Spielerberater Stefan Backs im Interview
Sommerzeit ist Transferzeit. Stefan Backs ist seit 20 Jahren Spielerberater und kennt die besonderen Gegebenheiten des Transfermarkts. Ein Gespräch über das Hertha-Dilemma, den schmalen Grat des 1. FC Union und Geldverbrennung in Saudi-Arabien.
rbb|24: Herr Backs, im Sommer machen viele Menschen Urlaub. Für Sie als Spielerberater ist wohl kaum an Ferien zu denken, denn viele Transfers gehen gerade in der spielfreien Zeit über die Bühne. Steht ihr Telefon noch still?
Stefan Backs: Es ist eine Mär, dass Spielerberater besonders im Sommer mehr zu tun hätten. Natürlich werden dann die meisten Transfers getätigt, weil sie da getätigt werden dürfen. Aber die Anbahnung von Transfers geschieht bereits viel früher – und auch wenn Spielerberater keinen so guten Ruf haben, so arbeiten sie doch täglich. Dementsprechend gibt es eigentlich keinen Tag, an dem das Telefon stillsteht. Von daher ist es eine Zeit, in der viele Entscheidungen getroffen und finalisiert werden, aber letztlich ist das nichts Ungewöhnliches für uns.
Blicken wir auf den deutschen Transfermarkt. Welche Trends gibt es dort aktuell zu beobachten?
Neue Trends sind in diesem Jahr nicht zu erkennen. Die deutschen Vereine bedienen sich nach wie vor im Ausland, holen ausländische Talente in der Hoffnung, dass sie dann bei ihnen sich entsprechend entwickeln, um sie dann in finanzstärkere Ligen – bevorzugt die Premier League – weiterzuverkaufen. Das ist ein Trend, der schon lange Zeit anhält. Das sieht man an Spielern wie Jude Bellingham [wechselte für 103 Millionen Euro von Borussia Dortmund zu Real Madrid, Anm. der Red.]. Es ist ein Geschäftsmodell, das seit Jahren praktiziert wird.
Bei Hertha und Union gibt es auf dem Transfermarkt gerade ganz unterschiedliche Vorzeichen. Was haben sie beobachtet?
Grundsätzlich ist bei beiden Vereinen gerade gut ablesbar, wie wichtig die sportliche Leitung und das Management sind, und dass die Spieler auf dem Platz letztlich nur das ausführende Organ sind, die das ausbaden müssen, was oben fabriziert wurde.
Bei Union Berlin wird gerade der Name Robin Gosens von Inter Mailand gehandelt. Es wäre der erste deutsche Nationalspieler, der an die Alte Försterei wechselt. Wie stehen aus ihrer Sicht die Chancen?
Wenn ein Spieler wie Robin Gosens bei so einem Verein gehandelt wird, dann adelt das erstmal das Management. Es zeigt, dass sie gut vorangekommen sind, und dass selbst deutsche Nationalspieler möglicherweise darüber nachdenken, zu Union zu wechseln, zu einem Verein der vor gar nicht allzu langer Zeit noch in der 2. Liga gespielt hat. Das ist ein gutes Zeichen und eine Belohnung für die gute Arbeit, ebenso wie die Teilnahme an der Champions League.
Wie bewerten sie generell die Transferaktivitäten rund um Union Berlin. Nur Alex Kral und Mikkel Kauffmann sind bislang fix. Was geht da noch für Union in dieser Periode?
Die Transfers müssen immer neu abgestimmt werden. Und je höher man kommt, desto schwieriger wird es, weil das Regal immer höher wird, in dem man einkaufen muss. Es gibt einen engeren Markt für Topspieler, dort bieten dann fast nur finanzkräftigere Klubs mit. Auf der anderen Seite muss man auch aufpassen, dass man seine Bodenhaftung nicht verliert und unvernünftige Dinge tut. Es ist ein schmaler Grat und es braucht Zeit. Die sportliche Leitung bei Union ist aber so erfahren, dass sie wissen: Wenn man ein bisschen wartet, dann werden die Preise günstiger. Im Augenblick macht Union auf mich einen sehr ruhigen und professionellen Eindruck.
Bei Hertha BSC geht es aufgrund der angespannten Finanzlage weniger ums Geld ausgeben als um Einnahmen durch Spielerverkäufe. Nutzen interessierte Vereine so etwas aus und machen dann eher Angebote unter Marktwert?
