Special-Olympics-Bundesgeschäftsführer
Nach neun Tagen sind am Sonntag die Special Olympics World Games zu Ende gegangen. Sven Albrecht von Special Olympics Deutschland zieht ein positives Fazit. Er hofft, dass das Interesse an inklusivem Sport bleibt.
rbb|24: Sven Albrecht, 330.000 erreichte Menschen in Berlin, 20.000 Schülerinnen und Schüler, die bei den Veranstaltungen dabei waren, 50.000 Gäste bei der Eröffnungsfeier. Das Fazit der Special Olympics dürfte, zumindest was den Zuspruch der Menschen angeht, positiv ausfallen.
Sven Albrecht: Absolut. Es war unser größtes Ziel, mit diesen Spielen in der Specials-Olympics-Bewegung einen neue Bestmarke zu setzen. Unsere Athletinnen und Athleten sollten ihre Wettbewerbe nicht mehr nur unter sich betreiben, sondern eine Bühne bekommen - mit viel Zuspruch und vielen Menschen, die an der Veranstaltungen teilnehmen. Deswegen sind wir mit den erreichten Zielen und der Begeisterung, die in der Stadt zu spüren war, total zufrieden - oder eher überwältigt.
Was bleibt Ihnen über das Zuschauerinteresse hinaus positiv in Erinnerung?
Das Schöne ist auch die mediale Aufmerksamkeit. Unsere Athletinnen und Athleten haben immer gesagt, dass sie auch mal gehört werden wollen. Ich glaube, genau das hat stattgefunden. Außerdem hat jeder, der dabei war, gespürt, dass es nicht nur emotional war, sondern auch ein Miteinander auf Augenhöhe. Unsere Athletinnen und Athleten wurden akzeptiert und sind sehr selbstbewusst aufgetreten. Die Rückmeldungen der Sportlerinnen und Sportler sind sehr positiv. Sie haben es sehr genossen, vor einem solchen Publikum auftreten zu dürfen.
Was ist Ihr persönliches Highlight des Events?
Das ist ehrlich gesagt schwierig, weil es wirklich sehr viele Highlights gab. Dennoch gab es sich zwei besondere Erlebnisse. Als die ukrainische Mannschaft bei der Eröffnungsfeier ins Stadion gelaufen ist und wie sie willkommen geheißen wurde, war das eine. Das hat mich wirklich sehr bewegt und war sehr besonders. Das zweite Erlebnis war beim 3x3-Basketball. Dort haben die Vertreterinnen und Vertreter der Gastgeberstädte ihre Mannschaft wirklich außergewöhnlich angefeuert und eine besondere Verbindung hergestellt haben. Es war uns ein Anliegen, nicht nur in Berlin zu wirken, sondern auch deutschlandweit in den Hosttowns.
Unter anderem lassen sich auch Vorkommnisse in der deutschen und der palästinensischen Delegation kritisieren.
Wir hatten sicherlich zwei Themen, die uns während der Veranstaltung beschäftigt haben. Das war zum einen die Situation im deutschen Team, wo nach einer rbb-Recherche bekannt wurde, dass sich ein Trainer Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt sieht und Angeklagter in einem Strafprozess ist. Wir haben die notwendigen Konsequenzen gezogen und den Trainer bis zur Klärung des Sachverhalts aus der Delegation ausgeschlossen. Und zum anderen gab es die Situation im palästinensischen Team, wo auf den Trikots die Landkarte Israels gezeigt wurde. (Tagesspiegel, Bezahlinhalt, Anm. d. Red) Es ist sehr schade, dass unsere Veranstaltungen und unsere Athletinnen und Athleten da für solche politischen Statements verwendet wurden. Ich glaube aber, dass wir in beiden Fällen sehr schnell und gut reagiert haben und auch vorbereitet waren. Außerdem sehen wir beim Klassifizierungssystem weiterhin Verbesserungsbedarf - das betrifft den internationalen Verband und nicht die einzelnen Sportarten. Das hat überwiegend gut funktioniert, aber zum Beispiel beim Fußball gab es Probleme.
Sport für und mit Menschen mit geistiger Beeinträchtigung stand jetzt tagelang im Fokus und war Mittelpunkt der Sportberichterstattung in Deutschland. Wie soll es gelingen, dass dieser Boom jetzt auch nachhaltig genutzt werden kann?
Die Idee, nachhaltige Inklusion zu schaffen, steht am Anfang der Konzeption der Spiele. Wir haben also von Anfang an darauf geachtet, zu probieren, ein Fundament zu schaffen, um den Rückenwind mitzunehmen. Deswegen haben wir zum Beispiel das Hosstown-Programm, in dem die 216 Kommunen nicht nur Gastgeber einer Delegation waren, sondern sich im Vorfeld mit einer inklusiven Idee beworben haben. Das ist das große Pfund, das wir jetzt in der Hand haben. Die Struktur, die wir geschaffen haben, wird also nicht nur in Berlin bleiben. Ganz konkret bedeutet das: Kooperationen zwischen Sportvereinen, Organisation und Aufbau von Behindertenhilfen, Fortbildungen und Unterstützungen für Vereine anbieten, um mehr Sportmöglichkeiten vor Ort zu schaffen. Im Gesundheitsprogramm hatten wir knapp 1.000 medizinische Fachangestellte, die fortgebildet wurden im Umgang mit Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Die gehen jetzt deutschlandweit wieder in ihre Praxen. Hinzu kommen 16.000 Freiwillige und 1.200 Schiedsrichterinnnen und Schiedsrichter, die ebenfalls im Vorfeld von uns Schulungen bekommen haben. Das ist unser Rüstzeug, mit dem wir in Kommunen, Vereinen und Arztpraxen gehen. Wir sind aber natürlich auch darauf angewiesen, dass die positive Grundstimmung und die mediale Aufmerksamkeit nicht komplett abebbt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Jonas Bürgener
Sendung: rbb24 Inforadio 26.06.23, 13 Uhr
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