Niederlage in Düsseldorf
Hertha BSC ist mit einer Niederlage in die neue Zweitligasaison gestartet. Das Spiel gegen Fortuna Düsseldorf ist eine ehrliche Bestandsaufnahme über das derzeitige Leistungsvermögen der Berliner und beinhaltet mehr Lob als Kritik. Von Marc Schwitzky
"Versteht mich nicht falsch, aber das war zum ersten Spieltag schon ein dankbarer Gegner, gerade zu Hause. Das ist gar nicht despektierlich gemeint, aber wissen selbst wie es ist, sind vor ein paar Jahren aus der Bundesliga abgestiegen: viele Abgänge, viele Neuzugänge. Hertha hat wahnsinnig hohe Qualität, aber wahrscheinlich werden sie ein wenig Zeit brauchen, um diese Qualität auf den Rasen zu bekommen", erklärte Andre Hoffmann, Kapitän von Herthas Gegner Fortuna Düsseldorf, nach dem Schlusspfiff am Samstagabend am Sky-Mikrofon. "Von daher habe ich lieber am 1. Spieltag gegen sie gespielt als am 8. Spieltag, weil einfach noch nicht alles stimmen kann."
Manchmal reicht ein Kommentar von außen, um die eigene Lage präzise zusammenzufassen. Fortuna-Kapitän Hoffmann gelang genau das, denn tatsächlich war Bundesliga-Absteiger Hertha BSC zum 1. Spieltag die Saisonvorbereitung anzusehen – im Guten wie im Schlechten. Während viele Grundelemente bereits gut funktionierten, hakte es bei den Berlinern im letzten Prozentbereich – so lässt sich die knappe 0:1-Niederlage zum Saisonauftakt erklären.
Oftmals geben Testspiele in der Saisonvorbereitung deutlich weniger Aufschluss als es die Beteiligten wohl gerne zugeben würden. Es kommt in den Pflichtspielen dann eben doch anders. Herthas Generalprobe vor knapp einer Woche gegen Standard Lüttich hingegen entpuppte sich nahezu als Schablone dafür, wie die Berliner in Düsseldorf auftraten.
Wie für Trainer Pal Dardai üblich waren die Blau-Weißen zunächst darum bemüht, kompakt und diszipliniert im Kollektiv gegen den Ball zu arbeiten. Auffällig dicht gestaffelt, gab Hertha Düsseldorf, wechselnd im 4-2-3-1 und 4-4-2, wenig Räume für deren Angriffsspiel. Das Mittelfeldpressing, gepaart mit einer defensiv geprägten Doppelsechs aus zwei gelernten Innenverteidigern, ließ Düsseldorfs Offensive kaum Raum zur Entfaltung.
Gegner Düsseldorf hatte im ersten Durchgang mit 63 Prozent Ballbesitz zwar deutlich mehr Spielanteile, konnte diese aber kaum gewinnbringend einsetzen. Auch die Fortunen waren um Kontrolle bemüht und wollten der Hektik keinen Raum lassen. So ergab sich in der ersten Halbzeit ein durchaus statisches Spiel, in dem sich keine der beiden Mannschaften die Blöße eines Rückstandes geben wollte.
Nach den ersten 45 Minuten der neuen Saison ließen sich aus Herthas Perspektive bereits mehrere positive Aspekte festhalten. Die Mannschaft trat als Einheit auf, es war wenig Stückwerk zu sehen. Gegen den Ball agierten die Hauptstädter überaus souverän: Hertha wurde nicht überspielt, lenkte den Gegner immer wieder clever auf die Außen, um dort leichter in den Zweikampf und damit zum Ballgewinn zu kommen. Zudem stimmte durchgängig die Zweikampfintensität und die Abstände zwischen den Spielern und Ketten. Gegen den Ball ist es bereits eine Dardai-Mannschaft – ein großer Zwischenerfolg, war die Defensive doch das größte Sorgenkind in der vergangenen Saison, in der Hertha 69 Gegentore kassiert hatte.
Herthas Testspiele, nicht zuletzt das gegen Lüttich, zeigten jedoch auch Herthas Defizite, die vor allem im Offensivspiel liegen, auf. Die Probleme im Ballbesitz beginnen im eigenen Spielaufbau. Herthas Innenverteidiger Marc Oliver Kempf und Toni Leistner eröffnen das Spiel sehr konservativ. Die Doppelsechs bilden aktuell Marton Dardai und Pascal Klemens, die beide kaum Erfahrung auf der Position besitzen und sie eher defensiv interpretieren, sodass auch im Mittelfeldzentrum kein brauchbarer Spielaufbau entsteht. Die Rolle des dynamischen Balltreibers fehlt und macht Herthas Angriffsplan mitunter eindimensional – das zeigte sich auch gegen Düsseldorf.
Da sich Herthas zentrale Mittelfeldspieler zu selten durch wichtige Läufe für Dreiecksbildungen anbieten, um so auch mal Situationen im Halbraum aufzulösen, war das Berliner Spiel auch gegen Düsseldorf überaus flügellastig. Darauf kann sich der Gegner allerdings einstellen, sodass die sehr souveräne und kampfstarke Fortuna nur selten Probleme mit Herthas Flügelspiel hatte. Im ersten Durchgang gelang es den Gästen zu selten, durch gutes Kombinationsspiel den Flügel zu öffnen, um so die Flanke zu schlagen – zumal nur 15 Prozent der Hereingaben ankamen.
Mit dem 0:1-Gegentreffer in der 51. Minute, als Hertha bei einer Einwurfsituation sowohl den Flankengeber als auch Torschütze Daniel Ginczek zu nachlässig verteidigt hatte, stand die Offensive der "alten Dame" noch stärker im Fokus. Der eher abwartende Stil reichte nun nicht mehr aus. Doch je öfter Hertha Vorstöße wagte, desto klarer war zu sehen, dass die neu zusammengestellte Mannschaft sich noch nicht ausreichend kennt.
In Umschaltsituationen wurden beim letzten Pass immer wieder falsche Entscheidungen getroffen, in engen Räumen kannten die Berliner das Verhalten ihrer Mitspieler nicht gut genug, um sich mit kleinen Pässen zu befreien, teilweise stimmte auch die Raumaufteilung nicht, sodass sie sich gegenseitig auf den Füßen standen.
Zwar konnte Hertha durch höhere Pressinglinien und Außenverteidiger Jeremy Dudziak, der im zweiten Durchgang sehr viel aktiver spielte, mehr Druck entwickeln. Große Gefahr entstand gegen eine sehr sichere Fortuna-Abwehr aber selten. Sowohl beim Gegentreffer als auch in mehreren Offensivszenen war Hertha im entscheidenden Moment nicht zu 100 Prozent da – auch, weil es das erste Pflichtspiel einer Mannschaft war, die sich noch finden muss. Das ist eine Erkenntnis, aufgrund der nach wie vor laufenden Transferphase und Kaderplanung aber noch keine besorgniserregende Problematik.
"Ich kann der Mannschaft heute keinen Vorwurf machen", stellte Trainer Dardai nach dem Spiel klar. Er sei stolz, "weil die Jungs gut gearbeitet haben". Vor allem in der ersten Halbzeit hätte sein Team Tore erzielen können, wären noch mehr entscheidende Zuspiele angekommen. "Der letzte Pass, die letzte Konsequenz haben gefehlt", sagte Dardai und sprach von "einer guten Lehrstunde" für seine Mannschaft.
Man will dem 47-Jährigen beipflichten. Gegen Düsseldorf hat die Mannschaft gezeigt, in den grundsätzlichen Aspekten eines Spiels – Einsatz, Wille, Teamgeist, Struktur – womöglich sogar weiter zu sein als zu so einem frühen Zeitpunkt der Saison vermutet. Und doch hat das Spiel in Düsseldorf klar darauf hingewiesen, dass Hertha als vermeintlicher Favorit nicht durch die Liga schweben wird. Zu groß ist der Kaderumbruch, zu neu das Teamgefüge, zu wenig Geld kann Hertha in Transfers stecken und zu unerfahren sind einige Spieler, die gerade ihre ersten Profi-Einsätze verbuchen.
Herthas Startvoraussetzungen sind abseits aller Eitelkeiten zu kompliziert, als dass die zweite Liga – angeführt von so erfahrenen und gut strukturierten Mannschaften wie Fortuna Düsseldorf – unterschätzt werden darf. Gut ist, dass diese Erkenntnis von den Hertha-Verantwortlichen bereits vorweggenommen wurde. Es herrscht eine neue Demut an der Hanns-Braun-Straße.
Die Begegnung am Samstagabend war eine ehrliche Bestandsaufnahme für den Verein und beinhaltet mehr Lob als Kritik. Die Prämisse ist jedoch erst einmal klar: Hertha BSC ist mit der derzeitigen Qualität ein ganz normaler Zweitligist und wird nur durch Zeit, Ruhe und harte Arbeit mehr als das werden können. "Das war das erste von 34 Spielen. Dennoch nervt das natürlich extrem, wir wollten hier direkt mit einem guten Ergebnis starten", sagt Herthas Fabian Reese nach der Niederlage. "Wir müssen unsere Schlüsse aus diesem Spiel ziehen und es am kommenden Freitag besser machen. Denn eines ist klar: Nichts ersetzt Siege."
Zum Saisonauftakt der 2. Bundesliga zeigt das rbb-Fernsehen am Sonntagabend um 22 Uhr die Doku: Unser Verein: Ha Ho He! Hertha BSC!
Beitrag von Marc Schwitzky
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