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Audio: rbb24 Inforadio | 21.07.2023 | Philipp Höppner | Quelle: Imago Images/RHR-Foto

Fazit zum Hertha-Trainingslager

Und trainiert wurde ja auch noch

Eigentlich wollte Herthas Profiteam in Zell am See die letzten Vorbereitungen für die 2. Liga treffen: Taktische Formation, Startelf, Standards. Doch das Trainingslager entpuppte sich als fast täglich wechselndes Überraschungsei der schlechten Nachrichten. Von Philipp Höppner

In genau acht Tagen startet Hertha BSC in die zweite Liga. Und Pal Dardai freut sich seinen Worten zufolge auf eine zweite Liga, von der er sagt, sie sei nicht wie früher. "Schöne Stadien, fast überall gute Mannschaften. Die 2. Liga ist richtig attraktiv", schwärmt der Ungar. "Ich bin schon froh, dass das losgeht. Ich brauche dieses Adrenalin eines richtigen Spiels und keines Freundschaftsspiels." Auch viele Fans erwarten den Start der Liga sehnlichst, in der Hoffnung, sie lenke von den vielen Themen abseits des Platzes ab.

Transfer zum Stadtrivalen

Tousart wechselt von Hertha zu Union Berlin

Gersbeck-Vorfall überschattet Trainingslager

Eine schlechte Nachricht nach der anderen mussten die Fans von Hertha BSC in den letzten Tagen hinnehmen. Der U21-Nationalspieler und Fanliebling Jessic Ngankam reist gar nicht erst mit ins Trainingslager und wechselt zu Eintracht Frankfurt. Der Rückkehrer Marius Gersbeck, zugleich Identifikationsfigur, bricht mutmaßlich bei einer Schlägerei einem Einheimischen das Nasenbein und wird suspendiert. Die einstigen Rekordtransfers Krzysztof Piatek und Lucas Tousart verlassen die Hertha mit einem Verlust von 47 Millionen Euro. Tousart wechselt zum Stadtrivalen Union Berlin. Und Herthas jüngster Bundesliga-Torschütze Ibrahim Maza verletzt sich beim Testspiel gegen RWD Molenbeek am Knie. Das Nachwuchstalent muss operiert werden und wird wohl für drei Monate ausfallen. Uff.

Pal Dardai möchte über diese Themen nicht gerne sprechen. Er sei dafür auch nicht der richtige Ansprechpartner. Ein paar Worte an frustrierte Fans wird er dann aber doch los - besonders in Bezug auf den Wechsel von Lucas Tousart zu Union. "So ist der Sport, so ist der Fußball", sagt der Ungar. Viele Fans hatten teils heftige Beleidigungen gegen Tousart, als auch Herthas Geschäftsführung in den sozialen Medien geäußert. Union sei ein No-Go und die sofortige Ablöse von drei Millionen Euro viel zu wenig, bei Tousarts Marktwert von geschätzt neun Millionen Euro. "Ich glaube trotzdem, Respekt ist das Allerwichtigste in dieser Welt. Unsere Energie, unsere positiven Gedanken sollten bei uns sein. Nicht bei anderen Vereinen, nicht bei anderen Farben. Unsere sind blau-weiß und da sollten wir positiv sein", sagt Dardai.

Hertha-Neuzugänge Fabian Reese und Toni Leistner | Quelle: Imago Images/RHR-Foto

Sonderlob für Leistner und Reese

Zwar konnte Hertha nicht viel Geld für neue Spieler ausgeben, doch auch dafür habe Dardai Verständnis. "Ich bin hier nicht zum Heulen. Ich arbeite mit den Spielern, die kommen und ich bin bis jetzt auch sehr zufrieden, was wir bekommen haben. Ich weiß, wir haben eine Grenze." Besonders zufrieden war der Cheftrainer mit Toni Leistner und Fabian Reese, wie er sagt. Leistner kam ablösefrei aus der belgischen Liga und soll mit seinen 32 Jahren ein robuster Kommunikator auf dem Platz sein. "Toni kam und dirigiert schon. Das ist sehr gut." Auch Fabian Reese, der sich extrem schnell in die Mannschaft integriert habe, bekam Sonderlob vom Chef: "Ich bin hochzufrieden, wie Reese angekommen ist. Fabian kommt und es wirkt, als wäre er schon hundert Jahre hier und funktioniert."

In den beiden Testspielen zu Beginn des Trainingslagers stach Reese nicht nur wegen seiner lackierten Fingernägel und langen Haare hervor, sondern vor allem wegen seiner Leistung auf dem Platz. Der 25-Jährige schoss gegen RWD Molenbeek das erste Tor selbst, ansehnlich per Volley und bereitete das Zweite vor. Auch gegen den belgischen Meister, Royal Antwerpen, war Reese auf seinem linken Flügel der auffälligste Herthaner. Das Zusammenspiel mit Marco Richter funktionierte besonders gut - beide haben Bundesliga-Qualitäten. Und auch der über die rechte Seite agierende Marten Winkler machte eine gute Figur. Winkler ist ein Hertha-Eigengewächs und war in der vergangenen Saison an Waldhof Mannheim ausgeliehen, wo er mit neun Toren und fünf Vorlagen einen großen Entwicklungsschritt machte.

