Interview | Künstliche Intelligenz im Sport
Künstliche Intelligenz gewinnt in vielen Bereichen immer mehr an Bedeutung. Auch im Sport bietet sie viele neue Möglichkeiten, vor allem im Training. Allerdings bringt der Einsatz von KI auch Probleme mit sich, wie drei Forschende im Interview berichten.
rbb: Frau Bartaguiz, Herr Fröhlich, Herr Dindorf, Künstliche Intelligenz (KI) wird ein immer größeres Thema. Was fasziniert uns Menschen so sehr daran?
Michael Fröhlich: In den 1980er und 1990er Jahren gab es die erste große Welle im Bereich KI. Da war das alles aber noch sehr abstrakt für die Menschen. Durch die Chat-GPT-Diskussionen ist das Thema in den letzten drei oder vier Monaten groß geworden, auch für Personen, die vorher mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz nur wenig zu tun hatten. Das ist ein Anwendungsfeld, das gezeigt hat, was derzeit schon möglich ist und das KI eine Relevanz in nahezu allen Disziplinen hat. Zum Beispiel auch im Sport und der Sportwissenschaft.
In welchen Bereichen ist KI denn bereits jetzt Alltag im Sport?
Michael Fröhlich: Im Großteil der Vereine im Breitensport aber auch im kommerziellen Sport ist Künstliche Intelligenz noch nicht besonders verbreitet. Aber es gibt durchaus auch einige Bereiche, wo KI schon Einzug gehalten hat.
Carlo Dindorf: Zum Beispiel bei der sogenannten "Human Pose Estimation". Dabei geht es darum, biomechanische Parameter wie Gelenk- und Segmentwinkel aus Bild- und Videodaten herauszuziehen. Früher mussten dafür komplexe Messapparaturen verwendet werden, nun kann man diese aus Videoaufnahmen ziehen. Das hat eine hohe Relevanz, um Bewegungen zu optimieren, aber auch Verletzungen zu identifizieren oder die Leistungsfähigkeit von Spielern zu vergleichen und zu verbessern. Die Genauigkeit kommt zwar nicht an die Laborstandards ran, dafür ist es für Trainer und Sportler viel leichter verfügbar.
Eva Bartaguiz: Und im Fußball werden vor allem in England schon Trainer bei der strategischen und taktischen Entscheidungsfindung teilweise von Künstlicher Intelligenz unterstützt. Da geht es darum, wann welcher Spieler eingesetzt wird und welche Taktik während des Spiels angewendet werden sollte. Das geschieht über die Analyse von Spielerdaten.
Das klingt so, als bräuchte es in der Zukunft überhaupt keine echten Menschen an der Seitenlinie, oder wird die KI die Trainer und Strategen niemals völlig ersetzen können?
Michael Fröhlich: Das ist natürlich eine Frage, die die Sportwissenschaft diskutieren sollte. Aber es ist auch eine gesellschaftliche Frage. Denn wer trägt letztendlich die Verantwortung für Entscheidungen, die die KI trifft? Ich glaube, in unserem Gesellschaftssystem wird am Ende des Tages immer der Mensch die letzte Entscheidung treffen und auch die Konsequenzen tragen müssen. Wir können nicht den Algorithmen und den jeweiligen Lernansätzen die Verantwortung übertragen. Es muss also eine gesellschaftliche Diskussion darüber stattfinden, wo wir die Daten nutzen und wo wir vielleicht auch gewisse Regeln und Schutzmechanismen brauchen.
Wäre der Einsatz von KI auch auf dem Spielfeld denkbar? Spielen wir bald Tennis gegen Roboter oder tragen beim Joggen VR-Brillen?
