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Audio: rbb24 Inforadio | 08.06.2023 | Jakob Lobach | Quelle: IMAGO/Wells/imagebroker/Schöning | Collage: rbb

Sportstätten in Berlin

Wie undurchsichtige Vergabe-Regeln zu leeren Sporthallen und illegalen Geschäften führen

Berliner Vereine klagen, dass ihnen zu wenig Trainingszeit in den Sportstätten zur Verfügung steht. Laut Politik sind diese knapp und voll - doch die Engpässe haben noch andere Gründe: unklare Vergabe-Regeln, fehlende Kontrolle und Vetternwirtschaft. Von Jakob Lobach

Es war eine Fahrradtour mit 16 Stopps durch Berlin-Lichtenberg. An insgesamt elf Abenden schwangen sich die Verantwortlichen des Basketballvereins FBL Berlin im Februar und März dieses Jahres aufs Rad und fuhren 16 Turnhallen im Bezirk ab. Das immer gleiche Prozedere: Ankunft an der Halle, Fahrrad abstellen, ein prüfender Blick, ob die Halle belegt ist, eine kurze Notiz, ein Foto als Beweis - ab zur nächsten Halle.

Das Ziel der ungewöhnlichen Touren: Die FBL Berlin - ein Basketballverein mit knapp 800 Mitgliedern und einem eigenen, vier Ligen umfassenden Spielbetrieb - wollte dem Bezirksamt Lichtenberg beweisen, dass dessen Sporthallen nicht effizient genutzt werden. Und tatsächlich zeigen die besagten Fotos, dass bei den Besichtigungen im Schnitt zwischen neun und zehn der 16 Turnhallen leer waren - obwohl laut Bezirksamt nur eine Halle in Renovierung und somit unvergeben war. Auf ein Protokoll, dass die FBL Berlin dem Bezirksamt vorlegte, antwortete dieses - wie bereits vor den Touren: Man könne dem Verein wegen der "sehr angespannten Sporthallensituation" in Lichtenberg leider keine Hallenzeit zuteilen.

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Das Problem mit den Sportstätten

Egal ob Sporthallen, Sportplätze oder Eisflächen – seit Jahren klagen Vereine in Berlin darüber, dass sie zu wenige Trainingszeiten für zu viele Mitglieder zur Verfügung haben. Nicht selten hat das zur Folge, dass sie keine neuen Sportler mehr aufnehmen. Als Hauptursache nennen der Senat und die Bezirke, die für die Vergabe von Sportstätten zuständig sind: Es gebe in Berlin einfach zu wenig Sportflächen für zu viele Vereine. Das stimmt - ist aber wohl nur die halbe Wahrheit.

Denn die Sportstätten, die es gibt, werden häufig auch ineffizient verteilt - in undurchsichtigen Verfahren und sogar entgegen den Vorschriften. Ein genauerer Blick offenbart überforderte Bezirksämter, unrechtmäßige Vergabe-Verfahren und sogar Handel mit Nutzungszeiten. Der Senat und die Bezirksämter wissen um diese eigentlich unhaltbaren Zustände, greifen aber in vielen Fällen nicht durch, um etwas zu verändern.

Unterschiedliche und unklare Vergabe-Verfahren

Los geht es mit der Frage, nach welchem Prinzip die Stadt Berlin ihre Sportstätten verteilt. Gleich hier wird es kompliziert: So verteilt jedes der zwölf Berliner Bezirksämter seine Sportstätten selbst - nach unterschiedlichen Richtlinien, für unterschiedliche Zeiträume und mit unterschiedlichen Antragsverfahren.

Die gemeinsame Grundlage dieser Verfahren sind die sogenannten "Sportanlagen-Nutzungsvorschriften", kurz SPAN. Es ist ein Dokument, das auf 16 mit komplizierten Wörtern gefüllten Seiten vorgibt, mit welchen Prioritäten in Berlin an wen Hallen und Plätze vergeben werden sollen – zumindest teilweise. So erklärt die SPAN, dass etwa Schulen oberste Priorität bei der Vergabe haben, gefolgt von Verbands-Stützpunkten und schließlich, in unterschiedlichen Abstufungen, den Sportvereinen.

