Interview | Fan-Anwalt über Verbandsstrafen im Fußball
Die Geldstrafen der Sportgerichte im deutschen Fußball wollen streng genommen gar keine Geldstrafen sein. Anwalt René Lau erklärt im Interview, warum das nicht sein kann und weshalb der DFB sich eigentlich selbst zur Kasse bitten müsste.
rbb|24: René Lau, als Anwalt vertreten Sie häufig Fan-Interessen, gerade auch wenn es um Geldstrafen gegen Vereine geht. Wie bewerten Sie die Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs, dass es sich bei einer "Geldstrafe nicht um eine Strafe oder strafähnliche Sanktion handelt, sondern um eine reine Präventivmaßnahme" handelt?
René Lau: Das ist genau die Begründung, die auch die Verbände seit Jahren geben. Sie schreiben in ihre Urteile, dass jemand eine Geldstrafe von x Euro bekommt, offiziell aber heißt es, das ist keine Strafe.
Sie halten das für Unsinn.
Die Strafen spricht der DFB ja nicht präventiv aus, etwa weil er sagt: Da könnte etwas passieren, wir geben dem Verein erst mal Zehntausend Euro drauf, damit sie merken, sie müssen etwas machen. Sondern dann, wenn etwas passiert ist. Und was ist es dann anderes als eine Bestrafung?
Sie klingen frustriert.
Meine Hoffnung war immer, dass die Sache mal vor ein ordentliches Gericht kommt, dass es mal jemand durchzieht und dann ein Richter an einem ordentlichen Gericht zum DFB sagt: So geht’s nicht. So ist es aber leider nicht gekommen. Jena ist ja den gesamten Instanzen-Weg gegangen. Bis zum DFB-Bundesgericht. An ein ordentliches Gericht in Frankfurt/Main. An den Bundesgerichtshof. Alle haben die Sichtweise des DFB bestätigt.
Jena hat sogar Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Allerdings ist diese Beschwerde gar nicht erst angenommen worden.
Für uns als Sportrechtler, Anwälte und Fußballfans ist das natürlich höchst unbefriedigend, weil die Begründung vom BGH, die ist juristisch dünne. Sie fußt im Wesentlichen auf der Argumentation der Verbände, ohne sich mit den Einzelheiten auseinander zu setzen. Wenn gesagt wird, das ist keine Strafe, sondern wir wollen die Vereine und Fans anhalten, dass so etwas zukünftig nicht mehr passiert, dann frage ich natürlich immer: Was sollen die Vereine denn machen?
Das war im Wesentlichen auch die Argumentations-Linie von Carl-Zeiss.
Jena hat gesagt, wir halten das für verkapptes Strafrecht und dabei kann es keine Strafe ohne Schuld geben. Und wir haben keine Schuld, weil wir alles Erforderliche gemacht haben, was uns als Verein zur Verfügung steht. Mit Kontrollen am Einlass, mit der Durchsuchung des Stadion-Geländes. Jena sagte: Mehr können wir nicht machen. Und trotzdem ist es passiert. Und sie können ja auch in der normalen Gesellschaft alles tun, was in ihrer Macht steht, als Staat, als Polizei, um Straftaten zu verhindern. Sie werden es aber nie zu 100 Prozent schaffen. Das geht gar nicht. Und genauso ist es im Stadion auch. Das ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Und wenn jemand etwas machen will, wird er Wege und Mittel finden, es durchzusetzen.
Sind die Vereine wirklich so chancenlos?
Bei den Veranstaltungen des DFB brennt es doch ebenso lichterloh. Beim DFB-Pokalfinale etwa. Sie kriegen es ja selbst nicht in den Griff. Und dann darf doch mal fragen: Wenn ihr das bei euren eigenen Veranstaltungen nicht hinkriegt, was mutet ihr denn dann den Vereinen zu? Das ist die große Frage. Und die wird ihnen beim DFB, bei den großen Verbänden, niemand beantworten.
Auch Vereine, deren Auswärtsfans sich nach Ansicht des DFB unsportlich verhalten, werden zur Kasse gebeten. Dabei haben die ja nicht einmal die Möglichkeit, im fremden Stadion Kontrollen durchzuführen. Ist das juristisch sauber?
Früher war es so, dass in der Regel der Heimverein bluten musste, weil gesagt wurde: Du hast nicht richtig kontrolliert. Heute ist es aber so, da gibt es nichts gegen zu sagen, das ist absolut herrschende Rechtssprechung des internationalen Sportgerichtshof CAS, dass der Verein bestraft wird, dem das Verhalten der Zuschauer zuzurechnen ist.
Wie stehen Sie zur Regelung, dass die Ermittlung der Täter durch die Vereine zu geringeren Strafen führt?
Ich vertrete neben vielen Fans auch Vereine. Vor allem wegen Pyro-Geschichten und sowohl gegen den DFB als auch die Regionalverbände. In meiner persönlichen Praxis ist es noch nie vorgekommen, dass ein Verein einen Täter ermittelt hat und den dann dem Verband mitgeteilt hat.
Warum ist das so?
Ein Verein, auch wenn es Bayern München ist, kann sich nicht damit beschäftigen herauszufinden: Wer war das jetzt da auf dem Zaun? Wie soll er das auch herausfinden? Dafür gibt es Ermittlungsbehörden. Wenn es aber denen schon nicht gelingt, die Täter zu ermitteln, dann frage ich mich, wie es denn einem Verein möglich sein soll?
Die Argumentation der Polizei lautet dann oft, die Vereine würde die verantwortlichen Fans schon kennen.
Wenn ich mir zum Beispiel die Süd-Tribüne in Dortmund vorstelle. Da stehen 25.000 Leute. Wie kommt man da darauf zu sagen: Ihr kennt doch eure Pappenheimer? Und auch ein kleiner Regionalliga-Verein mit seinen 400 Heim-Fans, auch die kennen sie nicht alle. Das ist also wirklich Unsinn. Und weder ist die Logistik der Vereine darauf ausgelegt noch ist es ihre Aufgabe, solche Ermittlungen anzugehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde geführt von Ilja Behnisch.
Sendung: rbb24 Inforadio, 31.05.2023, 19:15 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen