Heimsieg gegen Stuttgart
Am 31. Spieltag ist Hertha BSC mit dem 2:1-Sieg über Tabellenkonkurrent Stuttgart ein wichtiges Zeichen im Abstiegskampf gelungen. Zwei Standardtore sichern den Berlinern drei Punkte, die sie wieder in Schlagdistanz zum Relegationsrang bringen.
Hertha BSC hat sein Heimspiel am 31. Spieltag gegen den VfB Stuttgart mit 2:1 gewonnen und somit ein Zeichen im Abstiegskampf gesendet. In einem dramatisch knappen Spiel sind es am Samstagnachmittag zwei Standardtore, die den Berlinern möglicherweise überlebenswichtige drei Zähler einbringen. Da auch der VfL Bochum sein Spiel gegen Borussia Mönchengladbach verloren hat, ist die "alte Dame" auf einmal nur noch drei Punkte vom Relegationsrang entfernt - bei noch drei auszuspielen Partien.
Die Tore von Marc Oliver Kempf (29. Minute) und Florian Niederlechner (45.+2) sorgten in einem von Kampf geprägtem Abstiegsduell für den Unterschied. Hertha zelebrierte nicht die hohe Spielkultur, zeigte jedoch die in solch einem Spiel benötigten Attribute - Leidenschaft, Effizienz, gallige Zweikampfführung - und sicherte sich so den Heimsieg vor 63.400 Zuschauern im Olympiastadion.
Die ersten zehn Minuten verliefen recht schwungvoll, das typische anfängliche Abtasten wechselte sich immer mal wieder mit durchaus gefährlichen Offensivszenen auf beiden Seiten ab. Klare Torchancen ergaben sich bis auf einen Schuss von Serhou Guirassy (7.) aus gut zwölf Metern, den Hertha-Torhüter Oliver Christensen ohne größere Probleme parierte, zunächst jedoch nicht.
Die Berliner meldeten sich vor allem mit einem gefährlichen Distanzschuss von Lucas Tousart in der Partie an (12.). Infolgedessen wurde Hertha mutiger, Stevan Jovetic und Dodi Lukebakio versuchten stetig, durch Geistesblitze offensive Gefahr zu entwickeln. In der 18. Minute verhinderte Hertha-Innenverteidiger Filip Uremovic eine möglicherweise gute Stuttgarter Chance, sah für sein Handspiel jedoch die gelbe Karte. Anschließend holte sich auch Teamkollege Florian Niederlechner, weil er beim Freistoß zu früh aus der Mauer löste, die Verwarnung ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte der VfB wieder etwas an Momentum gewonnen, ohne aber große Gefahr auszustrahlen.
Doch Hertha wusste sich durch resolutes Zweikampfverhalten und lange Bälle auf Lukebakio immer wieder aus potenziellen Drucksituationen zu befreien, sodass sich um die 25. Minute herum eine umkämpfte, durchaus ausgeglichene Partie ohne klare Torgelegenheiten entwickelt hatte. So musste – wie es im Fußball so ist – ein Standard her, um die Partie wirklich zu eröffnen: Nach einer Ecke durfte Marco Richter den Ball noch einmal in den Strafraum bringen, wo Marc Oliver Kempf am höchsten stieg und zum 1:0-Führungstreffer Herthas einköpfte (29.).
Das Führungstor stärkte Herthas Brust, in den Folgeminuten versuchten die Hausherren, den Schwung mitzunehmen und Stuttgart weiter zu verunsichern. Nachdem das jedoch ausblieb, wurde der VfB wieder stärker, was in der 38. Minute zum 1:1-Ausgleich führte. Nach einer ungestörten Flanke von Borna Sosa konnte Josha Vagnoman den Ball im Strafraum gegen Marvin Plattenhardt behaupten und in die Mitte legen, wo Guirassy aus kurzer Distanz nur noch einschieben musste.
