Hans Lindberg auf Rekordjagd
Hans Lindberg bleibt den Füchsen erhalten und geht weiter auf Rekordjagd in der Handball-Bundesliga. Dabei wurde die zuletzt erfolgte Vertragsverlängerung des 41-jährigen dänischen Weltmeisters buchstäblich in letzter Sekunde vollzogen. Von Fabian Friedmann
Der Hand geht es gut. Das ist in diesen Tagen die wichtigste Nachricht für Hans Lindberg. Mitte Februar spielt der Rechtsaußen mit seinen Füchsen Berlin in der European League beim spanischen Team CD Bidasoa Irun. Lindberg macht ein gutes Spiel, verwandelt vier seiner fünf Würfe. Nach dem 40:32-Auswärtssieg scheint alles in bester Ordnung zu sein, im Teamhotel wird auf den Gruppensieg mit Kaltgetränken angestoßen. Dann kommt es zum Unglück: Lindberg bricht sich bei einem Sturz die rechte Hand. Zum Glück nur die rechte Hand, muss man sagen, denn Lindberg ist Linkshänder.
Was folgt, sind zwei harte Monate der Reha für den dänischen Nationalspieler. "Ich habe vermisst, Handball zu spielen. Es ist das, was ich liebe. Wenn man verletzt ist, fühlt man sich immer etwas allein. Denn die Mannschaft hat ja weitergespielt", sagt Lindberg im Interview mit rbb|24.
Für die Mannschaft wird mit Robert Weber kurzfristig ein weiterer, erfahrener Außenspieler zu den Füchsen geholt, um die Lücke zu schließen, die Lindbergs Verletzung hinterlassen hat. Und die Aussichten scheinen düster für den Dänen, seine Ziele in Gefahr: der Gewinn seiner ersten Deutschen Meisterschaft mit den Füchsen, der Titel in der European League und das Aufstellen eines neuen Bundesliga-Torrekords.
Dabei ist zum Zeitpunkt des Handbruchs die wichtigste Entscheidung für die sportliche Zukunft für den 41-jährigen Routinier bereits gefallen: die Vertragsverlängerung bei den Berlinern um ein weiteres Jahr. Allerdings hält der Verein diese Kehrtwende in der Personalie Lindberg über drei Monate eisern unter Verschluss – bis zum Heimspiel gegen die Rhein Neckar Löwen am 23. April.
Vor dem Spiel taucht auf der Webseite des Vereins plötzlich die Meldung auf: Lindberg bleibt! Für die Öffentlichkeit zunächst völlig überraschend, hatten die Füchse doch im Oktober 2022 kleinlaut verkündet, mit ihrem dänischen Rechtsaußen und besten Torschützen der laufenden Saison nicht mehr verlängern zu wollen. Lindberg zeigte sich damals irritiert und enttäuscht von dieser Entscheidung. "Ich bin sehr überrascht darüber", sagte er über die drohende Trennung. Denn rein sportlich hatte es keinen Grund gegeben, auf ihn, den Weltklasse-Rechtsaußen, zu verzichten.
Noch im Sommer 2022 hatte der Verein mit ihm um ein Jahr verlängert. Füchse-Sportvorstand Stefan Kretzschmar lobte dabei seine "unfassbare Effektivität" und sagte über Lindberg: "Er ist wie guter Wein, ich habe das Gefühl, er wird jedes Jahr besser." Vier Monate später folgte Kretzschmars Kehrtwende: Lindberg muss gehen! Drei Monate später dann der erneute Richtungswechsel: Lindberg darf bleiben, nochmal ein Jahr Vertrag für einen, der seit sieben Jahren dem Verein die Treue hält. In der schnelllebigen Handball-Bundesliga eine durchaus lange Zeit.
Drei Gründe haben am Ende den Ausschlag für Lindberg gegeben. Zum einen wären da seine unbestrittenen, sportlichen Top-Leistungen. Selbst im stolzen Alter von 41 Jahren ist Lindberg in der Lage, diese noch regelmäßig abrufen zu können. Mit 62 verwandelten Siebenmetern und einer beachtlichen Quote von 83,8 Prozent steht er aktuell auf Platz 3 in dieser Bundesliga-Statistik – trotz zweimonatiger Verletzungspause.
