Auftakt der Basketball-WM
Die deutsche Nationalmannschaft startet am Freitag in Japan in die Basketball-WM 2023. Für fünf Berliner um die Brüder Moritz und Franz Wagner ist es ein Wiedersehen mit realistischen Medaillenchancen. Von Jakob Lobach, Okinawa
Es war ein entspanntes Ende des ersten Eindrucks: Während Johannes Thiemann im hinteren Teil der bis dato noch unbekannten Okinawa Arena noch an seinen Post-Moves arbeitete, feilten Niels Giffey, Maodo Lo und die Brüder Moritz und Franz Wagner am anderen Parkett-Ende an ihrem Wurf. Dreier, Step-Backs, Mitteldistanz – es galt, sich warm zu werfen für den WM-Auftakt. So bildete eine Mischung aus dribbelnden Basketbällen und swishenden Netzen die Geräuschkulisse im weiten Rund auf der japanischen Insel.
Während andere Menschen üblicherweise von weißen Stränden und tiefblauem Wasser nach Okinawa gelockt werden, sind diese für Thiemann, Giffey, Lo und die Wagners höchstens ein schöner Nebenaspekt. Es ist das Sportliche, was wirklich zählt. Am Freitag (14:10 Uhr) starten die fünf Berliner mit der deutschen Nationalmannschaft gegen Co-Gastgeber Japan in die diesjährige Weltmeisterschaft. Für das Quintett ist das Turnier ein gemeinsames Highlight unterschiedlicher Karrieren. Karrieren, auf deren Weg Berlin teilweise der Ausgangspunkt, mindestens aber eine Schlüsselstation war.
Als gebürtiger Berliner machte Giffey dabei den Anfang – aufmerksam beobachtet von einem damals kleinen Franz Wagner. "Das erste Spiel, was ich geguckt habe, war Niels’ NBBL-Meisterschaft", sagte der Flügelspieler der Orlando Magic. Sieben Jahre war der heute 20-Jährige alt, als er mit 2.000 anderen Zuschauern in der Charlottenburger Sömmeringhalle dem 17-jährigen Giffey beim Spielen zuschaute. "Das waren früher Vorbilder, denen ich zugeguckt und nachgeeifert habe", sagt Wagner. Giffey wurde später mehrfacher Meister und Pokalsieger mit Alba, reifte als Kapitän in Berlin außerdem zum Nationalspieler. Und Franz Wagner?
"Franz ist ein zukünftiger Star", beantwortet Bundestrainer Gordon Herbert diese Frage vor dem WM-Start. "Hoffentlich früher als später wird er einer der besten Spieler im FIBA-Basketball sein", fügte der 64-Jährige an. Dass der jüngere der beiden Wagners nicht mehr nur viel Potenzial, sondern bereits viel Qualität hat, ist spätestens seit vergangenem Sommer unbestreitbar. Da führte Wagner die deutsche Auswahl zusammen mit Star und Anführer Dennis Schröder bei der Heim-EM zur Bronzemedaille – nur um anschließend in der nordamerikanischen NBA bei den Magic den nächsten Entwicklungsschritt folgen zu lassen.
Gut möglich also, dass er mit seinem starken Zug zum Korb, seinem guten Wurf und seiner schon jetzt beeindruckenden Souveränität auch der anstehenden WM seinen Stempel aufdrücken wird. Und die deutsche Nationalmannschaft kann einen Franz Wagner in Bestform gut gebrauchen.
Bereits in der Gruppenphase warten in Japan, Australien und Finnland drei schwere Gegner im Kampf um die ersten zwei Plätze und das damit verbundene Weiterkommen. "Manch einer nennt es die Gruppe des Todes", sagt Bundestrainer Herbert – ohne dabei zu erwähnen, dass dies auch an seiner eigenen Mannschaft liegt. "Wir haben die Chance, das Talent und die Teamchemie, hier ein richtig geiles Turnier zu spielen", sagt Giffey und ist mit dieser Einschätzung nicht alleine. Die als Ziel ausgegebene Medaille ist für das deutsche Team alles andere als eine Utopie.
So sorgen neben Giffey und Franz Wagner auch dessen Bruder Moritz, Thiemann und Lo mit für eine wohl noch nie dagewesene Tiefe in der Nationalmannschaft. Natürlich bei weitem nicht nur, aber auch dank ihrer basketballerischen Aus- bzw. Weiterbildung in Berlin. "Alba gelingt es seit vielen Jahren sehr gut, nicht nur Titel zu gewinnen, sondern auch Spieler zu entwickeln", erklärt Gordon Herbert. Bestes Beispiel jüngerer Jahre sind hier Maodo Lo und Johannes Thiemann, die bei Alba titelreiche Jahre prägten, sich gleichzeitig als gestandene Euroleague-Spieler etablierten und als solche nun bei der WM wichtige Impulse von der Bank bringen sollen. Eine Rolle, die auch auf Moritz Wagner wartet, der unter Herbert zuletzt eine Art 'NBA-erfahrener Edeljoker' war.
Niels Giffey kennt auch den älteren Wagner noch aus einer Zeit, als dessen Name weder an der Michigan University noch den NBA-Fans in den USA ein Begriff war. Mit 17 Jahren debütierte Moritz Wagner an Giffeys Seite als Profi bei Alba Berlin. "Moritz und ich sind damals oft zusammen mit der U-Bahn vom Training nach Hause gefahren. Schön mit der U2, weil wir beide in Prenzlauer Berg gewohnt haben", erzählt der und ergänzt: "Es hieß damals immer: 'Moe hat noch einen Bruder, der auch richtig gut wird.'"
Mittlerweile hat dieser jüngere Bruder Moritz tatsächlich ein Stück weit das sportliche Scheinwerferlicht geklaut, was nichts daran ändert, dass auch der ältere Wagner bei der WM ein deutscher Schlüsselspieler wird. "Er hat eine enorme Energie, einen enormen Enthusiasmus und Fähigkeiten, die viele Spieler nicht haben", sagt Bundestrainer Herbert. Dazu gehört neben einem soliden Wurf auch eine Beweglichkeit auf dem Weg zum Korb, die für einen 2,11 Meter-Mann außergewöhnlich ist.
Die ebenfalls außergewöhnliche Dichte von Spielern mit Berlin-Bezug genießen alle im bestmöglichen Sinne 'Betroffenen' schon vor dem WM-Start. "Ich liebe das", sagt Niels Giffey über die sommerlichen Nationalmannschaftstreffen, und Johannes Thiemann ergänzt: "Es ist immer cool und es herrscht eine gute Stimmung." Beste Voraussetzungen also, um dem Warmwerfen von Donnerstagabend am Freitag gegen Japan einen guten Auftakt in die WM folgen zu lassen.
Sendung: rbb24, 24.08.2023, 18 Uhr
Beitrag von Jakob Lobach
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