Interview | Ex-Hertha-Manager Michael Preetz
Lange Jahre war Michael Preetz bei Hertha BSC aktiv - erst als Spieler, später als Geschäftsführer. In einem neuen rbb-Film spricht er über die schwierigen letzten Jahre, Lars Windhorst und Jürgen Klinsmann, Kritik an sich selbst und seine Entlassung.
Der Film "Wilde Jahre in Westend: Der Abstieg von Hertha BSC" widmet sich den komplizierten vergangenen Hertha-Jahren, die nun im Abstieg in die 2. Bundesliga ihren Höhepunkt fanden. Der aktuelle Präsident Kay Bernstein kommt in der Dokumentation ebenso exklusiv zu Wort wie ein langjähriger sportlicher Geschäftsführer: Michael Preetz. Der Autor der Dokumentation, Christian Dexne, traf ihn vor einigen Tagen - noch bevor Herthas Abstieg endgültig besiegelt war - zum Interview.
rbb|24: Herr Preetz, gut zwei Jahre ist es her, dass Sie als Geschäftsführer von Hertha BSC entlassen wurden. Dem voraus ging eine Zeit, in der sich heftige Kritik auf Ex-Trainer Bruno Labbadia, Investor Lars Windhorst und Sie verteilte. Wie haben das damals erlebt?
Michael Preetz: Wenn man in diesem Job arbeitet, und ich habe das zu diesem Zeitpunkt schon 35 Jahre gemacht, kann man mit diesem Druck schon ganz gut umgehen. Mir ging es viel mehr darum, dass wir etwas erreichen wollten, was einmalig hätte werden können. Das ist, was mir am meisten weh getan hat. Meine Arbeit hier nicht zum Abschluss bringen zu können. Ich war total überzeugt von dem Weg, den wir gegangen sind. Die sportliche Entwicklung mit Bruno ging nicht schnell genug, trotzdem bin ich mir sicher, dass sich Entwicklung eingestellt hätte und wir noch einen erfolgreichen Weg hätten gehen können. Das tat mir viel mehr weh als die 150 Menschen, die auf den Vorplatz des Olympiastadions marschiert sind.
Anderthalb Jahre zuvor, im Sommer 2019, war Investor Windhorst viel Geld in den Verein gekommen. Was hatte sich dadurch verändert?
Man muss sich erinnern, dass wir uns damals - durch viele stabile Jahre hintereinander zwei Qualifikationen für das europäische Geschäft und durch eine herausragende Nachwuchsarbeit - erst in die Situation gebracht haben, dass wir diese Gespräche führen konnten. Wenn man so einen Weg gemeinsam geht, dann braucht man eine klare Verständigung über den Weg, das Ziel und das Miteinander. Man muss zu jeder Zeit eine Kommunikation etablieren, die in die gleiche Richtung gerichtet ist. Das ist uns, aus Sicht der Verantwortlichen, leider nicht gelungen. Es ist zu keiner Zeit gelungen, eine stabile Kommunikation mit dem Investor aufzubauen.
Wie schwer war es, die Balance zu halten zwischen sicherlich gewollter Aufbruchsstimmung und gleichzeitig ungewollt überbordender Euphorie und neuer Erwartungshaltung?
Wir haben uns in den stabilen Jahren dadurch ausgezeichnet, dass wir gerade die Erwartungshaltung in einer Großstadt wie Berlin ganz gut managen konnten. Die Erwartungshaltung war außen immer ein bisschen größer als innen. Meine Beobachtung war, dass mit dem Einstieg des Investors die Erwartungshaltung innen plötzlich auch sehr hoch war. Es hat die Idee vorgeherrscht, dass man sehr, sehr schnell das internationale Geschäft erreichen muss. Das hat das Arbeiten sicher nicht einfacher gemacht.
Am 27. November 2019 wurde Jürgen Klinsmann Trainer. Er löste Ante Covic ab. Wie bewerten Sie die Entscheidung, ihn zum Chefcoach zu machen?
Im Nachhinein ist es - glaube ich - ziemlich einfach. Zunächst stand die Entscheidung, dass sich der Investor für Jürgen Klinsmann als sportlichen Berater entschieden hat. Er war also schon involviert. Wir haben uns innerhalb der Saison für einen Trainerwechsel entschieden. Wir wollten ihn zu diesem Zeitpunkt auch stärker in den Verein einbinden. Das haben wir gemacht und ihn damit betraut, die Mannschaft bis zum Ende der Saison zu betreuen. Zu diesem Zeitpunkt konnte keiner davon ausgehen, dass diese Zusammenarbeit keine sechs bis sieben Wochen dauern wird.
Wie sehen Sie Klinsmanns Abgang aus heutiger Sicht?