Michael Fröhlich: Ich beobachte gerade ein virtuelles Format im Triathlon, wo Menschen in einer Sporthalle sich selbst als Avatar sehen und dann stationär Radfahren und auf dem Laufband laufen, um eine eingeblendete Wettkampfstrecke zu absolvieren. Das könnte man natürlich KI-gestützt weiterentwickeln, sodass man gegen einen virtuellen Avatar antritt, der zum Beispiel den aktuellen Weltmeister darstellt. Ich finde das spannend, aber auf der anderen Seite verliert der Sport dann auch so ein bisschen von seiner Genese und seiner Lebendigkeit. Denn Sport ist natürlich nicht nur irgendetwas im Virtuellen, sondern dort finden auch sehr viele Interaktionsprozesse, soziale Prozesse, Empathie und Fair Play statt und ich glaube, das können wir im Virtuellen aktuell noch nicht eins-zu-eins umsetzen.
In welchen sportlichen Anwendungsbereichen sehen Sie für Künstliche Intelligenz zukünftig das größte Potenzial?
Michael Fröhlich: Überall dort, wo große Industriekonzerne eine gewisse Power haben. Die werden Produkte generieren, wo wir dann quasi in einem virtuellen Raum neue Sportformate haben.
Eva Bartaguiz: Ich sehe auch Potenzial darin, verschiedene Dinge zu kombinieren. Zum Beispiel wenn man an Virtual und Augmented Reality denkt. Wenn man diese als Tool ins alltägliche Training integrieren würde, würde es natürlich auch Sinn machen, eine KI mit einzubinden. Dann würde es eine Mustererkennung in Erfolgen geben und das eigene Training würde ganz individuell angepasst werden.
Welche Probleme gibt es bei der Nutzung von KI im Sport derzeit noch?
Carlo Dindorf: Aktuell ist ein großes Problem, dass wir nicht ausreichend Daten für die KI haben. Trends und Verläufe von einzelnen Leistungsparametern stehen meist nur über wenige Sportler zur Verfügung. Das sind vielleicht nur einige hundert Personen. Deswegen wird sich KI erstmal da durchsetzen, wo eine ausreichende Datenbasis vorhanden ist. Dafür müsste es im Sport dazu kommen, dass die verschiedenen Institutionen die Daten gemeinsam und zentral sammeln, was aktuell noch nicht der Fall ist.
Michael Fröhlich: Die Vereine und Sportler sammeln und erheben die Daten für sich, aber ein richtiger Austausch findet nicht statt. Dass interdisziplinär medizinische Daten, Trainingsdaten, Erholungsdaten, Bilddaten und physiologische Parameter zusammengefügt werden, da stehen wir gerade noch am Anfang. Und eine große Herausforderung dabei wird auch der Datenschutz werden. Wem gehören die Daten? Wer darf die Daten auswählen? Für welche Zwecke dürfen diese Daten genutzt werden? Was passiert bei Datenmanipulation? All diese Fragen sind noch nicht so richtig geklärt.
Gibt es neben dem Datenschutz noch weitere Bedenken beim Einsatz von KI im Sportbereich?
Carlo Dindorf: Ein großes Problem von künstlicher Intelligenz ist der sogenannte Black Box Charakter. Es ist nicht durchsichtig, wie die Entscheidungen getroffen wurden. Meistens funktioniert es und die KI gibt eine Antwort ab, die zu den Vorstellungen des Trainers und der Spieler passt. Aber es gibt eben auch einige Fälle, wo das nicht so ist. Je komplexer die Modelle, desto schwieriger ist die Entscheidung nachzuvollziehen. Das ist eine große Gefahr und schwächt auch deutlich die Vertrauenswürdigkeit. Gerade im Sport kann eine falsche Entscheidung zum Beispiel zu Verletzungen führen. Es gibt aber bereits Methoden, um die KI-Modelle transparenter und erklärbarer zu machen.
Gibt es in einer Großstadt wie Berlin Standortvorteile beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz, oder kann man diese genauso gut in ländlichen Regionen in Brandenburg einsetzen?
Michael Fröhlich: Auch in unseren Handys sind Algorithmen drin, die bei der Trainingsdokumentation, der Trainingsgestaltung, beim Monotoring und bei Belastungsmodifikationen helfen können. Von daher kann man KI überall nutzen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 11.05.2023, 18 Uhr
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