Natürlich. Wenn es für die Spieler jetzt nicht mehrere Abnehmer gibt, wo man dann ein bisschen pokern kann um die Ablösesumme, dann drückt das den Preis. Wenn jeder weiß, du musst abgeben, dann zahlt niemand Höchstpreise. Das ist logisch und das ist dann genau das Gegenteil von Union Berlin. Ich kann es jetzt nicht hundertprozentig beurteilen, aber wenn man in eine solche Situation gerät, dann zeugt das nicht gerade von gutem Management. Bei Hertha muss man momentan das akzeptieren, was kommt.
Hertha-Spieler wie Dodi Lukebakio und Lucas Tousart werden seit Monaten bei verschiedenen Vereinen gehandelt. Hertha konnte aber noch keinen Vollzug melden. Wie sehen Sie deren Situation?
Die Vereine, die die beiden Spieler verpflichten wollen, die wissen: Je länger sie warten, umso günstiger sind sie zu bekommen, weil es Hertha unter den Nägeln brennt, diese Spieler abzugeben. Es ist ein Anzeichen dafür, dass die Vereine zocken, aber beide auch keine Muss-Spieler sind, die man unbedingt verpflichten muss. Das lässt die Preise sinken. Logischerweise haben die Spieler auch ein Mitspracherecht und die warten dann mit ihren Beratern ebenfalls auf das für sie beste Angebot.
Wo steht die Bundesliga aus ihrer Sicht verglichen mit England?
Die Bundesliga boomt, was Fans und die Sponsoren anbetrifft. Da wir hierzulande aber die 50+1-Regel haben, sind die Vereine etwas limitiert, was das Geld ausgeben betrifft. Ob man das gut oder schlecht findet, lasse ich mal dahingestellt, aber das ist in anderen europäischen Ligen anders. Und wenn man sich speziell die Premiere League ansieht mit ihrer Dichte an Topstars, dann ist die Attraktivität und Qualität dort viel höher. Darum ist die Bundesliga auch eine Verkaufsliga geworden und die Premier League eher eine Einkaufsliga. Dort spielen die besten Spieler der Welt. Und sie haben eine Dichte von sechs, sieben Topklubs, wo es jedes Wochenende sehr spannend zugeht – nicht so einseitig wie in der Bundesliga.
Und wie ist die Situation in Spanien und Frankreich?
Dort ist die Situation nochmal anders. In Spanien gibt es ein enorm gutes Scouting und sehr gute Jugend-Akademien – ähnlich wie bei den Franzosen. In Spanien gibt es zwei, drei Topklubs, in Frankreich mit Paris St. Germain eigentlich nur einen. Das kann man alles nicht miteinander vergleichen. Die Wege zum Glück sind für diese Ligen alle etwas anders, aber im Grunde heißt es: Geld regiert die Fußballwelt. Und je mehr eine Liga investieren kann, desto bessere Spieler gehen dorthin und desto attraktiver wird eine Liga.
Eine neue "Einkaufsliga" ist auch jene in Saudi-Arabien. Neben Christiano Ronaldo sind weitere Topstars wie Karim Benzema oder N‘Golo Kanté dorthin gewechselt. Überrascht sie diese Entwicklung?
Das hat ja was mit Geltungsbedürfnis zu tun und auch damit, das ramponierte Image eines Landes aufzupolieren, indem man eine Fußball-Liga etabliert. Das hat es früher bereits gegeben, beispielsweise in China. Für die Spieler sind das teilweise unmoralische Angebote, die sie im Grunde nicht ablehnen können. Obwohl ich mich frage, wenn ich schon so viel Geld verdient habe, ob das dann noch sein muss, aber das ist letztlich eine persönliche Entscheidung. Im Grunde ist das, was in Saudi-Arabien passiert, Gelbverbrennung. Es sei denn, es hat diesen Zweck, sich politisch reinzuwaschen.
Sie sind seit 20 Jahren Spielerberater. Welches war denn rückblickend bislang der Königstransfer ihrer Karriere?
Für mich gibt es da zwei Transfers. Ich habe mal einen Spieler von Huddersfield, damals noch aus der englischen Championship [2. Liga in England, Anm. d. Red.], für eine Rekordsumme in die Premier League gebracht. Der Klub hatte mich damals beauftragt. Das war der größte Transfer, den der Verein bis dahin gemacht hat. Ein hoher zweistelliger Millionenbetrag wechselte damals den Besitzer. Über Monate hatte sich dieser extrem komplizierte Transfer hingezogen. Bei meinen eigenen Klienten war es der Wechsel von Alexander Nübel von Schalke 04 zu Bayern München, weil die Bayern einfach ein Weltklasse-Verein sind und man nicht alle Tage einen Spieler dorthin bringt.
Herr Backs, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Fabian Friedmann für die rbb-Sportredaktion.
Sendung: rbb24|Inforadio, 28.06.2023, 18:15 Uhr
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