuellen Fehler trotz starker zweiter Halbzeit in Dortmund. Daran konnte auch der unionigste Spieler im Team nichts ändern. Was den Köpenickern aktuell fehlt. Von Till Oppermann
Der entscheidende Pass in den Strafraum: Wenn Union Berlin in dieser Saison ein Problem hat, dann dieses. Zu selten gelingt es der Mannschaft, sich spielerisch im letzten Drittel Chancen herauszukombinieren. Gerade die Mittelfeldspieler wären da gefragt, aber bei Fußballarbeitern wie Morten Thorsby, Janik Haberer und Rani Khedira war schnell klar, dass sie sich nicht in der Künstlersozialkasse versichern müssen.
Da ist es eigentlich eine gute Nachricht, dass der gegen Dortmund für Thorsby eingewechselte Paul Seguin das entscheidende Tor mit einem wohltemperierten Steckpass hinter die Abwehrkette vorbereitete. Leider war der Abnehmer Dortmunds Stürmer Youssoufa Moukoko, der Seguins unfreiwilligen Zuckerpass ausnutzte, um das 2:1 zu erzielen. Kollege Khedira kommentierte: "Das war der entscheidende Fehler zu viel".
Nach einer starken zweiten Halbzeit kann man das so sehen. Trainer Urs Fischer klagte: "Am Schluss ist die Niederlage bitter." Wie so oft in dieser Saison hatte sein Team nach dem Seitenwechsel aufgedreht und kam gegen den BVB zu einigen guten Konterchancen. Würden in der Bundesliga nur Tore zählen, die in den zweiten 45 Minuten fallen, wäre der 1. FC Union auf Meisterschaftskurs.
"Die zweite Halbzeit war wirklich top für uns", fand auch Khedira, es habe sogar das 2:1 für die Eisernen in der Luft gelegen, nachdem Kevin Behrens – vielleicht der unionigste Spieler in der Mannschaft - ein sehr unioniges 1:1 erzielt hatte. Erst verlängerte er einen langen Ball per Kopf zu Sturmpartner Sheraldo Becker, der zurück zu Behrens spielte und dann zusah, wie der perfekt durchtrainierte Behrens überlegt ins lange Eck schob. Behrens spielt mit 32 Jahren seine erst zweite Saison in der Bundesliga, ist nicht für seine feine Technik bekannt, wohl aber für harte Arbeit und viel Körpereinsatz. Wie seine Mannschaft.
Leider - und das muss sich der 1. FC Union nach der Niederlage am Karsamstag erneut vorwerfen lassen - gelingt es Behrens und seinen Kollegen in letzter Zeit selten, diesen Köpereinsatz und einen intensiven Spielstil gegen den Ball über 90 Minuten durchzuziehen. Schon in Frankfurt und gegen Stuttgart liefen die Spiele schlecht an.
Urs Fischer hat zwar Recht, wenn er seine Spieler dafür lobt, dass sie in Dortmund gut ins Spiel gekommen seien. Aber nach einigen guten Angriffen in den ersten Minuten zogen sich die Rot-Weißen nach und nach in die eigene Hälfte zurück und ermöglichten es Dortmund so erst, ins Spiel zu kommen. An der Entstehung des 0:1 lässt sich bestens beschreiben, was die Eisernen in der ersten Halbzeit falsch gemacht haben. Denn in der Entstehung des Tores standen alle Unioner hinter dem Ball, den der BVB 30 Meter vor dem Tor hin- und herspielte und kein Berliner machte Anstalten, das Dortmunder Kombinationsspiel zu stoppen.
Die Gastgeber kamen mühelos ins Angriffsdrittel, weil Union schlecht gestaffelt stand. Insgesamt gewannen die BVB-Spieler um Nationalspieler Emre Can bis zur Pause 60 Prozent der Zweikämpfe, was auch daran lag, dass Union sich dauerhaft in der Rückwärtsbewegung befand, anstatt nach vorne zu verteidigen. Die sonst so gute Raumaufteilung gab es nicht mehr, Vorlagengeber Raphael Guerreiro flankte ungestört, dafür standen im Strafraum fünf Berliner auf einer Linie, die nicht in der Lage waren, den Ball zu klären, bevor Donyell Malen aus drei Metern einschob. Ein Tor, das so nicht gefallen wäre, wenn Union aktiver verteidigt hätte. "Dortmund war in der ersten Halbzeit spielbestimmend", räumte Behrens ein. Vielleicht auch, weil er als Stürmer die meiste Zeit näher am eigenen als am gegnerischen Tor stand.
Gut, dass nach dem Pokalaus in Frankfurt in den kommenden Wochen mehr Zeit bleiben wird, um solche Abläufe wieder im Training einzuüben. "Wir haben noch sieben schwere Spiele vor uns", wusste Urs Fischer. Sieben Spiele, um die vier Punkte Vorsprung auf den fünften Platz zu verteidigen. "Champions League" will bei Union trotz hartnäckiger Nachfragen der Journalisten niemand aussprechen, die offizielle Sprachregelung für das Saisonziel in den letzten Wochen lautet "internationales Geschäft". Aber natürlich schielen Spieler und Verein auf die Teilnahme an der Königsklasse.
Zumindest muss sich kein Eiserner Sorgen machen, ihre Fußballgötter könnten sich nicht mehr selbst einschätzen. Man müsse die Kirche im Dorf lassen, so Rani Khedira, schließlich habe man zuletzt gegen den Europa League-Sieger Frankfurt und nun gegen den Champions League-Aspiranten Dortmund verloren. Zumindest war die Leistung gegen letzten schon wieder deutlich besser als beim DFB-Pokal-Aus. "Wir wollten heute was mitnehmen und ich glaube, wir hätten das verdient", sagte Fischer. Gegen die nächsten Gegner Bochum und Gladbach sollte das klappen.
Sendung: rbb24, 08.04.2023, 21:45 Uhr
Beitrag von Till Oppermann
Artikel im mobilen Angebot lesen