In den "Sportanlagen-Nutzungsvorschriften" ist ebenfalls festgeschrieben: Sportstätten dürfen nur durch die Vergabestellen der Bezirksämter vergeben werden - vorrangig an Vereine aus dem eigenen Bezirk und mit dem zentralen Ziel einer möglichst "vollständigen Auslastung". Die ehrenamtlich arbeitenden Bezirkssportbünde, die aus vielen, aber eben nicht allen Vereinen ihres Bezirkes bestehen und deren Interessen vertreten, dürfen hierbei nur beraten.

Aber auch nach 16 Seiten SPAN bleibt unerklärt, nach welchem System die Nutzungszeiten im Detail auf die anfragenden Vereine verteilt werden. "Es ist für viele ein großes Geheimnis, wie Sportstätten vergeben werden - und da es keine öffentlich verfügbaren Hinweise hierzu gibt, scheint das auch so gewünscht zu sein", sagt Susanne Bürger, die als Kiezsport-Lotsin im Bezirk Berlin-Mitte arbeitet.

Das von rbb|24 angefragte Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf erklärt immerhin auf Anfrage, dass es seine Sportstätten nach den aktiven Mitgliederzahlen und Mannschaften im Spielbetrieb der Vereine, sowie differenziert nach dem Alter der Sportler verteilt. Die Bezirksämter von Berlin-Mitte und Lichtenberg wiederum beziehen sich in ihren Antworten lediglich auf die vagen Vorgaben der SPAN.

Nutzungszeiten als "Erbrecht"

In Berlin-Mitte gibt es zusätzliche Vergabe-Richtlinien, die sich im Netz allerdings nur finden lassen, wenn man ihre genaue Bezeichnung kennt. Sie halten fest, was unter anderem laut Vereinen und Landessportbund auch in vielen anderen Bezirken gilt: "Vorrang bei der Vergabe genießen bestehende Sportorganisationen vor Neugründungen." Es ist also in Berlin für bestehende und etablierte Vereine deutlich leichter, Nutzungszeiten für Sportstätten zu behalten, als für neue und jüngere Vereine eine Zeit zu bekommen. "Wenn du eine Sporthalle oder Sportfläche einmal hast, ist das wie ein Erbrecht", sagt Kiezsport-Lotsin Bürger.

Ein gutes Beispiel hierfür ist ein Berliner Rugby-Verein, der nicht namentlich genannt werden möchte. Sieben Jahre ist der Verein alt, hat rund 120 aktive Mitglieder und nach erfolgreicher Prüfung durch den Senat theoretisch Anspruch auf Sportplatz-Zeiten. Praktisch hat der Club bis heute weder von seinem zuständigen Bezirksamt noch von einem der elf anderen Ämter auch nur eine Trainingszeit bekommen. "Wir machen zweimal im Jahr unsere Anträge", sagt der Vorsitzende des Vereins, "aber mittlerweile bekommen wir trotz Nachfragen nicht mal mehr eine Antwort".

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Die 40 Mitglieder aus der Jugend des Vereins bezahlen einen zusätzlichen Mitgliedsbeitrag, um auf dem Platz eines privaten Berliner Vereins unterzukommen. Die Männer hingegen trainieren zweimal in der Woche auf einem Sportplatz in Berlins Norden - unangemeldet und nur dank einer guten Beziehung zum Platzwart. "Zweimal die Woche habe ich Angst, dass mich der Trainer anruft und sagt: 'Wir dürfen nicht mehr auf den Platz'", erzählt der Vorsitzende. Dabei sei der Platz frei, diene laut Bezirksamt jedoch als Ausweichfläche für die Vereine auf den anliegenden Plätzen.