Er hat es immerhin geschafft, morgens um neun Uhr bei mir ins Büro zu kommen und zu sagen: "So, ich bin dann mal weg." Er hat sich kurz verabschiedet, war noch bei meiner Assistentin und hat sie umarmt. Ich glaube, sie hat in diesem Moment überhaupt nicht verstanden, was da passiert. Es war ja auch schwer zu verstehen. Es ist ein bis heute einmaliger Vorgang in der Bundesliga. Das war irgendwas zwischen verantwortungslos, charakterschwach und feige.
Welchen Einfluss hatte dieser Zeitraum mit den teuren Einkäufen und dem Klinsmann-Rücktritt auf die Jahre danach?
Grundsätzlich hat Klinsmann eine Machtfülle für sich beansprucht - gedeckelt durch den Investor - die ihn keiner im Verein einräumen wollte. Daraus ist ein Problem entstanden. Am Anfang stand der Abschluss des Deals mit dem Investor, dann folgte die erste Investitionsphase, die wir getätigt haben und sechs bis acht Wochen danach kam Corona. Das hat natürlich alles, was wir in den nächsten Wochen als Veränderungen vorhatten, deutlich erschwert.
Haben Sie in der Winterpause mit Klinsmann zu viel Geld ausgegeben?
Rückblickend muss man klar sagen, dass wir sicherlich besser gefahren wären, wenn wir in diesem Winter ein bisschen behutsamer vorgegangen wären.
Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf Ihre Arbeit?
Es hat uns in den Transferfragen besonders schwer getroffen, weil wir zu dem Zeitpunkt auf dem Transfermarkt eine Hochpreisphase hatten. Jeder wusste, dass wir Geld haben. Wir wollten und mussten zu diesem Zeitpunkt auch in die Mannschaft investieren. Dann kam die Corona-Pause, die quasi alles auf null geschaltet hat. Das hat einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Klubs gehabt. Aber natürlich nicht größer als bei anderen Klubs, sondern in einem ähnlich großen Umfang. Das Corona-Minusgeschäft in diesem Jahr war eklatant, aber so war es bei anderen Klubs auch.
Warum kam die Mannschaft in der Saison danach unter Labbadia nie so richtig in Schwung?
Wir haben uns im Sommer zu einem relativ großen Umbruch entschieden. Den haben wir auch machen müssen, weil viele Leistungsträger aufgrund ihres Alters vor dem Karriereende standen. Vedad Ibisevic, Pjer Skjelbred, um nur einige zu nennen. Ein Umbruch braucht in jeder Phase ein bisschen Zeit und Geduld. Eine Geduld, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr da war. Eines darf man nicht vergessen: Bruno ist hier während der Corona-Pandemie angekommen und hat mit zwei Leuten oder ganz kleinen Gruppen trainiert. Wir konnten zu keinem Zeitpunkt teambildende Maßnahmen machen. Das hat halt ein bisschen länger gedauert, aber die sportliche Entwicklung hätte auch schneller gehen dürfen, keine Frage. Für mich war klar, dass wir dieser Entwicklung Raum und Zeit geben werden. Nur ist am Ende dieser Raum nicht mehr eingeräumt worden.
Nach einer Heimniederlage gegen Bremen wurden Bruno Labbadia und Sie entlassen. Haben Sie die Entlassung kommen sehen?
Es gab in dieser Zeit schon Hinweise, dass dieses Zusammenstehen der Entscheidungsträger, was uns jahrelang ausgezeichnet hatte, so ein bisschen gebröckelt hat. Das konnte ich schon kommen sehen.
Fast 26 Jahre Hertha BSC gingen damit zu Ende, ungefähr ihr halbes Leben. Wie lange hat es gedauert, die Entlassung zu verarbeiten?
Ich habe einen Tag nach meinem Ausscheiden die erste Anfrage für einen neuen Job bekommen. Denen habe ich gesagt, dass das unmöglich ist. Ich musste mir Zeit nehmen, diese 25 Jahre Hertha BSC zu verarbeiten und sie auch ein Stück weit hinter mir zu lassen. Ich kann nirgendwo mit vollem Elan anfangen, wo der Rucksack an Erfahrung und Gepäck noch so groß und schwer ist und noch nicht ausgeräumt und verarbeitet. Deswegen hat es schon eine ganze Weile gebraucht. Ich würde sagen, sicherlich ein gutes Jahr, bis ich das alles auch für mich sortiert hatte. Das war dann auch der Zeitraum, wo ich gesagt habe, jetzt kann ich nicht nur darüber reden, sondern bin auch bereit für eine neue Aufgabe.
Sendung: Wilde Jahre in Westend, 21.05.2023, 20:15 Uhr
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