rbb24
  1. rbb|24
  2. Sport
Quelle: IMAGO / photoarena/Eisenhuth

Heitinga trifft Közle

Die vergessenen Transfers von Hertha und Union

Noch sind die Kader von Hertha BSC und Union Berlin für die kommende Saison nicht komplett. Dass nicht jeder Neuzugang ein Volltreffer ist, dafür mancher umso kurioser, beweist ein Blick zurück. Von Fabian Friedmann

Marcelinho, Pal Dardai oder Torsten Mattuschka – große Namen, die bei Hertha und Union zu Ikonen wurden und deren Transfers von allen Anhängern der Klubs noch heute als äußerst gute Entscheidungen angesehen werden. Spieler, die durch ihre Leistungen und ihre Persönlichkeit im kollektiven Gedächtnis des Vereins verankert sind. Gute Transfers für großen Sport – so die einfache Rechnung.

Doch da gibt es auch die Kehrseite, die sportlichen Missverständnisse und kurzfristigen Leihgeschäfte. Das sportliche Scheitern hat viele Gesichter: Sei es aus dem Grund, dass der Spieler zu kurz bei dem Verein war, seine Leistungen zu schwach waren, sein Spielstil nicht ins Anforderungsprofil der Trainer passte oder Verletzungen im Weg standen.

2. Liga statt Champions League

Hertha-Stürmer Ngankam lehnt Union-Wechsel ab

Das Millionengrab Eduard Löwen

Ein Transfer aus der jüngsten Hertha-Vergangenheit, der genau in diese Kategorie der vergessenen Transfers passt, ist Eduard Löwen. 2019 überwies Hertha BSC für den bulligen, zentralen Mittelfeldspieler satte sieben Millionen Euro an den 1. FC Nürnberg und stattete ihn mit einem Vierjahresvertrag aus. Löwen tat sich von Beginn an schwer, schlug sich mit vielen Verletzungen herum und landete schließlich auf dem Abstellgleis – sowohl unter Trainer Ante Covic, als auch bei Jürgen Klinsmann oder Bruno Labbadia.

Es folgten Leihgeschäfte nach Augsburg und Bochum, bis er schließlich im Juli 2022 für eine Million Euro in die USA zu St. Louis City wechselte, wo er aktuell seinen zweiten Frühling erlebt. Sein Arbeitsnachweis für die Hertha: 14 Einsätze, kein Tor.

Heitinga und Ottl als personifizierte Missverständnisse

Dass teils auch prominente, hochdekorierte Profis bei Hertha BSC zum Flop mutieren konnten, unterstrich einmal mehr Johnny Heitinga. Der holländische Vizeweltmeister sollte 2014 neuer Abwehrchef der Berliner werden und kam ablösefrei vom FC Fulham. Nach 14 Spielen wurde das personifizierte Missverständnis für beendet erklärt und Heitinga schloss sich Ajax Amsterdam an, wo er im Frühjahr 2023 sogar kurzzeitig Interims-Trainer wurde.

Ähnlich erging es Andreas Ottl. Der dreimalige deutsche Meister kam 2011 von Bayern München zur Hertha, doch eine Führungsrolle im Mittelfeld konnte er nie übernehmen. Die Hertha stieg ab und Ottl ging zum FC Augsburg. Dass Ottl überhaupt jemals das Hertha-Trikot trug, haben wohl viele blau-weiße Fans zurecht aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

Die vergessenen Brasilianer André Lima und Kaká

Die Liste der Spieler, die Hertha früh verließen, obwohl für mehrere Millionen verpflichtet und mit langfristen Verträgen ausgestattet, ist lang. Wer erinnert sich noch an den Brasilianer André Lima? 2007 mit reichlich Vorschusslorbeeren für 3,5 Millionen von Botafogo gekommen, entpuppte sich Lima als kapitaler Fehleinkauf. Nach nur einer Spielzeit (16 Einsätze, zwei Tore) wurde er über Jahre zu verschiedenen Clubs zurück in die Heimat verliehen. 2010 ging Lima dann ablösefrei zu Fluminense.

Ein weiterer Brasilianer, der sportlich vieles vermissen ließ, war Innenverteidiger Kaká. 2008 wechselte der Namensvetter des ehemaligen Weltfußballers für knapp zwei Millionen Euro aus Portugal. Nach eineinhalb erfolglosen Jahren bei der Hertha (26 Einsätze), wurde er zunächst verliehen und schließlich zu APOEL Nikosia verkauft, wo er immerhin noch zu Champions-League-Ehren kam und 2012 sogar ein Viertelfinale gegen Real Madrid spielen durfte.

Spielerberater Stefan Backs im Interview

"Hertha muss das akzeptieren, was kommt"

Sommerzeit ist Transferzeit. Stefan Backs ist seit 20 Jahren Spielerberater und kennt die besonderen Gegebenheiten des Transfermarkts. Ein Gespräch über das Hertha-Dilemma, den schmalen Grat des 1. FC Union und Geldverbrennung in Saudi-Arabien.

Wer war Amine Chermiti?

"Sehr einsatzfreudig, gefällt mir", sagte Hertha-Trainer Lucien Favre einst über den tunesischen Stürmer Amine Chermiti. Der Angreifer, an den sich vermutlich nur noch absolute Hertha-Nerds oder Bundesliga-Insider erinnern können, kam 2008 für 2,2 Millionen Euro von ES Sahel an die Spree, verletzte sich früh und kam nie wieder auf die Beine. Favres dunkle Prophezeiung, dass er "manchmal zu sehr am Limit" agiere, bestätigte sich.