In den Minuten danach bearbeiteten sich die beiden Mannschaft unnachgiebig. Als alles danach aussah, als würde es mit dem 1:1 in die Pause gehen, trat Lukebakio in der zweiten Minute der Nachspielzeit zum Freistoß an. Seine nach innen gezirkelte Hereingabe fand Niederlechner, der noch die Fußspitzen an den Ball bekam und ihn zum 2:1 versenkte.
Nach 60 Minuten hatte der VfB seinen hohen Ballbesitzanteil bis auf ein paar gefährliche Flanken kaum produktiv nutzen können – Hertha konnte die etwas schleppend dahergekommenen Angriffswellen durch gutes Stellungsspiel in der Defensive recht souverän verteidigen. Was fehlte, war die Entlastung nach vorne. Und so wechselte Pal Dardai zur 64. Minute doppelt: Jessic Ngankam ersetzte Torschütze Niederlechner, Maximilian Mittelstädt kam für den im zweiten Durchgang kaum sichtbaren Lukebakio.
Die Wechsel veränderten den Spielfluss jedoch nicht, der VfB behielt die Kontrolle und schnürte Hertha immer wieder in dessen Spielhälfte ein. Da die Berliner das Zentrum gut verdichteten, war für Stuttgart die Flanke das Mittel der Wahl – über Hereingaben fanden die Schwaben immer wieder den Weg in den Berliner Strafraum, Schlussmann Christensen wurde allerdings kaum geprüft. Und doch fühlte sich Herthas passive Spielweise wie das Spiel mit dem Feuer an.
Dardai versuchte es in der 75. Minute noch einmal, über Wechsel Einfluss auf die Begegnung zu nehmen: Für Kempf kam Agustin Rogel für bessere Lufthoheit in die Partie, Suat Serdar und Chidera Ejuke ersetzen Marco Richter wie Marton Dardai und sollten durch ihre technischen Fähigkeiten für Offensiventlastung sorgen. Tatsächlich konnten die Berliner darauffolgend durch das Provozieren von Fouls und eigene Standardsituationen ein paar Minuten von der Uhr nehmen.
Ab der 80. Minute begann allerdings eine dramatische Schlussphase, in der Hertha einen Stuttgarter Vorstoß nach dem anderen überstehen musste. Die Anspannung im Olympiastadion war förmlich greifbar, jeder VfB-Angriff ließ den Berliner Atem kurz Stocken. Herthas Abwehrblock hielt jedoch Stand und brachte die knappe 2:1-Führung nach 95 Minuten über die Zeit.
Hertha BSC hat im so bedeutenden Duell mit dem VfB Stuttgart die Nerven behalten - und genau das war der so wichtige Auftrag von Trainer Pal Dardai. Der Ungar hat eine zerrüttete Mannschaft ohne klare Abläufe und den nötigen Kampfeswillen wieder zu einer Einheit geformt. Gegen den VfB reichten sieben Schüsse und 30 Prozent des Ballbesitzes, weil die Berliner sich defensiv aufopferten und offensiv endlich zu brauchbaren Standards gefunden haben - das mag fußballerischer Minimalismus sein, ist in Herthas Situation jedoch vollkommen angemessen.
Und doch war Glück eine entscheidende Zutat, da der VfB die spielerisch dominantere Mannschaft war und es neben dem Tor von Guirassy nur einen weiteren durchgerutschten Ball gebraucht hätte, um für ein völlig anderes Spiel zu sorgen. Doch das Glück war in dieser Begegnung dem defensiv Tüchtigen. So können die Blau-Weißen, die bereits als abgeschrieben galten, neue Hoffnung im Abstiegskampf schöpfen - nur dürfen sie in den nächsten drei Spielen keinen Prozent weniger investieren. "Vier Spiele, vier Siege" - das Mantra des Pal Dardai lebt.
Sendung: rbbUM6, 06.05.2023, 18 Uhr
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