Dass Sportstätten in Berlin nicht vergeben werden, ist in Berlin zwar eher die Ausnahme als der Standard, aber dennoch Teil des Problems. So sind die 95 Prozent vergebener Hallenzeiten und 80 Prozent vergebener Zeiten auf Sportplätzen, von denen das Bezirksamt Lichtenberg berichtet, eher Spitzenwert als die Regel. Auch David Kozlowski, beim Landessportbund Berlin (LSB) zuständig für infrastrukturelle Themen, kritisiert, dass in "einer Stadt, in der jeder Hallenzeiten haben will" nur etwa 85 Prozent der Hallenzeiten überhaupt vergeben seien.

Ungenutzte Zeiten bleiben unentdeckt

Das noch größere Problem sind allerdings Sportstätten, die zwar vergeben sind, aber ineffizient genutzt werden oder sogar leer bleiben - so wie beispielsweise in Lichtenberg dokumentiert. Aber wie groß ist dieser Anteil? Die Bezirke jedenfalls berichten von vollen Hallen. Und auch David Kozlowski bezeichnet die Vorstellung, dass ein signifikanter Teil der verteilten Zeiten ungenutzt bleibt, als "absurd". Auch die Vereins-Verantwortlichen, mit denen rbb|24 darüber gesprochen hat, bezweifeln nicht, dass der Großteil Nutzungszeiten in Sportstätten gebraucht und wie beantragt genutzt wird.

Ein Fußballplatz im Märkischen Viertel in Berlin | Bild: IMAGO/Imagebroker | Quelle: IMAGO/Imagebroker

Dennoch gibt es viele Belege dafür - etwa das Protokoll der FBL Berlin -, dass der Anteil nicht oder ineffizient genutzter Sportstätten groß ist. Husein Dizdarevic, der Vorsitzende der FBL Berlin, sagt: "Du hast Hallen, die monatelang zu bestimmten Zeiten leer stehen. Du hast auch riesige und teilbare Dreifelder-Hallen, in denen vier Leute Badminton spielen." Auch der Vorsitzende des Rugby-Vereins hat bereits leerstehende Plätze an die Bezirksämter gemeldet. "Den Ämtern ist wichtig, dass die Plätze verteilt sind - ob und wie sie genutzt werden, ist ihnen egal", bilanziert er.

Den Vereinen drohen sogar Strafen, wenn sie ihnen zugeteilte Zeiten nicht nutzen: laut SPAN 100 Euro für jede ungenutzten Slot. Im Wiederholungsfall soll die Nutzungszeit sogar entzogen und neu verteilt werden.

Doch dabei gibt es ein Problem: Um Strafen verhängen zu können, müssten die Ämter kontrollieren, ob und wie ihre Sportstätten genutzt werden. Praktisch können sie das in aller Regel gar nicht, weil ihnen das Personal fehlt, um einen Überblick zu bekommen. Die Bezirksämter Berlin-Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf berichten so jeweils von nur "stichprobenartigen" Kontrollen - allerdings ohne zu verraten, wie große diese Stichproben sind.

Das Bezirksamt Lichtenberg kann über die Anzahl kontrollierter Sportstätten ebenfalls keine Angabe machen, weil diese nicht "statistisch erfasst" würden. Mehr noch: Das Bezirksamt gibt an, bei den vielen Sportstätten, die nicht dauerhaft von einem Hallen- oder Platzwart betreut werden, auf die Nutzungsangaben der Vereine zu vertrauen. Denn: "Eine personelle Kontrolle ist wegen fehlenden Personals nicht möglich." Dabei gehört sie klar zu den Aufgaben der Bezirksämter.

Sportstätte zu "verkaufen"

Aus dieser mangelhaften Kontrolle ergibt sich ein weiteres Problem, dass sich auch am Beispiel des besagten Rugby-Vereins gut sichtbar wird: das Problem "verkaufter" Nutzungszeiten. Die Frauen-Mannschaft kann - dank einer Kooperation mit einem anderen Klub - seit zwei Jahren auf dessen Feld trainieren. Eine Voraussetzung hierfür: ein jährlicher, knapp 1.000 Euro teurer "Zuschuss für Trainingsmaterialien". "In der Realität bezahlen wir sie dafür, dass wir ihren Platz benutzen dürfen", sagt der Rugby-Vorsitzende. Oder andersherum: Der ältere, mitgliederstärkere Kooperationspartner hat vom Bezirksamt eine Sportplatz-Zeit bekommen, die er selbst nicht wirklich braucht und nun verkauft.

Laut den Sportanlagen-Nutzungsvorschriften ist es Vereinen nicht gestattet, ihre Nutzungszeiten ohne amtliche Genehmigung an Dritte weiterzugeben. Die vorgesehene, aber nahezu nie verhängte Strafe hierfür: 200 Euro pro weitergegebene Nutzungszeit und deren Entzug. Die Konsequenz: Vereine, die dennoch ungenutzte Zeiten zu Geld machen, geben sich viel Mühe, dies rechtmäßig werden bzw. erscheinen zu lassen.

Ein rbb|24 bekanntes und von verschiedenen Vereinen bestätigtes Beispiel: Ein Verein, der eine Hallenzeit hat, ohne sie zu brauchen, gibt diese nicht zurück, sondern "vermietet" sie unter - an einen anderen Verein, kommerzielle Trainer oder Sportgruppen. Der Verein registriert die Hallennutzer anschließend als passive Mitglieder - nicht bevor sie ihm hierfür eine Gebühr bezahlt haben, versteht sich. Der Verein behält also eine Halle, die er nicht braucht und verkauft sie gut verschleiert.

Das Thema ist bekannt

Bleibt die Frage, wie viel die koordinierenden Bezirksämter und die beratenden Bezirkssportbünde von solchen und ähnlichen Fällen und Praktiken wissen. In Berlin-Mitte geben sowohl das Bezirksamt als auch der Bezirkssportbund auf Anfrage von rbb|24 an, nichts von Fällen zu wissen, in denen Zeiten in Sportstätten von Vereinen an Dritte abgegeben bzw. verkauft wurden. Dabei liegen rbb|24 eindeutige Belege vor, dass es diese Fälle sehr wohl gab und gibt - und dass Bezirksamt und Bezirkssportbund auch von ihnen wissen.

rbb|24 liegt beispielweise ein Protokoll von einer Mitgliederversammlung des Bezirkssportbundes Berlin-Mitte Ende des Jahres 2021 vor. In diesem ist der Hinweis eines Anwesenden auf angeblich "verkaufte" Hallenzeiten vermerkt. Der damalige Präsident und heutige Vize-Präsident des Bezirkssportbundes, Thomas Meyer, gab daraufhin einerseits an, von "verkauften" Hallenzeiten nichts zu wissen - sagte aber auch, "bei zwei Vereinen sei dies beim Nutzen von Sportplätzen aber schon so", wie es im Protokoll heißt. Anderthalb Jahre später verweist Meyer auf rbb|24-Anfrage auf einen "irreführenden Inhalt" in dem - von ihm abgezeichneten - Protokoll: Er habe von Angeboten eines Drittanbieters an zwei Vereine gewusst, nicht aber, dass diese darauf eingegangen wären.

Bezirksämter und LSB wissen von "verkauften" Nutzungszeiten

Ein Schreiben, das der Bezirkssportbund mehrere Monate vor der besagten Sitzung an seine Vereine verschickt hatte, lässt vermuten, dass das so nicht stimmt. In diesem Schreiben - das nun Meyer selbst rbb|24 zur Verfügung stellte - heißt es, das Bezirksamt habe gleich "einige Sportvereine" angewiesen, "dass die Kooperation mit einem kommerziellen Drittanbieter umgehend einzustellen ist".