Nach nur 14 Einsätzen wurde er nach Saudi-Arabien verliehen und wechselte dann ablösefrei zum FC Zürich. Karriereende 2020 in Indien bei Mumbai City - wohl kaum jemand würde Chermiti noch mit Hertha BSC in Verbindung bringen.

Union und das Dajaku-Paradoxon

Selbst der auf dem Transfermarkt häufig so clever agierende 1. FC Union ist von so manchem Transfer-Fehlgriff nicht verschont geblieben. Im Januar 2021 wechselte der 19-Jährige Leon Dajaku von der 2. Mannschaft des FC Bayern zu Union Berlin, kam aber unter Urs Fischer – auch aufgrund einer langwierigen Fußverletzung – nur zu zwei Kurzeinsätzen. Die Leihe wurde beendet und Union zog überraschend die Kaufoption. Satte 1,5 Millionen Euro wurden fällig. Zu diesem Zeitpunkt ist Dajaku einer der zehn teuersten Transfers der Vereinsgeschichte. Es ist eine Wette auf die Zukunft, denn Dajaku konnte bis dahin kaum einen Nachweis seiner sportlichen Leistungsfähigkeit erbringen.

Zwei Monate nach der festen Verpflichtung verlieh man Dajaku zum AFC Sunderland in die dritte englische Liga. Glück für Union: Durch den Aufstieg des AFC griff zur Saison eine Kaufpflicht und die Engländer mussten 870.000 Euro Ablösesumme bezahlen. Warum aber Unions Manager Oliver Ruhnert damals die Kaufoption bei dem Offensivspieler zog, ist nach heutigem Kenntnisstand kaum nachvollziehbar. Unterm Strich bleiben für Dajaku 35 eiserne Spielminuten, für die Union in der Abrechnung 630.000 Euro bezahlte.

Petar Musa: Sportlicher Aufstieg nach eiserner Leihe

Auf Leihbasis kam im Sommer 2021 der 1,90 Meter große Mittelstürmer Petar Musa von Slavia Prag an die Alte Försterei. Der junge Angreifer kam zunächst häufig von der Bank, erarbeitete sich dann aber einen Stammplatz und spielte auch im Derby gegen Hertha BSC von Anfang an. Am Ende standen 14 Einsätze und ein Tor für den Kroaten zu Buche. Oliver Ruhnert sagte damals über Musa: "Wenn man das Alter und die Veranlagungen sieht, bringt Petar ganz viel mit. Ich glaube, dass er noch sehr interessant werden kann und wird. Aber natürlich muss man auch beurteilen, was uns jetzt hilft."

Musa half wohl zu wenig und war den Verantwortlichen in Köpenick zu teuer, weshalb es für ihn zurück nach Tschechien ging. Mittlerweile steht der kantige Stürmer bei Benfica Lissabon unter Vertrag, ist portugiesischer Meister und kroatischer Nationalspieler geworden und läuft häufiger in der Champions League auf. Sein Marktwert liegt laut transfermarkt.de bei sieben Millionen Euro. Musa wäre also durchaus eine gute Investition für den FCU gewesen, so blieb er nur eine Randnotiz.

Jubiläum für den Trainer

Fünf Dinge, die Urs Fischer für Union so wichtig machen

Seit fünf Jahren ist Urs Fischer Trainer des 1. FC Union. Ohne seine fachlichen und menschlichen Stärken würden die Eisernen wohl nicht so gut dastehen. Till Oppermann hat fünf besonders wichtige Eigenschaften des Erfolgstrainers zusammengetragen.

Ein Österreicher für 30.000 Euro

Welcher Union-Fan kennt noch Christoph Schösswendter? Der Österreicher kam 2017 von Rapid Wien für die lächerlich geringe Ablösesumme von 30.000 Euro zum 1. FC Union. Zum Antritt sagte Schösswendter: "Ich bin nicht chancenlos, wenn ich mich gut eingelebt habe, kann ich sicher eine gute Rolle spielen." Konnte er nicht. Der Innenverteidiger blieb eineinhalb Jahre, durfte dreimal in der 2. Liga und einmal im Pokal auflaufen und hinterließ ansonsten keinerlei nachhaltigen Eindruck beim FCU. Trikots mit Schösswendter-Namenszug wird man auf der Waldseite vergeblich suchen.

Mit Peter Közle in der Regionalliga

Zum Schluss noch ein Name, der vielen Fußball-Experten hierzulande durchaus ein Begriff sein dürfte, den aber wohl kaum jemand mit Union Berlin verbindet: Peter Közle. Der ehemalige Bundesliga-Stürmer für Bochum und vor allem Duisburg ging vom August 1998 bis zum April 1999 tatsächlich für den 1. FC Union auf Torejagd – und zwar in der Regionalliga Nordost. Közle, dessen Markenzeichen immer die wilden Rasta-Locken waren, traf für die Eisernen in 27 Spielen immerhin sieben Mal. Seinen letzten Treffer erzielte er beim 1:0-Sieg vor 1900 Zuschauern im altehrwürdigen Alfred-Kunze-Sportpark gegen Sachsen Leipzig.

Im Jahr darauf gelang Union Berlin erstmals der Aufstieg in die 2. Liga. Dass der Verein 24 Jahre später in der Champions League angekommen ist, hätten damals wohl nicht mal kühnste Optimisten für möglich gehalten. Und auch vergessene Spieler wie Peter Közle haben diesen Weg irgendwie geebnet – zumindest ein kleines bisschen.

Sendung: rbb24, 03.07.2023, 21:45 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen