Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden
Der Bundesliga-Absteiger empfängt den Drittliga-Aufsteiger: vom Papier her eine klare Sache. Doch Hertha BSC muss endlich Tore schießen. Die Stürmer, die es richten sollen, sind nun da. Von Dennis Wiese
Hertha BSC gegen den SV Wehen Wiesbaden. Das klingt doch fast noch nach einem der vielen Duelle in der ersten Runde des DFB-Pokals. Und diese Duelle liefen für die Berliner ja häufig so ab, dass Herthas Zauberfüße von den ruppigen Underdogs derart hart rangenommen wurden, dass so gar nichts funktionierte. Mit dem Ergebnis, dass für Hertha schon sehr oft sehr früh Schluss war im DFB-Pokal.
Tatsächlich standen sich Hertha und Wehen Wiesbaden noch nie gegenüber. Nicht im Pokal. Und nicht in der Liga. Und genau dort, und zwar in der 2. Liga, kommt es nun zur Premiere (Freitag, 04.08., 18:30 Uhr). Der Bundesliga-Absteiger trifft auf den Drittliga-Aufsteiger.
Zumindest in Sachen Kampf und Körperlichkeit hat die neue Zweitliga-Hertha wohl nichts mehr zu befürchten. Das hat sie im ersten Spiel in Düsseldorf eindrucksvoll bewiesen. Die Frage wird sein, ob die Blau-Weißen die weiteren, ewigen Probleme in den Griff bekommen: Mit der Favoritenrolle zurechtkommen. Das Spiel selbst gestalten. Tore schießen. Denn genau darauf wird es am Freitagabend auf dem frisch verlegten Rasen des Olympiastadions ankommen.
Trainer Pal Dardai gewährte bei der Spieltagspressekonferenz am Mittwochmittag Einblicke in seinen Matchplan. "Wir werden den Gegner stressen ohne Ende, von mir aus können sie in Führung gehen, wir werden richtig offensiv spielen. Du musst den Gegner müde machen, dann hast du später mehr Raum. Aber: Es wird bestimmt nicht schön."
Erst zum vierten Mal geht der SVWW in eine Zweitligasaison. 2007/2008 spielten die Hessen erstmals in der 2. Liga. Zu der Zeit stand bei Erstligist Hertha BSC noch der Spieler Pal Dardai auf dem Feld – neben weiteren Klub-Ikonen wie Arne Friedrich und Marko Pantelic. Wehen Wiesbaden hielt sich in dieser Spielzeit als Tabellen-Achter in der Klasse. In der folgenden Saison kam der Abstieg. Nach zehn Jahren Pause gelang erst 2019 wieder der Aufstieg, gefolgt von einem weiteren Abstieg.
Vor dieser Saison setzte sich Drittligist Wehen Wiesbaden in zwei beeindruckenden Relegationsspielen gegen Zweitligist Arminia Bielefeld durch: Ihr Heimspiel gewannen die Hessen mit 4:0. Auch auf der Bielefelder Alm gab es einen Sieg. Die Mannschaft von Trainer Markus Kauczinski gewann mit 2:1.
Erfolgreichster Torschütze der vergangenen Saison war Benedict Hollerbach, der gerade erst für rund zwei Millionen Euro zum 1. FC Union wechselte – so klein ist die Welt. Am ersten Spieltag dieser Saison kam Wehen Wiesbaden zu einem 1:1-Unentschieden gegen den 1. FC Magdeburg. Ergebnisse, die natürlich auch Hertha-Trainer Dardai genau verfolgt hat: "Letztes Jahr haben sie viele Spiele gewonnen, sind euphorisch, auch der Start in diese Saison war gut, sie haben hier nichts zu verlieren."
