Interview | Viktoria-Geschäftsführerin Ariane Hingst
Die Frauen von Viktoria Berlin spielen um den Aufstieg in die 2. Liga. Vor den Spielen gegen den Hamburger SV spricht Viktoria-Geschäftsführerin Ariane Hingst über Druck, die Aufstiegsregelung und Wertschätzung für den Fußball der Frauen.
rbb|24: Frau Hingst, Viktoria hat in dieser Saison die Meisterschaft der Regionalliga Nordost und den Landespokal gewonnen. Die beiden wichtigsten Spiele stehen aber noch aus: die Aufstiegsspiele um die 2. Liga. Wie bereitet sich die Mannschaft darauf vor?
Ariane Hingst: Quasi wie für jedes andere Punktspiel dieser Saison auch. Die Trainingszeiten sind gleich, die Abläufe sind gleich. Wir probieren wirklich alles so gleich wie möglich zu lassen. Mit der einzigen Ausnahme, dass es in diesem Jahr das erste Spiel sein wird, wo wir dann eine Auswärtsfahrt mit Hotelübernachtung haben, weil es zur professionellen Vorbereitung auch dazugehört, am Samstag schon loszufahren. Ich freue mich, dass die Mannschaft die Chance hat, diese beiden Spiele zu spielen, weil sie sich das durch die Leistungen in der gesamten Saison hart erarbeitet haben.
Wie erleben Sie denn aktuell die Stimmung in der Mannschaft?
Sehr gut. Da sind Vorfreude und ein Fokus da. Alle sind wirklich mit dem nötigen Ehrgeiz und Ernst dabei und trotzdem kommt das Lachen auch nicht zu kurz. Ich finde, eine gewisse Gelassenheit ist auch vonnöten. Ob die dann auch am Sonntag da ist, muss man dann sehen.
Es ist durchaus ein gewisser Druck da, denn mit diesen zwei Spielen kann alles, was man sich in dieser Saison erarbeitet hat, dahin sein. Wie stehen Sie dazu, dass nur drei der fünf Regionalliga-Meister aufsteigen?
Das ist eine Vollkatastrophe. Du wirst Meister und darf nicht aufsteigen. Und dann gibt es einen Verband, der direkt aufsteigt ohne Relegationsspiele. Es wird einen klaren Gewinner und einen klaren Verlierer geben und ich sage ganz, ganz deutlich, dass beide Vereine in die 2. Liga gehören. Aber gut, so ist nun mal die Konstellation. Bei den Männern ist es ja genau das gleiche Thema.
Der Druck ist nur teilweise da. Also es ist, glaube ich, vielmehr die Erwartungshaltung, die die Spielerinnen auch an sich selbst haben. Von außen gibt es da überhaupt keinen Druck. Sollte der Aufstieg nicht gelingen, geht unser Projekt trotzdem mit sehr großer Unterstützung weiter.
Am Sonntag findet das erste Spiel in Hamburg statt, eine Woche später das Rückspiel in Lichterfelde. Was erwarten Sie für Duelle gegen den HSV?
Ich hoffe und denke, dass es enge und knappe Spiele werden. Dann bleibt die ganze Spannung auch noch für das Rückspiel erhalten, wo wir auch auf eine richtig gute Zuschauerzahl hoffen. Mit Hamburg wartet auf uns eine Mannschaft, die wirklich sehr, sehr spielstark ist. Es ist eine junge Mannschaft, die die Liga das zweite Mal in Folge absolut dominiert und nur eine Niederlage davongetragen hat.
Da hat sich im Verein wirklich so einiges getan hat. Ich denke und hoffe schon, dass es auch Niveau auf Augenhöhe wird. Ich finde, unsere Mannschaft hat auch ein sehr, sehr großes Potential und hoffe, dass sie das auf den Platz bringen können. Wenn beide Teams ihre Nervosität abstellen können und befreit aufspielen, erwarte ich auch ein richtig gutes Fußballspiel. Allerdings spielt der Kopf eine große Rolle. Es kann auch sein, dass das jetzt nicht schön, aber dafür vielleicht spannend wird.
