Hertha vor Zweitliga-Start
Die Saison-Vorbereitung von Hertha BSC verlief alles andere als ruhig. Auch deshalb zeigen sich die Berliner vor ihrem Zweitliga-Auftakt bei Fortuna Düsseldorf am Samstag bodenständig. Und Trainer Pal Dardai schielt auf die Weihnachtszeit. Von Miriam Sinno
Den Fußball-Zweitligisten Hertha BSC mit einem Wort zu beschreiben, ist aktuell wohl so schwer wie nie. "Chaotisch“ bringt es vielleicht am besten auf den Punkt. Chaotisch scheint bisher der Transfersommer, in dem mehr Spieler ziehen gelassen wurden als gekauft. Chaotisch lief das Trainings-Lager, weil die Suspendierung von Torwart-Neuzugang Marius Gersbeck nach einer körperlichen Auseinandersetzung in den Vordergrund gerückt ist. Chaotisch schienen die sechs Testspiele gewesen zu sein, von denen nur drei gewonnen werden konnten.
Doch genau in diesem Moment ist Pal Dardai da. Das Trainer-Urgestein, das nur ein paar Spieltage vor Schluss der letzten Saison als Retter gekommen ist, aber nichts mehr retten konnte, will die Zweitliga-Suppe selbst auslöffeln. "Egal, was man gelesen und gehört hat: Die Mannschaft hat alles verkraftet", beteuert er. "Es hat uns nichts gestört."
Der Abstieg scheint verdaut, der Blick wird nach vorne gerichtet. Und das, obwohl die Finanzlage trotz der teuren Abgänge nicht besser geworden ist. Was macht es mit Blau-Weiß, starke Spieler wie Lucas Tousart jetzt für nur drei Millionen Euro Ablöse an den Stadtrivalen Union Berlin ziehen zu lassen? Wie fühlt es sich wohl an, den Vertrag mit Torhüter Alexander Schwolow aufzulösen, um dann kurz darauf über seinen Wechsel zu den Eisernen zu lesen?
Sportdirektor Benjamin Weber wird keine ruhigen Nächte haben. Doch das lässt er nicht durchblicken. "Wir freuen uns einfach sehr auf den Auftakt", sagt er. "Wir schauen uns die ersten Spiele an und natürlich wird es sich dann auch irgendwann abzeichnen, wohin die Reise geht."
Webers vielleicht größte Baustelle ist es, einen Abnehmer für Herthas wertvollsten Spieler und besten Torschützen der vergangenen Saison (elf Treffer, vier Vorlagen) zu finden: Dodi Lukebakio steht ganz oben auf der Gehaltsliste der Herthaner, wird aber kein Spiel mehr für die Berliner absolvieren, um vor möglichen Verletzungen geschützt zu sein. Gesund soll er der Hertha gut zehn Millionen Euro in die leeren Kassen spülen.
Ein Abnehmer soll bis zum Ende des Transferfensters am 1. September gefunden werden. "Wir hatten in diesem Transfersommer bereits 20 Bewegungen in Form von Zu- und Abgängen und auslaufenden Verträgen. Natürlich werden wir die Augen offen halten und vorbereitet sein", sagt Sportdirektor Weber.
Zurück zum Fels in der Brandung: Trainer Dardai scheint aktuell mit jeder Faser seines Körpers leidenschaftlich in diese Zweitliga-Saison starten zu wollen. Wieso sollten seine Spieler nicht genauso leidenschaftlich auf dem Feld agieren? Denn einen Vorteil hat dieses Wirrwarr doch. Die Ausgänge von chaotischen Zuständen sind meistens nicht berechenbar. Wie also ist Hertha aktuell einzuschätzen? Der Coach selbst hat nur ein Ziel: "Lasst uns Weihnachten noch hier sitzen und eine Chance auf oben haben. Das kann der fünfte oder sechste Platz sein, aber bitte nicht unter dem zehnten Platz", so Dardai.
Kurz und knapp: Zumindest im deutschen Unterhaus spielte die Hertha in der Vergangenheit gerne gegen Düsseldorf. Denn von acht Zweitliga-Duellen haben die Berliner kein einziges verloren. Drei Siege und fünf Unentschieden fuhren die Blau-Weißen ein. Auch in Auswärtsspielen bei der Fortuna sind die Herthaner in der 2. Liga bisher dementsprechend unbesiegt: zwei Siege und zwei Unentschieden in der Merkur Spiel-Arena stehen in der Bilanz. Auf die Relegation 2012 wird der Berliner Anhang allerdings weniger erfeut zurückblicken. Damals stieg Hertha nach einer 1:2-Niederlage im Olympiastadion und einem 2:2-Remis in Düsseldorf in die 2. Bundesliga ab.
Fortuna Düsseldorf spiegelt das komplette Gegenteil von Hertha BSC wider. Kein Testspiel ging verloren, selbst gegen den Bundesligisten aus Bochum feierte die Mannschaft von Daniel Thioune einen 3:1-Sieg. Der Kader ist vor diesem Saison-Auftakt klein, aber fein.
Ein Umstand, den Kapitän Andre Hoffmann nicht schlecht findet, wie er sagt. "Jeder kommt da auf seine Spielzeiten und fühlt sich abgeholt. Wir haben wenige Neue bisher. Man kennt sich, ist eingespielt. Man merkt, dass wir die Abläufe kennen.”, so der Abwehrspieler gegenüber der "Bild".
Für Fortunas Vorstand Sport, Klaus Allofs, gestaltet sich das alles etwas komplizierter: Sparmaßnahmen müssen auch die Düsseldorfer verkraften. Nach acht Abgängen kamen bisher nur drei neue Spieler dazu (Niemczyki, Vermeij & Engelhardt).
Gegen namhafte Testspiel-Gegner (Young Boys Bern, Royal Antwerpen und Standard Lüttich) gelang kein Sieg. Was in der Offensive zu harmlos erschien, war in der Defensive zu anfällig. Und trotzdem könnte Dardai an der Elf, die er gegen Lüttich starten ließ, Gefallen gefunden haben.
Wer die Saison als Kapitän bestreiten wird, ist unklar. Dardai möchte diese Frage erst beantworten, wenn der Kader komplett ist. Zuletzt hat die Spielführer-Binde Marco Richter getragen, doch auch Florian Niederlechner und Toni Leistner kommen für dieses Amt in Frage.
So könnte Hertha beginnen: O. Christensen - Zeefuik, Leistner, Kempf, Dudziak - Klemens, M. Dardai - Winkler, Richter, Reese – Niederlechner
Es fehlen: Nsona und Pekarik (beide im Aufbautraining), Rogel und Maza (fallen beide nach OPs aus), Lukebakio und Maolida (trainieren beide individuell), Gersbeck (suspendiert)
Hertha BSC wird eingestimmt und leidenschaftlich in dieses Spiel starten und somit den Gegner auf die Probe stellen. Fortuna Düsseldorf wird allerdings von den heimischen Fans getragen und nicht zulassen, als Verlierer vom Platz zu gehen.
Der rbb|24-Tipp: Nach einer körperbetonten Partie inklusive vieler Karten trennen sich Hertha und Fortuna am Samstagabend (20:30 Uhr) mit einem 2:2-Unentschieden.
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.07.2023, 18 Uhr
Beitrag von Miriam Sinno
Artikel im mobilen Angebot lesen