Interview | TuS Makkabi-Trainer Wolfgang Sandhowe
Durch den Erfolg im Berliner Landespokal wird TuS Makkabi zum ersten jüdischen Verein im DFB-Pokal. Auch für Trainer-Routinier Wolfgang Sandhowe ist der Titel etwas Besonderes. Nur auf der Tanzfläche war eigentlich alles wie immer.
rbb|24: Wolfgang Sandhowe, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Berliner Landespokals mit TuS Makkabi! War es eine wilde Feier oder haben Sie das der Mannschaft überlassen?
Wolfgang Sandhowe: Bei mir darf man normalerweise keinen Alkohol trinken. Aber ich habe vor dem Finale zur Mannschaft gesagt: "Wir haben die ganze Saison über hart gearbeitet, dafür müsst ihr euch belohnen, Jungs. Und heute Abend nach dem Spiel, wenn wir gewinnen, dann saufen wir uns richtig einen!" Und das haben wir gemacht.
Und Sie mittendrin?
Mittendrin. Da bin ich voll mit dabei. Ich tanze und singe und schreie - alles. Auch wenn ich nicht mehr der Jüngste bin (69, Anm. d. Red.). Aber da kann ich noch mithalten.
Wie tanzt einer, dem lange Zeit seiner Karriere der Ruf des harten Hundes vorauseilte?
Den altdeutschen Stil. Ich höre die Musik und dann kommt das Gefühl. Als Student wurde ich als Eintänzer engagiert. Ich bin kein Tanz-Gelehrter, aber ich kann mich gut bewegen. Und die Jungs können sowieso tanzen, die sind geschmeidig. Das war total geil gestern Abend, das kann mir keiner nehmen.
Gut für Sie, dass Sie sich noch erinnern können …
Irgendwann ist auch mal Schluss.
Sie lachen.
Meine Frau hat mich mit nach Hause genommen. Und dann reichte es auch an Whiskey-Cola. Ich trinke selten, aber wenn, dann nur Whiskey-Cola. Wie mein Kumpel Hermann Gerland. Und gestern war der richtige Anlass. Glauben Sie mir, das war richtig schön.
Wie klang der Soundtrack des Abends?
Da gab es vor allem ein Lied: "Der Zug hat keine Bremse." (Von Mia Julia Brückner, Lorenz Büffel, Malle Anja, Anm. d. Red.) Das war so der Hit, habe ich den Eindruck.
Klingt, als würde es zur Pokal-Saison passen. Sie haben mal gesagt: "Ich setze mir immer Ziele. Und wenn diese mit einem Verein nicht zu erreichen sind, dann muss man sich einen neuen Verein suchen." Seien Sie ehrlich: War der Pokalsieg ein Ziel, dass Sie sich gesetzt hatten? Mit einem Oberligisten?
Ja. Ich habe meinem Präsidenten gesagt: Wenn wir etwas Losglück haben, können wir es bis ins Finale schaffen. Deshalb habe ich mir das zum Ziel gesetzt. Weil ich weiß, wie geil das ist. Ich stand 2018 mit dem Berliner SC im Finale. Und 1991 habe ich mit Türkiyemspor den Titel geholt.
Der größte Coup auf dem Weg zum Titel war der Halbfinal-Erfolg über Viktoria Berlin. Da war ihre Mannschaft der krasse Außenseiter. Im Finale gegen Sparta Lichtenberg hingegen galten sie als Favorit.
In der Kabine war eine Stimmung, als wenn das Feuer brennt. Sie können sich nicht vorstellen, wie die sich gegenseitig gepusht haben. Das kann man nicht glauben, wenn man es nicht erlebt hat. Das absolute Gegenteil zum Spiel gegen Viktoria. Bei der Besprechung hätten sie eine Stecknadel fallen hören. Vor dem Finale war das ganz anders. "Wir wollen den Pokal, kommt Jungs", und so weiter. Es war eine traumhafte Stimmung.
Häufig führt eine Favoriten-Rolle zur Blockade. Danach sah es zunächst auch im Finale gegen Sparta Lichtenberg aus. Nach 45 Minuten führte der Außenseiter mit 1:0.
In der Halbzeit habe ich zu den Jungs gesagt: 'Wir sind top fit. In der zweiten Halbzeit brechen die ein, Männer. Lasst uns weitermachen.' Und dann machen wir das 1:1. Da bin ich zur Bank von Sparta Lichtenberg gerannt und habe geschrien: "Jetzt fressen wir Euch auf!“ Habe ich die gelbe Karte für bekommen vom Schiri. Nehme ich natürlich alles zurück, das ist in der Erregung des Spielverlaufes passiert.
Trotzdem ging es in die Verlängerung.
Aber da wusste ich: Wir gewinnen dieses Spiel. Sparta Lichtenberg wurde müde. Wir waren noch top fit und haben noch zwei Tore gemacht.
Das entscheidende Tor fiel durch einen Freistoß von Can Sakar.
Der ist der absolute Freistoß-König bei uns. Der macht von zehn Freistößen sieben, acht rein. In den Winkel. Und beim Freistoß für uns in der 118. Minute haben meine Jungs auf der Bank gesagt: 'Trainer, machen Sie sich bereit.'
Sie sollten Recht behalten.
Und alle im Vollsprint zu ihm hin, natürlich schneller als ich. Ich musste nach 15 Metern abbrechen, weil ich nicht mitkam. Aber da war eine Stimmung! Und dann war der Abend nicht zu vergleichen mit anderen Abenden. So schön war das. Der Koblenz (Makkabi-Präsident Michael Koblenz, Anm. d. Red.) und ich, wir haben uns in den Armen gelegen. Wir hatten beide Tränen in den Augen.
Nun steht TuS Makkabi tatsächlich in der ersten Runde des DFB-Pokals. Hätten Sie da lieber einen halbwegs machbaren Gegner oder doch Bayern München?
Als mein Freund Hermann Gerland noch bei Bayern Co-Trainer war, da hätte ich ihn angerufen und gesagt: 'Pass auf, Hermann. Wir wollen Euch haben. Und dann gibt es auf die Socken!' Aber leider ist Hermann nicht mehr da. Deshalb wünsche ich mir jetzt Hertha BSC. Union Berlin wäre auch noch geil.
Sie haben in so vielen Ländern, bei so vielen Vereinen trainiert. Welchen Stellenwert hat dieser Titel für Sie?
Es gibt zwei ganz besondere Ereignisse in meiner langen Laufbahn. Einmal als wir 1988 mit Galatasaray Istanbul (mit Co-Trainer Sandhowe, Anm. d. Red.) in Köln vor 64.000 Zuschauern gegen AS Monaco ins Halbfinale des Europapokals der Landesmeister eingezogen sind. Danach sind wir nach Hause geflogen und ich habe den Flughafen-Boden nicht betreten, weil wir sofort auf Händen getragen wurden. Und dieser Pokalgewinn mit Makkabi.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde geführt von Ilja Behnisch.
Sendung: rbb24, 04.06.2023, 18 Uhr
Beitrag von Ilja Behnisch
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