Kommentar zum Abstieg von Hertha BSC
Hertha BSC in der Bundesliga: Dieses Kapitel ist vorerst Geschichte. Den rbb-Hertha-Reporter Guido Ringel macht das fassungslos. Eine emotionale Abrechnung mit den Verantwortlichen der vergangenen Jahre - und ein schwarzer Blick in die Zukunft.
Vor allem ist der Hertha-Abstieg traurig. Für die Fans und für den Fußball. Und für Berlin: Die strahlende Stadt verliert eins ihrer Lichter.
Wie könnt ihr nur? Das frage ich flehend alle Verantwortlichen bei Hertha BSC. Alle Spieler, alle Trainer, vor allem aber die Funktionäre. Wie konntet ihr über Jahre hinweg praktisch alles falsch machen? Ein vollgepackter Nachmittag mit Rückgrat und Herz reicht eben nicht. Das Aufbäumen gegen Bochum war imposant, aber auch wieder zu wenig.
Das macht mich wütend. Hertha, dieser 130 Jahre alte Verein, der blau-weiße Kult-Klub, der unendlich viele Geschichten geschrieben hat. Derartig zu Boden gedrückt, von entweder herzlosen oder inkompetenten Verantwortlichen - oder am Ende sogar von beidem zusammen.
Denn mit dem Ballast der finanziellen Schieflage ist es so gut wie unmöglich, dass Hertha direkt wieder aufsteigt. Wie denn? Die Not zwingt zu einer fast rituellen Auskehr: den Kader ausdünnen und dann verstärkt auf die Akademie, also den Nachwuchs setzen. Das hat Präsident Kay Bernstein ja bereits angekündigt. Aber den jungen Burschen wird man kaum zutrauen dürfen, dass sie die brutale zweite Liga meistern. Der Unterbau und zukünftige Aufbau in allen Ehren, es deutet sich jedoch nicht das Potenzial an, dass der ersten Mannschaft spontan Flügel wachsen.
Und wer weiß, vielleicht wird es gar nicht die zweite Liga, sondern es geht noch tiefer - wenn Hertha nämlich keine Lizenz bekommt. Und das nach einer Finanz-Spritze von rund 350 Millionen Euro. Wie unglaublich ist das? Und es wird nicht mal jemand grundlegend zur Rechenschaft gezogen. Denn juristisch hat sich niemand was zu Schulden kommen lassen. Geld verpulvern ist nicht verboten.
Aber vielleicht muss man die Vergangenheit ruhen lassen. Allerdings fürchte ich, es gibt keine Zukunft. Denn diese Blau-Weißen haben so viel kaputt gemacht, dass sich der Verein trotz seiner Tausenden von Mitgliedern nicht mehr erholen wird. Zumal auch der Hintergrund fehlt - oder wer soll kompetent den Verein führen? Eine Geschäftsführung mit Plan, Idee und Vision und Sach-Kompetenz ist nicht erkennbar. Viel eher ist der ausgerufene "Berliner Weg" Flickschusterei.
Der siebte Abstieg der Vereinsgeschichte ist das eine - der angerichtete Schaden, auch der Image-Verlust, das andere. Denn der ist so grundlegend, dass Hertha ein Schicksal droht wie Rot-Weiß Essen oder Alemannia Aachen oder sonstwem, der mal für Tradition stand und sich dann praktisch in Luft aufgelöst hat.
Ein Fan als Präsident mit seinen hochgekrämpelten Ärmeln ist zwar ein Hoffnungsschimmer - für die innere Reinigung und das grundsätzliche Anpacken; aber der gute Kay Bernstein stößt schon jetzt an seine Grenzen. Der Mann mag als Prophet durchgehen, Berge versetzen kann er nicht.
Berlin ist jetzt Union. Das gönne ich den Eisernen - weine aber trotzdem, denn Fußball geht tief. Hertha ist weg. Traurig. Echt.
Sendung: rbb Spezial 'Hertha BSC steigt ab', 20.05.2023, 20:15 Uhr
Beitrag von Guido Ringel
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