Viktoria 89 steigt nicht in 2. Liga auf
Die Fußball-Frauen von Viktoria 89 verpassen durch zwei Niederlagen gegen den Hamburger SV den Aufstieg in die 2. Liga. Das ehrgeizige Fußball-Start-Up muss damit den ersten Dämpfer hinnehmen, wobei das enorme Potential deutlich sichtbar geworden ist. Von Fabian Friedmann
Am Ende spendete sogar der große Horst Hrubesch Trost für die unterlegene Mannschaft. Zuvor hatten die Fußball-Frauen des FC Viktoria 89 den Aufstieg in die 2. Frauen-Bundesliga verpasst. Im Aufstiegsrückspiel gegen den Hamburger SV, wo Hrubesch mittlerweile verantwortlich für die Frauen-Abteilung ist, gab es vor beeindruckender Kulisse von 3.600 Zuschauern im Stadion Lichterfelde eine unglückliche 1:3-Niederlage. "Wir haben unser Bestes gegeben. Hamburg hat ein tolles Spiel gemacht und es sich verdient, in der 2. Liga zu spielen", sagte Viktorias Trainer Alejandro Pietro im Stile eines fairen Verlierers.
Entscheidend für Viktorias Nichtaufstieg waren am Ende die berühmten Nuancen. Die HSV-Spielerinnen, gut eingestellt von ihrem Trainer Timm Lewe, agierten aus einer dicht gestaffelten Defensive heraus und blieben über die gesamte Spieldauer durch ihre schnellen Umschaltmomente brandgefährlich in der Offensive, wirkten zudem in den entscheidenden Szenen gedankenschneller. Die Cleverness war an diesem Tag ein entscheidender Faktor, zumal das frühe 0:1 aus Viktorias Sicht nach einem sehenswerten Freistoß von Larissa Mühlhaus (11. Minute) dem individuell stark besetzten Gast perfekt in die Karten spielte.
Viktoria drückte anschließend – mit der großen Unterstützung des Publikums im Rücken – vehement auf das Wunder nach der 0:3-Hinspiel-Niederlage. Aber vor dem Tor fehlte der Mannschaft von Alejandro Prieto trotz großer kämpferischer Leistung das Abschlussglück und damit die entscheidenden Zentimeter: Sei es beim Lattenkracher aus 17 Metern von Anina Sange in der 40. Minute oder beim Pfostentreffer von Maja Wasiak (54.). Mehr als der kurzfristige Ausgleich per Handelfmeter durch Stürmerin Aylin Yaren (70.) war an diesem Tag einfach nicht drin.
Hängende Köpfe, Tränen der Enttäuschung und das Wissen um die verpasste Chance – viele Spielerinnen der Viktoria ging diese Niederlage sichtlich nahe, weshalb Horst Hrubesch kurz die Feierlichkeiten vor der HSV-Fankurve verließ, um die Viktoria-Damen mit Schulterklopfen und warmen Worten aufzurichten. So manche fand danach ihr Lächeln wieder. "Es tut mir weh für die Mädchen. Ich finde nicht, dass das Ergebnis den Spielverlauf widerspiegelt", sagte eine gefasst wirkende Ariane Hingst. Die Welt- und Europameisterin und seit 2022 Viktorias Geschäftsführerin blickte noch auf dem Feld optimistisch nach vorne: "Nächstes Jahr greifen wir wieder an. Wir haben nie gesagt, dass wir im ersten Jahr aufsteigen müssen."
Die Frage, die sich jetzt für das ambitionierte Projekt des selbst ernannten Fußball-Start-Ups stellt, ist, ob die Unterstützerinnen und Unterstützer, dem Verein auch in einem weiteren Jahr Regionalliga in großer Zahl die Treue halten werden, oder ob dieser Erfolg zunächst eine Momentaufnahme bleiben wird. Denn der Plan, spätestens 2027 in der Frauen-Bundesliga anzukommen, ist äußerst ambitioniert. Zumal die großen Berliner Vereine Hertha BSC und vor allem Regionalliga-Konkurrent 1. FC Union ihre Investitionen in den Frauen-Fußball deutlich intensivieren werden. "Die Konkurrenzsituation ist brutal", sagt auch Ariane Hingst. "Aber wir wollen Spiele auf Augenhöhe. Ich finde es gut, was Union macht. Dass sie nun endlich Gas geben im Frauenfußball."
