Interview | Hertha-Super-Fan Dennis Schiller
Früher verpasste er fast kein Spiel, seinen Familienurlaub verbringt er im Trainingslager und in der Jacke des Vereinspräsidenten gewann er zehntausende Euro: Im Leben von Dennis Schiller dreht sich fast alles um Hertha BSC.
rbb|24: Herr Schiller, ein Blick in ihr komplett in blau-weiß eingerichtetes Wohnzimmer verrät: Sie sind Hertha-Fan durch und durch. Woher kam die Liebe zum Verein?
Dennis Schiller: Tatsächlich hat Hansa Rostock Schuld daran. Die hatten 1995 eine Heimspiel-Sperre bekommen und sind deshalb für eine Partie ins Berliner Olympiastadion ausgewichen, zu dem ich als 14-Jähriger gegangen bin. Es war fast ausverkauft und ich fand das einfach super. Dann habe ich mich gefragt, wer denn dort sonst spielt. Und da bin ich dann das erste Mal zu Hertha gegangen. Damals noch vor 4.000 Zuschauern in der 2. Liga. Seit der Aufstiegssaison 1996/97 hatte ich dann immer eine Dauerkarte.
Es scheint schnell eine innige Bindung zum Verein entstanden zu sein. Wie viele Hertha-Spiele haben Sie seitdem verpasst?
Naja, das hat sich schon ein bisschen verändert. In meiner Sturm-und-Drang-Zeit habe ich zwar nie alle 34 Saisonspiele geschafft, aber zwei Mal 33. Das waren dann 16 Auswärtsfahrten. Mittlerweile habe ich Familie und Kinder und stehe nicht mehr in der Kurve, sondern sitze in einer Loge daneben. Auswärts fahre ich jetzt nur noch fünf bis zehn Mal pro Saison. Gemeinsam mit meiner Familie habe ich Hertha letzten Sommer aber ins Trainingslager nach England begleitet.
Bei Auswärtsfahrten sind Sie das halbe Wochenende unterwegs für den Klub und sogar Ihren Familienurlaub verbringen sie mit Hertha – warum machen Sie das?
Erst einmal, um den Verein zu unterstützen und zu repräsentieren. Wir wollen nicht wie Hoffenheim mit zwei Auswärtsfans anreisen, sondern Hertha nach außen stark aussehen lassen. Außerdem gibt es nichts Schöneres, als auswärts zu gewinnen. Für mich ist das eben ein Zeichen dafür, dass man eben mehr als nur der Fernsehguck-Fan und der Ab-und-zu-Stadiongänger ist. Das gehört dazu, wenn man sich viel mehr mit dem Verein identifiziert.
Muss man sich trotzdem manchmal überwinden, den Reisestress auf sich zu nehmen?
In der Regel nutze ich Auswärtsfahrten mittlerweile als Familienwochenende und reise schon Freitag an und bleibe bis Sonntag da. Ich gucke mir die Stadt an, gehe abends essen und mache da einfach einen kleinen Trip draus. Wir sind jetzt auch seit fast 15 Jahren eine Clique aus Fans, mit denen wir fahren und das macht einfach Spaß. Da muss ich mich also nicht groß überwinden.
Und früher, als Sie noch fast jede Auswärtsfahrt mitgemacht haben?
Da schon. Gerade in der Anfangsphase gab es Auswärtsspiele, wo man sich ein bisschen motivieren musste. Aber das liegt ja an einem selbst, und man kann sich immer noch entscheiden, es so anzugehen, dass es dann doch Spaß macht.
Für Hertha stehen in dieser Saison noch München, Köln und Wolfsburg auswärts auf dem Programm. Machen sie das alles mit?
München nicht, Köln und Wolfsburg schon. Eigentlich habe ich das Glück, dass meine ganze Familie – auch die Schwiegereltern – sich danach richtet, wann Hertha spielt. Feste und Geburtstage werden also immer danach gelegt, weil sie sonst genau wissen, dass ich nicht komme. Nächstes Wochenende steht allerdings der 60. Geburtstag meiner Schwiegermutter an und wir haben eine Hausboot-Tour geplant. Damals haben wir auf den Spielplan geguckt und gesehen, dass Hertha da in München spielt. Und da muss ich nicht mehr unbedingt hinfahren. Ich war schon acht oder neun Mal dort und normalerweise gibt es da für Hertha nichts zu holen. Es ist für mich also das unwichtigste Spiel im Restprogramm.
Am letzten Spieltag in Wolfsburg könnte es passieren, dass Hertha bereits vor der Partie abgestiegen ist. Fahren Sie trotzdem?
Natürlich. Das ist alles schon organisiert. Ich möchte auch in schweren Zeiten zum Verein stehen und ihn repräsentieren. Es wäre mir peinlich, wenn Hertha irgendwo nur mit 200 Fans sein würde. Deshalb muss das sein.
Das Repräsentieren des Herzensvereins hat seine Grenzen aber nicht im Stadion. Auch im Unterhaltungsfernsehen hat man Sie schon im Hertha-Dress gesehen, oder?
Ja, wir haben 2015 bei der Neuauflage von Familienduell mitgemacht. Da hatten wir dann alle ein Hertha-Dress an. Wir haben fünfmal hintereinander gewonnen und dabei immer ein anderes Vereins-Outfit getragen. Am Ende haben wir der Moderatorin Inka Bause sogar noch ein Trikot geschenkt.
Fünf Siege im Familienduell – es scheint, als würde die Hertha-Fanbekleidung Ihnen Glück bringen. Zuletzt haben sie in der Kult-Jacke Ihres Vereinspräsidenten ja auch richtig abgeräumt...
Stimmt, das war im Februar. Da habe ich bei einem Poker-Turnier in Tschechien mitgemacht und die gleiche Jacke getragen, die Kay Bernstein immer trägt. Am Ende habe ich 63.000 Euro gewonnen.
Bei der aktuellen sportlichen Situation sollten Sie die Jacke dann unbedingt auch im Stadion tragen.
Das habe ich schon ein paar Mal und da hat sie kein Glück gebracht. Zum Pokern würde ich sie wieder anziehen, aber beim Fußball scheint es nicht zu funktionieren.
Auch ohne Glücksbringer – schafft Hertha noch den Klassenerhalt?
Ich habe mit dem Thema innerlich abgeschlossen. Dadurch fühlt man sich befreiter. Klar ist eine Resthoffnung da. Aber für mich war klar, dass wir gegen Bremen gewinnen müssen. Das Ergebnis ist ja bekannt. Danach habe ich für mich selbst gesagt, dass es das war und angefangen, mich auf die zweite Liga zu freuen. Das fällt zwar nicht leicht, ist aber besser als jede Woche mit dieser Anspannung dazusitzen.
Welche Aufwärtsfahrt würden Sie in der 2. Liga dann nicht verpassen wollen?
Wenn sie aus der 3. Liga aufsteigen, dann Elversberg. Da war ich noch nicht. Und man kann sich ja auch alles schönreden. Wenn ich das neunte Mal nach München oder das zwölfte Mal nach Dortmund fahre, dann ist das immer das gleiche. Die schönsten Auswärtsfahrten sind die, wo für einen alles neu ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 27.04.2023, 21:45 Uhr
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