Mehr noch: Meyer erklärt, dass er das Thema verkaufte Nutzungszeiten auch in die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte getragen habe. Genauso habe es im Jahr 2021 eine Gesprächsrunde aller Sportverantwortlichen aus den Berliner-Bezirken dazu gegeben. Während das Bezirksamt Lichtenberg diesen Austausch bestätigt, gibt etwa das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf an, weitergegebene Nutzungszeiten seien dort noch "kein Thema gewesen".

Auch David Kozlowski vom Landessportbund Berlin berichtet von fünf ihm bekannten Fällen seit 2015, in denen lange und mit System Nutzungszeiten "verkauft" worden seien. Der jüngste habe mit einem außergerichtlichen Vergleich und einer sechsstelligen Strafzahlung für den Verein geendet. Wenn allein schon in Berlin-Mitte und nur im Jahr 2021 gleich "einige Sportvereine" angewiesen wurden, "Kooperationen" zu beenden, spricht das für deutlich mehr als nur fünf Fälle.

Verantwortungen bei der Vergabe verschwimmen

Aber nicht nur bei der Nutzung, sondern bereits bei der Vergabe von Sportstätten gibt es Unsauberkeiten. Zur Erinnerung: Laut SPAN dürfen sich die Bezirksämter hierbei von den Bezirkssportbünden lediglich beraten lassen. In der Realität scheinen die Ämter die Vergabe teils fast gänzlich in die Hände der Bezirkssportbünde zu geben bzw. dessen Empfehlungen uneingeschränkt zu folgen. Das Problem: Die Bezirkssportbünde vertreten allen voran die Interessen ihrer Mitgliedervereine, werden dazu teilweise von deren Verantwortlichen geführt.

Ein Beispiel aus einem der Berliner Bezirke: Der dortige Bezirkssportbund-Präsident ist gleichzeitig hauptberuflich Verantwortlicher eines einzelnen Sportvereins aus dem Bezirk. Dem rbb liegt ein Schriftverkehr vor, in dem der Bezirkssportbund-Präsident einem Verein gegenüber rechtfertigt, warum diesem zahlreiche Hallenzeiten im Bezirk entzogen wurden. Dabei hatte der Verein seine Nachfrage zu den Gründen hierfür an das - eigentlich zuständige - Bezirksamt geschickt. Wer übernimmt also genau welche Rollen?

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf beispielsweise gibt an, dass dessen "Fachbereich Sportförderung" die Vergabe übernimmt. Es berichtet aber auch, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Bezirkssportbund zuletzt "intensiviert" habe. Beispielsweise lege man die Vergabe-Daten dem Bezirkssportbund vor deren Versand an die Vereine nochmal zur "Durchsicht" vor. "Es gibt auch Bezirke, wo der Bezirkssportbund die Vergabe übernimmt, das aber gut läuft", sagt Husein Dizdarevic. Dennoch bleibt der Konflikt mit der SPAN und die Gefahr von unsauberen Vergabe-Verfahren zu Gunsten bestimmter Vereine.

Das Erika-Heß-Eisstadion in Berlin-Wedding | Bild: IMAGO/Future Image | Quelle: IMAGO/Future Image

Eissport als Spitze des Eisbergs

Das krasseste Beispiel hierfür bietet die Vergabe von Eiszeiten in Berlin. Zwei der Berliner Eisflächen werden direkt vom Senat verteilt, die übrigen sechs – eigentlich – von den Bezirksämtern. "Das Wort 'eigentlich' muss betont werden", sagte eine gut vernetzte Verantwortliche aus dem Berliner Eiskunstlauf rbb|24. Praktisch hätten die Bezirksämter die Vergabe-Hoheit jedoch an den Berliner Eissport-Verband abgegeben.

