60 Jahre Bundesliga | Teil 4
Nur ein einziges Jahr ging Benny Wendt für Tennis Borussia Berlin in der Bundesliga auf Torejagd. Doch dieses eine Jahr hatte es in sich: 20 Treffer gelangen dem sympathischen Schweden und machten ihn zu einer lila-weißen Ikone.
Seien wir ehrlich, eine Liebesgeschichte ist die Beziehung zwischen Tennis Borussia Berlin und der Bundesliga nicht. Zweimal, 1974/75 und 1976/77, versuchten sich die Lila-Weißen in der deutschen Eliteklasse, zweimal ging es postwendend zurück ins Unterhaus. Und doch gibt es einen Grund, aus dem sich die älteren Veilchen-Fans gerne an den bislang letzten Auftritt ihres Klubs in der Bundesliga erinnern. Dieser Grund ist schnell, groß und verdammt torgefährlich: Benny Wendt.
Lediglich ein Jahr dauert die Liaison zwischen dem blonden Schweden und den lila-weißen Berlinern, und doch hinterlässt sie Spuren - auf beiden Seiten. "Das eine Jahr, in dem ich hier war, war amazing, wie man auf Englisch sagt", erinnert sich Wendt noch Jahrzehnte später in einem rbb-Interview freudestrahlend an die besondere Saison 1976/77. Die endet für TeBe zwar abgeschlagen auf Abstiegsplatz 17, für den gelernten Eisenbieger aus Norrköping aber in den Top Ten der Torjägerliste. Mit seinen 20 Treffern reiht sich Wendt vor namhaften Kickern wie Jupp Heynckes oder Karl-Heinz Rummenigge ein.
So richtig erklären kann sich der Angreifer die Leistungsexplosion nicht. Es ist halt "alles reingegangen und ich war topfit", erklärt er und ergänzt: "Warum es so gut gelaufen ist, das weiß ich nicht. Es war irgendwie die Stadt, die Leute und meine Frau natürlich." Die heiratet er in Berlin und verankert die damalige Mauer- und jetzige Hauptstadt damit noch tiefer in seinem Herzen.
Wendts Blüte kommt ziemlich überraschend. Beim 1. FC Köln bleibt ihm zuvor der Durchbruch verwehrt, so schlagen die klammen Tennis Borussen zu und leihen Wendt aus. Der Wechsel vom Rhein an die Spree bekommt dem damals 25-Jährigen zweifellos gut. Schon im ersten Spiel, ein 2:2 gegen den späteren Mitabsteiger Rot-Weiss Essen, erzielt Wendt beide TeBe-Treffer. Wenige Wochen später gewinnt TeBe 4:2 gegen Fortuna Düsseldorf, alle Berliner Tore gehen auf Wendts Konto. Er wird damit endgültig zum Publikumsliebling.
Doch nicht nur sein erfolgreiches Wirken im Veilchen-Trikot beeindruckt die Berliner, auch außerhalb des Platzes überzeugt der freundliche, nahbare und bescheidene Wendt. Und auch Trainer Rudi Gutendorf ist bewusst, was er an seinem Star hat. "Ich bezweifle, ob wir überhaupt einen Punkt hätten, wenn der Benny Wendt nicht spielen würde", betont der ob seiner vielen internationalen Stationen liebevoll "Rudi Rastlos" genannte Coach. Ein Kompliment für den treffsicheren Angreifer ist es aber nur nebenbei, Gutendorf zielt vor allem in Richtung der Mitspieler Wendts, denen die Qualität für die Bundesliga allzu oft fehlt.
Wendts Art zu spielen ist wie gemacht für den auf Konter setzenden Aufsteiger. Dank seines Tempos entwischt er gegnerischen Verteidigern ein ums andere Mal, sein Abschluss mit dem linken Fuß ist dermaßen gut, dass der Boulevard schlüpfrig titelt: "Wenn Benny bumst, wackeln Torhüter-Knie". Und sie wackeln oft, am Ende der Saison stehen 20 Treffer in Wendts persönlicher Bilanz. Er wird zu einem Star der Liga und strahlt vom Cover des Kicker, der ihn ebenso nüchtern wie zutreffend als "Mann, der Tore schießt" lobt.
So ist es kein Wunder, dass Wendt der Bundesliga erhalten bleibt. Der Schwede wechselt zum 1. FC Kaiserslautern und verbringt vier Jahre als Stammspieler in der Pfalz. Später spielt Wendt auch noch in Belgien, in Hongkong und in seiner Heimat, ehe er seine Karriere Mitte der Achtziger Jahre beim SC Freiburg ausklingen lässt. Mittlerweile ist der nun 72-Jährige Rentner und genießt seinen Lebensabend in Schweden. Und Tennis Borussia? Wurde seit Benny Wendts Abschied aus Berlin nicht mehr in der Bundesliga gesehen und geht derzeit in der fünftklassigen Oberliga an den Start.
Sendung: Inforadio, 19.08.2023, 15:03 Uhr
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