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Video: rbb24 | 17.05.2023 | Torsten Michels | Quelle: IMAGO/Bild13

Interview | Cottbus-Trainer Claus-Dieter Wollitz

"Die Leute hier lechzen nach dem Aufstieg, sie warten darauf"

Mit Energie Cottbus steht Claus-Dieter Wollitz kurz vor der Regionalliga-Meisterschaft und der Aufstiegsrunde zur 3. Liga. Ein Gespräch über Zuschauerrekorde, Sehnsüchte in der Lausitz, Energies Entwicklung und Wut auf den DFB.

rbb|24: Herr Wollitz, mit einem Sieg gegen Erfurt hätten Sie am letzten Wochenende die Meisterschaft perfekt machen können. Die zweite Chance bietet sich jetzt gegen den SV Babelsberg. Wie gut ist Ihre Ausgangslage?

Claus-Dieter Wollitz: Ich kann nur sagen, dass wir den Sack letztes Wochenende wirklich zu machen wollten – auch, weil wir dann jetzt weniger Druck hätten. Dieser Druck ist nämlich nach wie vor enorm! Natürlich bist du zwei Spiele vor Schluss lieber vier Punkte vor als vier Punkte zurück, aber gleichzeitig birgt das auch Gefahren. Das Spiel am Sonntag ist nicht weniger ein Brett als die vergangenen. Das ist ein 50/50-Spiel, in dem es auf Nuancen ankommen wird.

1:1 gegen Erfurt vor Rekordkulisse

Energie Cottbus vertagt Entscheidung um die Meisterschaft

Energie Cottbus hat seine erste Chance auf eine vorzeitige Regionalliga-Nordost-Meisterschaft verpasst. 1:1 endete das Spitzenspiel gegen Erfurt in Cottbus. In einer hitzigen Schlussphase kam Energie spät zum Ausgleich, hat aber weiterhin beste Chancen auf die Meisterschaft.

Das Spiel gegen Erfurt vergangenes Wochenende war auch atmosphärisch ein Highlight. Erwarten Sie diesen Sonntag Ähnliches?

Es wäre schön, wenn wir nochmal eine gute Atmosphäre haben. Für das letzte Spiel ist Gänsehaut schon gar nicht mehr das richtige Wort. Wer da nicht dankbar und stolz ist, so etwas als Verantwortlicher begleiten zu können, ist fehl am Platz.

Die knapp 19.000 Zuschauer waren deutschlandweit die meisten in dieser Regionalliga-Saison. Sind sie auch ein Zeichen dafür, dass Energie Cottbus und auch das Stadion der Freundschaft zurück in die 3. Liga müssen?

Für mich ja. Das hat auch das Spiel im DFB-Pokal gegen Werder Bremen letztes Jahr gezeigt. Die Leute hier lechzen danach, sie warten darauf. Es muss dafür aber eben alles zusammenkommen. Die finanzielle Situation beispielsweise hat sich zwar stabilisiert, hat aber in den letzten Jahren viel Substanz gekostet – und hätten die Spieler in den Verhandlungen dafür nicht so viel Verständnis, wäre eine Saison wie die aktuelle nicht möglich. Wenn wir den Gehaltsdurchschnitt der Regionalliga betrachten, liegen wir da nicht im oberen Drittel.

Inwiefern hat in diesem Fall auch die Perspektive auf die 3. Liga Spieler nach Cottbus gelockt?

Das hat sie absolut. Wir haben viele Spieler mit guten Verträgen für den Fall eines Aufstiegs in die 3. Liga. Auf der anderen Seite stehen die Spieler hier extrem im Fokus, mit vielen Erwartungen an sie. Und wenn sie sich unter diesen Bedingungen entwickeln und beweisen, dann wissen auch viele andere, dass sie für andere Aufgaben bereit sind. Wir selbst können schließlich keine langfristigen Verträge abschließen, weil wir nicht wissen, in welcher Liga wir in drei Jahren spielen und was dann finanziell möglich ist. Umso schöner ist, dass wir mit der LEAG jetzt einen neuen Trikot- und Hauptsponsor haben – das ist ein Zeichen für den ganzen Verein.

Könnte ihr Verein auch vor diesem Hintergrund, gepaart mit der angesprochenen Euphorie relativ entspannt in die 3. Liga gehen?