Der Verband wiederum hat einzelne sogenannte "Eiszeiten-Koordinatoren" installiert. Es ist ein Amt, dessen Existenz der Verband zwar auf rbb|24-Anfrage bestätigt, das sich aber weder auf der Webseite des Verbands noch in irgendwelchen Vergabe-Vorschriften finden lässt. So haben auch andere Vereine das Prizip das Prinzip "Eiszeiten-Koordinatoren" bereits kritisiert. So wie etwa im März 2018, als die Eigenheiten der Eiszeit-Vergabe in einer genauestens protokollierten Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses Thema waren.

Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf spricht von einer "notwendigen Zusammenarbeit" zur überbezirklichen Koordination von Eisflächen - es entsteht aber eher der Eindruck, dass hier Verantwortung abgegeben wird. Hinzu kommt, dass einer der besagten Koordinatoren - laut der Eiskunstlauf-Verantwortlichen - zeitgleich einen Verein mit großer Nachfrage an Eiszeiten führen soll. "Es kann doch nicht sein, dass der Präsident eines Vereins gleichzeitig für alle Vereine die Eiszeiten koordiniert", kritisiert sie.

Ganz allgemein zeichnet die Verantwortliche, die ebenfalls anonym bleiben möchte, ein düsteres Bild: Sie berichtet von Eiszeiten, deren Verfügbarkeit nur bestimmten Vereinen mitgeteilt wird, von einflussreichen Trainern, bevorzugten Bekannten und vor allem von einem fehlenden Überblick auf Seiten der – eigentlich – zuständigen Bezirksämter. "Es ist alles Vetternwirtschaft, ganz einfach", sagt sie.

Der Berliner Eissport-Verband selbst räumt rbb|24 gegenüber Kritik an der Arbeit der "Eiszeiten-Koordinatoren" von Vereinsseite durchaus ein. Diese sei jedoch allen voran auf die Knappheit von Eiszeiten im Allgemeinen zurückzuführen. Dennoch bestätigt der Verband auch, dass er in der Vergangenheit Vorwürfe zu Unregelmäßigkeiten bei der Eiszeiten-Vergabe nachgegangen sei. "In einem Teil dieser wenigen Fälle" hätten sich diese als unbegründet erwiesen. In anderen Worten: Es gab wohl auch Fälle, wo sich die Vorwürfe bewahrheitet haben. Dazu gibt der Verband an, aktuell "mit den Eiszeiten-Koordinatoren und den Vergabestellen" der Bezirke weitere und zahlreichere Beschwerden aus dem Eiskunstlauf auszuwerten.

Forderungen und (vermeintliche) Fortschritte

Egal ob im Eissport, im Hallensport oder mit Blick auf Sportplätze – die größte Forderung der unzufriedenen Vereine ist stets dieselbe: mehr Transparenz. "Es muss offengelegt werden, welche Vereine auf welcher Grundlage welche Sportstätte nutzen", sagt Husein Dizdarevic von der FBL Berlin, "und die Auslastung muss messbar sein." Nur so könnten Sportstätten gerecht, nach Bedarf und effizient verteilt werden.

Um das sicherzustellen, braucht es von Seiten des Senats und der Bezirksämter nicht nur kleine Anpassungen, sondern wohl eher eine Systemreform. Eine Lösung für das Kapazitäten-Problem könnte hierbei die Digitalisierung darstellen: Stichprobenartige Überprüfungen von Sportstätten könnten etwa durch QR-Codes in Sporthallen ersetzt werden, die von den Sporttreibenden anonymisiert gescannt werden müssen.

Auch im Berliner Senat gibt es hierzu seit Langem Diskussionen. Bereits im März 2018 hat er im "6. Berliner Sportbericht" angekündigt, ab 2020 die Belegungspläne der Sportstätten zu digitalisieren. "Im Herbst dieses Jahres soll diese digitale Vergabe nun endlich kommen", sagt David Kozlowski vom Landessportbund – mit drei Jahren Verspätung und erst einmal in zwei von zwölf Berliner Bezirken.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.06.2023, 12:15 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

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