Wenn Pal Dardai mit Hertha BSC in den vergangenen Jahren als Cheftrainer in eine neue Saison gestartet ist, gab es für die blau-weißen Fans zum Auftakt im Olympiastadion häufig Grund zum Jubeln. Von fünf ersten Heimspielen unter Dardai gewann Hertha drei Mal (2016 2:1 gegen den SC Freiburg, 2017 2:0 gegen den VfB Stuttgart, 2018 1:0 gegen den 1. FC Nürnberg), bei einem Unentschieden (2015 1:1 gegen Werder Bremen) und einer Niederlage (2021 1:2 gegen den VfL Wolfsburg).
Stichwort Heimspiel: Herthas Sparzwänge sorgen künftig auch für einen veränderten Ablauf vor einer Heimpartie. Bislang übernachtete die Mannschaft vor jedem Spiel im Team an der Budapester Straße. Einzelgespräche, Fokus, Teambesprechung, Mittagessen, Mittagsruhe. Aus Kostengründen verzichtet Hertha nun auf die Übernachtung. Die Mannschaft wird sich, erstmals vor dem Spiel gegen Wehen Wiesbaden am Freitag, zu einer leichten Einheit auf dem Trainingsplatz treffen. Anschließend geht es nur für wenige Stunden Mittagsschlaf und Besprechung gemeinsam ins Hotel. Von dort fährt die Mannschaft dann mit dem Teambus in Richtung Stadion.
Die Mannschaft, die sich in den letzten Testspielen herauskristallisiert und die auch beim Ligastart in Düsseldorf auf dem Rasen gestanden hat, muss schon wieder umgebaut werden. Rechtsverteidiger Deyovaisio Zeefuik, der nach Leihen zu den Blackburn Rovers und Hellas Verona endlich bei Hertha durchstarten sollte, hat sich am Oberschenkel verletzt. Er fällt ebenso wochenlang aus wie Marten Winkler. Das Hertha-Eigengewächs, das in der vergangenen Saison als Leihspieler bei Drittligist Mannheim auf sich aufmerksam gemacht hat, hat sich ebenfalls in Düsseldorf verletzt. Winkler fällt mit einer Bänderverletzung im Sprunggelenk aus.
Für Zeefuik dürfte Jonjoe Kenny, der in der vergangenen Saison gesetzt war, hinten rechts starten. Für Winkler steht Palko Dardai für die rechte offensive Außenbahn bereit. Pal Dardais ältester Sohn wurde auch schon in Düsseldorf eingewechselt.
Gut möglich, dass als Einwechselspieler einer der neuen Stürmer sein Hertha-Debut geben wird: Haris Tabakovic soll Herthas lang ersehnter Knipser werden. "Vielleicht kommt er für eine Halbzeit", beschrieb Trainer Dardai die Aussichten des neuen Stürmers. Smail Prevljak hat am vorherigen Wochenende für Herthas U23 gespielt und getroffen. "So schnell machen wir hier aber keine Änderungen", so Dardai. Beginnen dürfte im Sturmzentrum also wieder Florian Niederlechner.
So könnte Hertha beginnen: O. Christensen – Kenny, Leistner, Kempf, Dudziak – M. Dardai, Klemens – P. Dardai, Richter, Reese – Niederlechner
Hertha ist in der Findungsphase. Für den Rest der Liga ist es sicher ein großer Vorteil, schon an den ersten Spieltagen auf die Blau-Weißen zu treffen. Zudem kommt der SV Wehen Wiesbaden mit dem Schwung einer erfolgreichen Drittligasaison und einer nahezu makellosen Relegation.
Und doch halten wir es mit Hertha-Neuzugang Fabian Reese, der mehr als 150 Zweitligaspiele auf dem Buckel hat und über die Liga sagte: "Es sind häufig umkämpfte, enge Spiele. Am Ende aber setzt sich meist die fußballerische Qualität durch."
Der rbb|24-Tipp: Hertha feiert den ersten Saisonsieg vor den eigenen Fans: 2:1.
Sendung: rbb24 Inforadio, 4.8.2023, 10:15 Uhr
Beitrag von Dennis Wiese
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