Unsere Überzeugung ist absolut da. Wir haben eine starke Identität, eine extreme Leidenschaft und eine geschlossene Einheit. Wir haben nicht nur Visionen, sondern auch eine Strategie, und das sieht man. Genauso sieht man, was für Kräfte es freisetzen kann, wenn die Fans hinter der Mannschaft stehen und man Spieler verpflichtet, die sich mit einem Verein wie unserem identifizieren.

Sie haben es geschafft, diese Spieler zu einer Mannschaft zu formen, die nun um den Aufstieg mitspielt. Ist es auch ein Kader, mit dem Sie in der 3. Liga weiterarbeiten würden?

Wir haben einen jungen Torwart, der sein erstes Jahr im Männerbereich spielt und das sehr ordentlich macht. Auch unsere Verteidigung mitsamt dem Kapitän (Axel Borgmann, Anm. d. Red.) und Tobias Hasse ist sehr ordentlich. Tobias Eisenhuth ist 22 Jahre alt und kommt aus dem eigenen Nachwuchs. Maximilian Oesterhelweg hat viel im Fußball gesehen und Eric Hottmann ist ein fantastischer Spieler. Dazu Malcolm Badu, Jan Shcherbakovski und Arnel Kujovic – die sind alle jung und werden sich noch eine Vita erarbeiten. Die Balance ist also da und die Basis ist mehr als gelegt, kann aber natürlich noch erweitert werden. Da hat der Standort Cottbus mittlerweile auch wieder eine andere Position als noch vor einigen Jahren – auch, weil die Verantwortlichen hier richtig was aufgebaut haben.

Sind die 19.000 Zuschauer aus dem Spiel gegen Erfurt auch hierfür ein Beleg?

Die bestätigen das und zeigen, dass unsere Zuschauer sehen, wie sehr wir uns mit der Region identifizieren. Sie bestätigen auch, dass die Regionalliga Nordost, inklusive des Standorts Cottbus, unfassbar attraktiv und interessant ist. Wenn du gegen Jena spielst, gegen Chemnitz, gegen den BFC oder Erfurt, dann sind das mehr als typische Regionalligaspiele. Wenn du in dieser Liga nach 34 Spielen Erster wirst, dann hast du richtig was erreicht. Wenn du das dann auch noch veredeln kannst, wäre das wunderschön.

Hierfür bräuchte es erst die Meisterschaft, dann eine erfolgreiche Aufstiegsrunde…

Es ist ein Unding, dass einige Verbände direkte Aufsteiger stellen und einige nicht. Man muss sich fremdschämen, wenn ein Verband wie der DFB das zulässt und gleichzeitig für Respekt wirbt. Wo ist der Respekt gegenüber den Regionalligisten, die nach 34 Spielen Meister werden und trotzdem in eine Relegation müssen? Respekt ist etwas anderes. Wenn diese Regelung nicht schnellstmöglich abgeschafft wird, macht der DFB den Unterbau der Profiligen kaputt, statt ihn zu stärken und zu stabilisieren.

Gäbe es denn einen Wettbewerbsnachteil, selbst dann, wenn der Aufstieg gelingt?

Am 11. Juni wäre das Rückspiel der Aufstiegsrunde, am 23. Juni sind die ersten medizinischen Untersuchungen zur neuen Saison – auch das ist keine Fairness. Es beweist nullkommanull Gefühl für die Entwicklung der Vereine in der Aufstiegsrunde und deren Spieler. Entweder du stockst die 3. Liga auf, hast fünf Auf- und Absteiger, oder aber alle Regionalligen müssen eine Relegation spielen.

Nächste Saison stellt die Regionalliga Nordost einen direkten Aufsteiger. Wie wichtig wäre es für Energie Cottbus vor diesem Hintergrund, schon in dieser Saison den Sprung in die 3. Liga zu schaffen?

Äußert wichtig. Nächste Saison wird es ein Hauen und Stechen im positivsten Sinne geben, bei dem jeder versuchen wird, Erster zu werden. Zusätzlich wäre für uns genau jetzt der richtige Moment für den Aufstieg. Mit der Entwicklung der letzten Jahre und dem Wissen um die Fehler von 2018 bin ich sehr zuversichtlich, dass wir nächste Saison in der 3. Liga die Klasse halten könnten. Das ist natürlich erst der dritte Schritt, aber diesen Traum leben wir zusammen mit dieser Region.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wollitz.

Das Interview führte Torsten Michels.

Sendung: rbb24, 20.05.2023, 18 Uhr

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