Ex-Cottbuser Tim Kleindienst im Interview
Der gebürtige Jüterboger Tim Kleindienst steht mit Heidenheim vor einem Aufstieg in die Bundesliga. Im Interview spricht der Toptorjäger der 2. Liga über seinen Werdegang, die Entwicklung von Energie Cottbus und ein Vorbild für den FCH: Union.
rbb|24: Herr Kleindienst, nehmen Sie uns mal mit: Wie ist gerade die Stimmung beim 1. FC Heidenheim, so kurz vor dem möglichen Aufstieg in die 1. Bundesliga? Gelöst - oder spürt man den Druck, weil es eine historische Chance für den Verein ist, erstmals den Bundesliga-Aufstieg zu schaffen?
Tim Kleindienst: Druck spürt man immer, das ist im Fußball normal. Ich versuche aber, mich von dem Druck zu lösen. Unsere Situation ist etwas Schönes, etwas Gutes, das soll Spaß machen. Eine gewisse Nervosität ist normal – auch in den noch anstehenden Spielen. Wir haben aber ein Ziel vor Augen, das durchweg positiv ist.
Was würde Ihnen der Aufstieg persönlich bedeuten?
Ich bin ja schon einmal aus der 2. in die 1. Bundesliga aufgestiegen, damals (im Jahr 2016, Anm. d. Red.) mit dem SC Freiburg. Trotzdem ist es jetzt anders, weil mein Anteil diesmal ein ganz anderer wäre. In Freiburg habe ich nur wenige Spiele gemacht, da ich den Rest der Saison leider verletzungsbedingt verpasst habe. Deswegen wäre ein Aufstieg diesmal etwas Besonderes. Ein Aufstieg ist einfach immer ein Highlight! Davon kann man als Spieler einer Mannschaftssportart gar nicht genug bekommen. Es ist eben nichts Alltägliches, ins Oberhaus aufzusteigen.
Gibt es etwas, auf das Sie sich – im Falle eines Aufstiegs – ganz besonders freuen würden?
Man freut sich auf das Gesamtpaket Bundesliga und hätte die Chance, sich mit Spielern und Mannschaften zu messen, die zu den besten der Welt gehören. Die Möglichkeit, in der höchsten deutschen Liga zu spielen, muss Anreiz genug sein. Dafür haben wir doch alle mal mit dem Fußballspielen angefangen.
Mit 24 Saisontoren ist Ihnen die Torjägerkanone der 2. Liga fast nicht mehr zu nehmen. Dass sie ein guter Stürmer sind, war vielen Fachleuten klar. Aber dass der Knoten so aufgeht in dieser Saison: Kam das für Sie auch ein wenig überraschend?
Es gehört viel dazu, dass das so funktioniert. Wir gehören diese Saison zu den offensivstärksten Mannschaften, das war in Heidenheim sonst eher nicht so. Das ist also etwas, was wir uns als ganze Mannschaft erarbeitet haben. Ich bin mit 24 Toren zwar der, der oft genannt wird, aber da gehört wirklich die ganze Mannschaft dazu. Mit Spielern wie Jan-Niklas Beste oder Florian Pick haben wir unfassbar gute Vorlagengeber im Team. Pick hat bis jetzt sieben Vorlagen gegeben, ich glaube, alle davon auf mich. Das ist also ein Mannschaftsverdienst. Und ein Quäntchen Glück gehört auch immer dazu.
Wie groß ist der Anteil, den Trainer Frank Schmidt am Höhenflug des FCH hat?
Der Trainer ist quasi der Verein (lacht). Er ist schon so lange da, er weiß genau, wie es läuft. Egal, welche Mannschaft er an die Hand bekommen hat, ist es ihm immer gelungen, sich in den jeweiligen Ligen zu etablieren und den maximalen Erfolg herauszuholen. Frank ist ein unfassbar guter Trainer, der weiß, wie es funktioniert und genau darauf schaut, wie seine Spieler sich verhalten. Besonders großen Wert legt er auf Disziplin – da tanz niemand aus der Reihe. Schon bei Transfers wird darauf geachtet, dass Spieler vom Charakter in die Mannschaft passen.
Bei Ihrer ersten Bundesligastation in Freiburg hatten Sie es nicht ganz einfach. Sie waren länger verletzt, hatten mit Nils Petersen - einem Ex-Cottbuser - harte Konkurrenz im Sturm. Brauchte es in Ihrer Karriere auch diesen Knick, um zu dem Stürmer zu reifen, der Sie heute sind?
Natürlich freut es mich für jeden, bei dem die Entwicklung nur in eine Richtung geht. Ich glaube aber, dass das im Fußball nur selten der Fall ist. Man muss immer wieder mit Widerständen zurechtkommen. Ich habe mich mit Nils in Freiburg super verstanden. Vorranging hatte ich in Freiburg Verletzungspech, sodass ich nie wirklich in einen Rhythmus gekommen bin, um angreifen zu können. Es war immer irgendwas. Die Leihe nach Heidenheim (im Sommer 2016, Anm. d. Red.) war dann ein guter Schritt, um Spielpraxis zu bekommen. Der Wechsel nach Gent (im Sommer 2020, Anm. d. Red.) war eher eine Negativerfahrung, aber selbst diese sind für Fußballer manchmal enorm wichtig, um weiter zu reifen.
Vom KAA Gent, für den Sie sogar in der Europa League aufgelaufen sind, sind Sie dann im Sommer 2021 zurück nach Heidenheim gewechselt. Auf den ersten Blick ein Rückschritt. Warum haben Sie sich zu dieser Zeit wieder für Heidenheim entschieden?
Die Corona-Pandemie hatte natürlich großen Einfluss auf den Wechsel. Die wirtschaftliche Situation hat sich dadurch ja bei allen Vereinen verschärft. Mit Holger Sanwald (Vorstandsvorsitzender des 1. FC Heidenheim, Anm. d. Red.) und Frank Schmidt stand ich sowieso die ganze Zeit in Kontakt. Als dann die Möglichkeit aufkam, nach Heidenheim zurückzuwechseln, war für mich schnell klar, dass ich das machen möchte. Ich wusste, was ich an Heidenheim habe. Umso schöner ist es, dass es dann auch direkt gut lief.
Sie wurden im brandenburgischen Jüterbog geboren, sind 2008 zu Energie Cottbus gewechselt und wurden dort Profi. Wie eng ist Ihre Verbundenheit zu Energie bis heute?
Ich verfolge jedes Spiel von Energie. Ich hoffe, dass sie diese Saison den Aufstieg (in die 3. Liga, Anm. d. Red.) packen! Das würde mich wahnsinnig für den Verein freuen. Selbst bei einem Spiel im Stadion war ich schon länger nicht mehr; das ist im laufenden Spielbetrieb einfach zu schwierig und dafür sind die Wege zu weit. Der Verein ist aber ein Teil von mir und das wird auch immer so bleiben. Daher verfolge ich natürlich, was mit dem Verein passiert und wie er sich entwickelt.
Der 1. FC Union Berlin schreibt eine ähnliche Erfolgsgeschichte in der 1. Liga wie Heidenheim in der 2. Liga. Erst im Oktober vergangenen Jahres waren sie mit dem FCH im DFB-Pokal an der Alten Försterei zu Gast, das Spiel ging für Ihre Mannschaft zwar mit 0:2 verloren...
(lacht und unterbricht) An das Spiel kann ich mich leider noch sehr gut erinnern, weil wir da absolut gar keine Chance hatten. So etwas bleibt im Gedächtnis. Zu dem Zeitpunkt war Union sogar Tabellenerster in der Bundesliga. Ich kenne das Stadion auch noch aus meiner Jugend, war als kleiner Junge oft dort, um die Spiele zu gucken. Es freut mich für Union sehr, dass sie sich so gut entwickelt haben und jetzt so weit oben in der Bundesliga stehen. Das zeigt, was möglich ist!
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Fabian Friedmann, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 18.05.2023, 21:45 Uhr
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