Trainingslager

Hertha BSC verliert Testspiel gegen belgischen Meister Royal Antwerpen

Chance oder Risiko?

Während das offensive Mittelfeld Herthas Prachtstück zu sein scheint, klafft im defensiven Mittelfeld ein gewaltiges Loch. Dardai trainierte und spielte während des gesamten Trainingslagers in seinem geliebten 4-2-3-1. Das Problem ist aber, dass er keinen einzigen echten 6er im Kader hat. So wurden die beiden extrem jungen, und weitestgehend unerfahrenen Marton Dardai (21) und Pascal Klemens (18) in der "A-Mannschaft" als Doppel-6 aufgestellt. "Ich muss immer mit den Spielern arbeiten, die hier sind. Und der Fleiß und der Wille haben mich begeistert", sagt der Trainer. Somit wird Hertha zwangsläufig aus der Not eine Tugend machen müssen. Mit wenig Geld, und dafür mit vielen Spielern aus der Akademie den "Berliner Weg" entlang.

Doch auch Spieler mit mehr Erfahrung sind im Kader vorhanden. Zwar beantwortet Dardai die Frage nach einem Kapitän noch nicht, mit der Begründung, "der Kader ist noch nicht fertig". Aber einigen Spielern, wie dem Mittelfeldmann Marco Richter, stellte er das Amt in Aussicht. Richter lief in den Testspielen mit der Binde um den Arm auf, doch sein Verbleib in Berlin ist noch nicht gewiss. Auch Florian Niederlechner wurde von Dardai als Kandidat genannt. Und Toni Leistner, als Dirigent in der Abwehr und jemand mit sehr viel Erfahrung, ist ebenfalls denkbar. Marius Gersbeck, der noch zu Beginn des Trainingslagers von Dardai als Führungsspieler gelistet wurde, dürfte jedoch erstmal nicht mehr in Frage kommen.

Herthas Peter Pekarik verlängert

Diese Fußballer waren ihren Vereinen besonders treu

Herthas Peter Pekarik hat seinen Vertrag erneut verlängert. Er ist der aktuell dienstälteste Profi im Kader des ebenfalls vereinstreuen Pal Dardai. Die Hingabe für einen Verein ist besonders, in der Region aber nicht einzigartig. Eine Auswahl.

"Fragt mich nach dem dritten Spieltag nochmal"

Eine Einschätzung, ob Hertha zu den Aufstiegsfavoriten zähle, will Dardai noch nicht abgeben. Er habe sich lange nicht mit der 2. Liga beschäftigt und könne es daher nicht einschätzen. "Nach drei oder vier Spieltagen kannst du fragen. Dann sage ich 'Aufstieg, Liga bleiben, nicht absteigen.'" Heute könne er nur sagen, dass seine Mannschaft mittlerweile nach einer Mannschaft aussehe und Qualität habe. "Wenn wir uns finden und Tore machen, dann können wir über viele Dinge reden." Damit das Toreschießen klappt, stehen in den letzten Tagen, bevor es in der Liga losgeht, Abschlüsse weit oben auf dem Trainingszettel.

Der Neuzugang Smail Prevljak, der ablösefrei vom KAS Eupen kam, ist ein weiterer Spieler, von dem Hertha sich Tore erhofft. Der Bosnier schoss in den letzten drei Jahren in Belgien in 99 Spielen 46 Tore. Wobei es in der vergangenen Saison in 30 Spielen nur sechs Treffer waren. "Unsere Spielweise, wie wir spielen, die muss er noch kennenlernen. Und als erstes muss er fit werden, denn wenn er körperlich fit ist, werden wir noch sehr viel Freude mit ihm haben", sagt Dardai. Für die Startelf ist Prevljak somit erstmal kein Kandidat. Die könnte gegen Düsseldorf so aussehen: Christensen - Dudziak, Leistner, Kempf, Zeefuik - Dardai, Klemens - Reese, Richter, Winkler - Niederlechner

Rückreise mit Zwischenstopp

Auf der Rückreise nach Berlin steht noch ein Zwischenstopp in Belgien, bei Standard Lüttich, an. Dort absolviert Hertha ein letztes Testspiel. Danach bekommen die Spieler, wenn alles läuft wie geplant, zwei Tage frei, bevor der normale Alltag losgeht. Samstagabend um 20:30 Uhr geht es für die alte Dame dann los in der zweiten Liga: als Gast bei Fortuna Düsseldorf.

Sendung: rbb24 Inforadio, 21.07.2023, 8:15 Uhr

Beitrag von Philipp Höppner

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