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Audio: rbb24 Inforadio | 20.09.2023 | Philipp Höppner | Quelle: Imago Images/Matthias Koch

Hertha-Linksverteidiger Jeremy Dudziak

"Wenn du so eine Erfahrung machst, dann verändert sich was bei dir"

Jeremy Dudziak ist Herthas einziger Linksverteidiger und damit gesetzt. Der Neuzugang von Fürth spricht im Trainingslager über seinen Start bei Hertha, seine Position und über das Erdbeben in der Türkei, das sein Leben für immer verändert hat. Von Philipp Höppner

Nach dem Training müssen sich die Journalisten noch ein wenig gedulden. Jeremy Dudziak legt auf dem Weg zur Medienrunde noch einen Zwischenstopp ein - in der Eistonne. "Ich glaube, jeden Tag ist das nötig, weil wir sehr hart trainieren." Die Vormittagseinheit am Mittwoch ging fast zwei Stunden, was aber auch daran lag, dass das Nachmittagstraining am Dienstag ausgefallen war. Es hatte geblitzt und gehagelt. Zum Abschluss des Trainings am Mittwoch stand eine Spielform auf einem etwas verkleinerten Feld an. Dudziak spielt in der "A-Elf" von Trainer Pal Dardai. Auch weil er der einzige Linksverteidiger im Kader ist.

Jeremy Dudziak und Mitspieler kühlen sich in Eistonne ab | Quelle: rbb/Philipp Höppner

Von der Qual der Wahl zur einzigen Option

2014 wechselte Marvin Plattenhardt vom 1. FC Nürnberg zu Hertha BSC. Die nächsten neun Jahre war er Stammspieler, im Wechsel mit Maximilian Mittelstädt. Luca Netz und Lukas Ullrich waren weitere Linksverteidiger-Talente aus der Hertha-Akademie. Doch beide wechselten auch mangels fehlender Perspektive auf der Position. Im Sommer ließ Hertha Plattenhardts Vertrag auslaufen. Mittelstädt blieb durch seinen Wechsel zum VfB Stuttgart in der ersten Liga. Und auf einmal stand Hertha ganz ohne Linksverteidiger da.

Dudziak kann auch offensives Mittelfeld, doch das spielte bei seinen ersten Gesprächen mit Hertha keine Rolle. "Es war von Anfang an klar, dass es auf Linksverteidiger hinausläuft." Doch damit hatte er kein Problem und unterschrieb bei der alten Dame - mit der Perspektive als garantierter Stammspieler. Doch ein wenig Konkurrenz würde auch nicht schaden, sagt er. "Konkurrenzkampf belebt alles, man wird dadurch besser, man strengt sich mehr an. Natürlich ist das mehr Druck, aber wenn man damit gut umgeht, wird man dadurch besser."

Unter Klopp zum Profi geworden

Dudziak ist gebürtiger Hamburger. Er durchlief die Dortmunder Akademie - und seit der U15 alle U-Nationalmannschaften für Deutschland. Den Sprung zu den Profis schaffte er beim BVB 2015, unter Jürgen Klopp. Doch kurze Zeit später zog es ihn wieder in den hohen Norden. Erst zu St. Pauli und dann zum HSV, wo er die meisten seiner 156 Spiele in der 2. Bundesliga bestritt.

2021 schloss sich Dudziak Aufsteiger Greuther Fürth an, stieg aber nach einer Saison wieder ab. Es folgte eine Zeit mit vielen, kleineren Verletzungen und somit auch weniger Spielminuten. In der Winterpause 22/23 wurde er in die Türkei verliehen.

Herthas Toni Leistner

Neuzugang mit dickem Fell

Neuzugang Toni Leistner zeigt sich im Trainingslager von Hertha BSC mit seinen ersten Wochen im Verein durchaus zufrieden. Und das, obwohl er nicht von allen herzlich Willkommen geheißen wurde. Nun will er auf dem Rasen überzeugen.

"Menschen sind gestorben, die ich sehr gut kannte"

Dudziak landete beim türkischen Erstligisten Hatayspor. Dieser spielt in der Stadt Antakya, die an Syrien angrenzt. Sein erst drittes und letztes Spiel für die Mannschaft bestritt er am 5. Februar. Zwei Tage später traf die Region eines der schwersten Erdbeben, die das Land je erlebt hat. Fast 60.000 Menschen starben und Jeremy Dudziak war mittendrin. "Es war definitiv nicht einfach. Menschen sind gestorben, die ich sehr gut kannte." Dudziak konnte das Land schnell und vor allem unversehrt verlassen. "Ich hatte das große Glück, das ich überlebt habe, dass ich rauskam. Und dass ich meine Familie hatte, die mich unterstützt hat in der Zeit."

Hatayspor zog sich aus der türkischen Süper Lig zurück - Dudziak machte seither kein Spiel mehr, musste sich individuell fit halten. Doch mehr als das: Dieses Erlebnis habe sein Leben verändert, schreibt er in einem Post auf Instagram kurz nach seiner Verpflichtung bei Hertha. Er sei dankbar für jeden Tag, für die kleinen Dinge im Leben und für jede Minute, die er auf dem Fußballplatz stehen könne. "Ich glaube, wenn du so eine Erfahrung machst, dann verändert sich was bei dir. Das sind halt so Themen, wo ich früher nie so Wert gelegt habe. Aber nachdem was ich gesehen und erlebt habe, ist das definitiv etwas, wo man sich Gedanken drüber macht."

Maza fällt aus

Neuanfang in Blau-Weiß

Bei Hertha ist dies nun ein Neuanfang für Dudziak. Und er fühlt sich in seinem neuen Umfeld wohl. "Die Mannschaft hat mich sehr gut aufgenommen. Ich kannte ja viele Jungs auch schon vorher." Zum Beispiel seinen Partner auf dem linken Flügel: Fabian Reese. In der 2. Liga spielten sie oft gegeneinander. Dudziak mit dem HSV und Fürth gegen Reese bei Holstein Kiel.

Mit ihm verstehe er sich jetzt am besten, sagt der Verteidiger. Und auch die neue Ausrichtung von Trainer Pal Dardai, der nach vorne schnell und mit wenig Ballkontakten spielen lassen möchte, liegt Dudziak. "Ich bin eher so ein Spielertyp der 'Spiel und gehen' spielt, deswegen passt mir das ganz gut. Dann kann ich mit Fabi [Reese] immer 1-2 spielen."

Nächste Woche ist Auftakt für Hertha in der 2. Liga. Am Samstag geht es im Topspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Und Jeremy Dudziak wird aller Voraussicht nach als Linksverteidiger starten. Ein Neuanfang für ihn, mit neu gewonnener Perspektive auf sein Leben und Dankbarkeit auf dem Platz stehen zu können.

Sendung: rbb24 Inforadio, 19.07.2023, 16:15 Uhr

Beitrag von Philipp Höppner

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