Welche Parallelen gibt es zum Team und zum Spiel von Viktoria?
Ich glaube, bei der Infrastruktur können wir uns noch nicht vergleichen. Soweit ich weiß, sind die Hamburger Frauen auch an die Akademie angeschlossen. Das gibt es ja in diesem Sinne bei uns nicht. Wir sind noch auf einem ganz anderen Niveau unterwegs. Spielerisch sieht man den direkten Vergleich am Wochenende und dann kann ich das, glaube ich, besser beantworten.
Der Frauenfußball hat allgemein in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt. Mit wie vielen Zuschauern rechnen Sie beim Hinspiel und beim Rückspiel?
Also in Hamburg gibt es eine Kapazität von 1.800. In meinem Umfeld kontaktieren mich immer mehr Leute, ob ich irgendwie noch an Karten rankomme, weil alles ausverkauft ist. Das ist schon mal ein ganz gutes Zeichen. Bei uns ins Stadion gehen 4.500 Menschen rein. Da konnten wir schon 1.400 Tickets absetzen.
Je knapper das Hinspiel ist, desto mehr Leute werden dann vielleicht auch noch kurzentschlossen ins Stadion Lichterfelde kommen. Das ist dann auch eine gute Wertschätzung für beide Teams. Ich freue mich, dass die Spielerinnen von beiden Mannschaften da einfach so eine Bühne bekommen.
Was würde der Aufstieg von Viktoria für den Frauenfußball in der Region bedeuten?
Nach langer Zeit hast du dann mal wieder eine Berliner Mannschaft in der 2. Liga. Ich denke, es muss Berliner Teams in der obersten Spielklasse geben und das wäre der erste Schritt. Je früher, desto besser. Aber, wenn es in diesem Jahr noch nicht sein wird, gibt es auch noch ein weiteres Jahr.
Wenn es klappen sollte, würden Sie in der neuen Saison in einer Liga mit Turbine Potsdam spielen. Die waren jahrelang das Team im deutschen Frauenfußball. Sehen Sie da eine Wachablösung?
Ich finde den Begriff Wachablösung immer nicht so gut gewählt. Das, was einige Vereine, bei denen von Wachablösung gesprochen wird, über Jahre geleistet haben, muss man auch erstmal nachmachen. Ich glaube, was sich jetzt einfach nur zeigt, ist, dass sich die Zeiten verändert haben. Leider hat es Turbine Potsdam nicht mitbekommen und hat den Zug, der an ihnen vorbeigefahren ist, nicht erwischt und muss jetzt gerade mit der Konsequenz leben. Das ist auf der einen Seite natürlich bitter, unterstreicht aber auch den Wettbewerb. Frauenfußball entwickelt sich gerade rasant weiter, und wer da nicht mitzieht oder auch bereit für Innovationen ist, der kann am Ende dann auch nicht mithalten.
Abschließend noch die Frage: Wie ist Ihr Tipp für die beiden Spiele?
Oh, ich gebe grundsätzlich keine Tipps ab. Ich wünsche mir lediglich, dass unsere Spielerinnen vom Platz gehen und sagen: "Ja, wir haben alles, was in uns steckt, rausholen können." Und dann werden wir am Ende sehen, wozu es reicht. Nichts ist als Spielerin schlimmer, als wenn du am Ende des Spiels sagst: "Verdammt, ich bin nicht ans Limit gegangen. Da wäre noch mehr drin gewesen." Insofern wünsche ich mir das vor allem für die Spielerinnen und was am Ende bei rauskommt, werden wir sehen. Das können eh wir nicht beeinflussen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lisa Surkamp-Erler, rbb Sport.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.06.2023, 11:15 Uhr
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