Zum anderen ist da die schwere Verletzung des schwedischen Rechtsaußen Valter Chrintz. Dem 23-Jährigen gehört eigentlich die Zukunft auf dieser Position bei den Füchsen, vielleicht war auch er der Grund, weshalb mit Lindberg letztes Jahr nicht mehr verlängert werden sollte, weil man Chrintz mehr Einsatzzeiten geben wollte. Doch sein Kreuzbandriss bei der bitteren Niederlage in Minden Anfang November 2022 versetzen diesen Plänen von Trainer Jaron Siebert einen schweren Schlag.
Fortan wird Lindberg sportlich mehr denn je gebraucht und er zahlt dieses Vertrauen mit Spitzenleistungen zurück. Beim 28:22 gegen Leipzig Ende Dezember ist er mit 10 Toren bester Werfer seines Teams und überholt damit den früheren Flensburger Lars Christiansen in der ewigen HBL-Torschützenliste. Er rückt auf Platz 2 vor, nur noch wenige Tore trennen ihn vom ewigen Rekord des Koreaners Yoon Kyung-shin. Noch zögern die Füchse aber, weil ein weiteres Jahr mit Lindberg eben auch finanziert werden muss. Und da kommt Sponsor Axel Lange ins Spiel.
Der erfolgreiche Versicherungskaufmann Lange ist gleichzeitig Füchse-Beiratsmitglied. Er will die Hälfte des Gehalts für den dänischen Weltmeister übernehmen, sollte ein erneuter Einjahresvertrag zustande kommen. "Zuerst bin ich beim Vorstand und Aufsichtsrat mit meiner Idee, Lindberg doch zu halten, gegen Wände gelaufen. Aber ich habe gepoltert und gekämpft für Hans. Ich musste auch bei Bob Hanning ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten", sagte Lange zuletzt der BILD-Zeitung.
Manager Bob Hanning lässt sich erweichen und Mitte Januar ist die Vertragsverlängerung fix. Es zeigt die Verbundenheit Lindbergs mit dem Verein und der Stadt, als hätte er bis zuletzt auf dieses Angebot gewartet – der alte Fuchs. Heute sagt Lindberg über diesen Deal: "Ich freue mich riesig, weiter ein Teil dieser Mannschaft zu sein. Es war damals eine leichte Entscheidung für mich." Dabei kam die Unterschrift mit Lindberg buchstäblich in letzter Sekunde zustande, weil der Däne längst einem anderen Verein zugesagt hatte.
Nach Informationen der BILD soll Lindberg ein unterschriftsreifer Vertrag mit Handboldfællesskabet Ølstykke-Jyllinge (kurz HØJ) vorgelegen haben. Der Zweitligist aus Lindbergs Heimatregion will in die 1. Liga aufsteigen und der routinierte Rechtsaußen soll künftig bei diesem Unterfangen mithelfen. Doch dieser nächste Karriereabschnitt des Weltmeisters ist bis auf Weiteres vertagt. Er kommt wohl erst 2024 zustande.
Erst dann soll Schluss sein mit dem Füchse-Kapitel des Hans Lindberg in der Handball-Bundesliga. Welche Titel und Rekorde er dann mit nach Hause in die dänische Heimat nimmt, steht noch nicht fest. Möglich ist alles – oder nichts. Einer wie Hans Lindberg weiß aus leidvoller Erfahrung: Vieles kann sich ganz schnell ändern.
Am Mittwochabend steht für ihn das nächste Spiel im Fernduell um die Deutsche Meisterschaft mit dem punktgleichen THW Kiel an. Seine Füchse Berlin spielen dann gegen den TVB Stuttgart. Anpfiff ist um 19:05 Uhr - und Hans Lindberg wird dann vermutlich dem Tor-Rekord des Koreaners Yoon (2905 Treffer) wieder ein Stückchen näher kommen. Noch fehlen ihm 24 Tore.
Sendung: rbb24|Inforadio, 03.05.2023, 14:15 Uhr
Beitrag von Fabian Friedmann
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