Ein Aufstieg hätte für Viktoria schon jetzt vieles vereinfacht, weil man dem Nadelöhr Regionalliga mit seinen Aufstiegsspielen damit erstmal entkommen wäre. Muss nun der personelle Umbruch vollzogen werden, um noch konkurrenzfähiger zu sein? "Den wird es nicht geben", blockt Ariane Hingst sofort ab. "Wir wollten zeigen, dass wir mit verbesserten Bedingungen die Leistungsfähigkeit jeder einzelnen Spielerin steigern können", erklärt die gebürtige Berlinerin. Man werde sich laut Hingst zwar auf "ein, zwei Positionen" verstärken, aber insgesamt werde man mit diesem Kader in die nächste Saison gehen.
Wenn man sich die Liste der prominenten Sponsoren und Unterstützerinnen, unter anderem die Ski-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch, ins Gedächtnis ruft, dann scheint mittelfristig weiterhin viel möglich im Berliner Südwesten. Wirtschaftlich steht man auf soliden Füßen und auch die Politik gefällt sich als Gast bei Viktoria. Beim Spiel gegen den HSV waren neben Senatorin Franziska Giffey (SPD, gekleidet in Viktorias Vereinsfarben im lila-hellblauen Zweiteiler) auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Grünen-Politiker Cem Özdemir vor Ort im Stadion. So viel versammelte Polit-Prominenz sieht man selbst bei so manchem Männer-Bundesligist eher selten.
Was bleibt von diesem Aufstiegsrückspiel, ist die Gewissheit, dass der Frauen-Fußball in der Hauptstadt ein enormes Potential besitzt. 3.600 Zuschauer für ein Aufstiegsspiel zweier Frauen-Drittligisten sind ein enormer Fingerzeig. "Man sieht, was möglich sein kann, wenn man die Dinge selbst in die Hand nimmt", sagt Ariane Hingst.
Die Verantwortlichen von Viktoria 89 haben es verstanden, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich das Publikum in einer sportlich respektvollen, positiv konnotierten und dazu äußerst familiären Atmosphäre sichtbar wohlfühlt. Überall wohin man blickte im weiten Rund des Stadions, sah und spürte man diese Begeisterung für das Projekt Viktoria.
Ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang: "Der Frauenfußball spricht einfach ein anderes Publikum an", so Hingst. Die Zuschauer hätten laut der 43-Jährigen heute auch gespürt, "dass die Spielerinnen ihr Herz auf dem Platz gelassen haben. Das überträgt sich dann in beide Richtungen." Auffällig: Es gab an diesem Nachmittag keinerlei Pfiffe, auf den Rängen herrschte Fairness und Respekt. Die Anfeuerungsrufe "Viva Viktoria" hallten auch dann noch über die Haupttribüne, als längst klar war, dass es nicht mehr zum großen Coup, sprich Aufstieg, reichen würde.
Trotz dieser Enttäuschung beim Saisonhöhepunkt, zwei Saisonziele hatte Viktoria zuvor bereits erreicht: Meisterschaft der Regionalliga Nordost und der Landespokalsieg. Der Aufstieg in die 2. Bundesliga bleibt zwar vorerst verwehrt. Aber: "Wir werden aus dieser Erfahrung lernen und nächste Saison wieder voll angreifen", gibt sich Trainer Alejandro Pietro bereits jetzt kämpferisch. Und vielleicht gibt es dann irgendwann auch ein Wiedersehen mit dem großen Horst Hrubesch.
Sendung: rbb24 Inforadio, 18.06.2023, 21:05 Uhr
Beitrag von Fabian Friedmann
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