Volleyball-Bundesliga
Beim Volleyball-Bundesligisten SC Potsdam kam es zu einem Zerwürfnis. Der Präsident wirft dem Vorstand vor, durch die Vertragsgestaltungen Lohnsteuern hinterzogen zu haben. Nun steht die Zukunft des Vereins auf dem Spiel. Von Lars Becker
Die Auseinandersetzungen sind massiv, das Zerwürfnis zwischen den beteiligten Personen und Gremien beim SC Potsdam wohl nicht mehr zu kitten. Vereinspräsident Andreas Klemund hat einen Fachanwalt für Arbeitsrecht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieses Gutachten, das dem rbb vorliegt, hat Klemund an die regionale Presse weitergereicht. Darin werden die von Klemund erhobenen Vorwürfe bestätigt.
Mit Spielerinnen und Betreuern seien Zusatzverträge über Übungsleiterpauschalen, Reisekostenzahlungen oder Arbeitsverträge für Dritte geschlossen und dadurch Teile der Gehälter einkommenssteuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt worden. Neben strafrechtlichen Aspekten sei dem Verein durch anstehende Nach- und mögliche Strafzahlungen ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden.
Der langjährige Vorstandsvorsitzende Peter Rieger weist die Anschuldigungen bewussten rechtlichen Fehlverhaltens zurück: "Die Art und Weise, wie das hier gemacht wurde, finden wir ganz schlimm, weil auch durch das Finanzamt und durch unseren Steuerberater wird das anders gesehen in vielen Fragen. Und das muss man erst aufklären. Und mit dieser Öffentlichmachung sollen Köpfe rollen." Rieger meint seinen eigenen Kopf und den von Sohn Toni, ebenfalls Vorstandsmitglied und Sportdirektor des Klubs.
Der Machtkampf zwischen Klemund und der Familie Rieger, die den größten Verein Brandenburgs über drei Generationen entscheidend mitgeprägt hat, schwelt schon lange. Auch Mediatoren, sagt Rieger, hätten die massiven Verwerfungen nicht auflösen können. Rieger sieht sich von Klemund aus dem Verein gedrängt.
Die beanstandeten Vertragsfragen müssten aufgearbeitet werden, der Vorstand sei mit dem Finanzamt in Kontakt, betont Rieger, räumt aber auch eigene Versäumnisse ein: "Im Augenblick ist das in der Prüfung. Wir haben das ja nicht in der Form gemacht, es verhält sich alles ein bisschen anders. Wir haben aber am Ende unsere Kontrollpflicht vernachlässigt, weil wir mit anderen Projekten des Vereins beschäftigt waren. Andere waren zuständig, das vernünftig zu regeln. Und das ist unser Hauptproblem (....) Ob wir haften oder wie auch immer, dafür müssen wir geradestehen und das werden wir auch machen."
Durch die Weitergabe des Gutachtens an die Öffentlichkeit sieht sich Rieger an den Pranger gestellt, seine Arbeit und die seiner Kollegen diskreditiert. Eine weitere Zusammenarbeit, eine gemeinsame Aufarbeitung mit Klemund sei unmöglich. Auf einer außerordentlichen Präsidiumssitzung in der Geschäftsstelle war es am Freitag bei einem weiteren Krisengespräch erneut zu keiner Annäherung gekommen.
Klemund wollte sich nicht äußern. Mögliche Konsequenzen sind aber ausgeblieben, weil das Präsidium nicht beschlussfähig war, bestätigt SCP-Pressesprecher Frank Bleydorn: "Vier der neun Präsidiumsmitglieder waren anwesend. Folglich lag am Ende nicht die Möglichkeit vor, feste Entscheidungen zu treffen. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise gewesen, den Vereinsvorstand abzuberufen. Jetzt wird es eine weitere außerordentliche Präsidiumssitzung geben", so Bleydorn, "in der dann ein entsprechender Beschluss nachgeholt werden könnte".
Laut einer vereinsnahen Quelle hat der SC Potsdam inzwischen eine neue Spielbetriebsgesellschaft für das Volleyball-Bundesligateam gegründet und zwei Geschäftsführer berufen: Daniel Grohmann, der Manager von Triathletin Laura Lindemann, verantwortet zukünftig den finanziellen Bereich und Eugen Benzel ist für die sportlichen Belange zuständig. Der bisherige Teammanager Benzel rückt außerdem zum neuen Sportdirektor auf, ersetzt in dieser Funktion Toni Rieger, der sich auch aus dem Vorstand zurückzieht.
Die bestehenden Verträge der Spielerinnen sind auf die neue Gesellschaft umgeschrieben, die fraglichen Steuer- und Sozialversicherungs-Aspekte angepasst worden. Das soll für den Verein mit erheblichen Mehrkosten im vermutlich mittleren sechsstelligen Bereich verbunden sein. Sollte Potsdam in der bisherigen Vertragsgestaltung Rechtsverstöße begangen haben, drohen neben weiteren Nach- und Strafzahlungen im schlimmsten Fall auch sportrechtrechtliche Konsequenzen - wie Punktabzug oder Lizenzentzug - durch die Deutsche Volleyball Liga.
Mit den neuen Vertragsgestaltungen dürfte auch der überraschende Abgang von Nationalspielerin Laura Emonts vor zehn Tagen zusammenhängen. In der bereits von Eugen Benzel verantworteten Presseerklärung des Vereins wurde die Trennung mit "Uneinigkeit über getroffene Absprachen begründet" - ohne auf Details oder Hintergründe einzugehen. Emonts, Kapitänin, Integrationsfigur und Gesicht des Vereins, wollte ihre Karriere eigentlich in Potsdam beenden. Nun ist ihr Wechsel nach Schwerin verkündet worden.
Das Zerwürfnis in den Führungsgremien kommt für den SC Potsdam zu einem heiklen Zeitpunkt, denn auch sportlich steht der deutsche Vizemeister nach einem Totalumbruch mit neuem Trainer und fast komplett neuem Kader vor einer schwierigen Saison. In den letzten beiden Jahren hatte das Team die Volleyball-Fans über Potsdam hinaus mit leidenschaftlichen Auftritten und Erfolgen begeistert, den Bekanntheitsgrad des Vereins durch die Teilnahme an der Champions League erhöht. Das alles steht jetzt auf dem Spiel. Und eine drohende weitere Schlammschacht mit juristischen Auseinandersetzungen dürfte auch den Sponsoren nicht gefallen und mögliche weitere Interessenten abschrecken.
Das Präsidium, fordert Vorstandschef Peter Rieger, müsse eine Entscheidung treffen: "die Art und Weise wie hier vorgegangen wird, das geht gar nicht". Mit einem Präsidenten Klemund zusammen werde man die Probleme "definitiv nicht lösen. Und wenn wir raus sind, dann werden die Probleme noch größer für den Verein", betont Rieger, "wer soll die ganzen Dinge, die Projekte machen, Potsdamer Norden, wo wir in Krampnitz einsteigen und die Jugendarbeit realisieren wollten. Macht ja keiner mehr". Rieger fürchtet um "seinen" Verein, "der so viele soziale Geschichten und Spitzensport realisiert", sollten er und seine Leute von der Aufarbeitung der Geschehnisse ausgeschlossen werden.
"Wir wollen jetzt alles daransetzen, das zu lösen und aufzuklären", sagt Pressesprecher Frank Bleydorn, "und alles tun, dass dieser Verein einer positiven Zukunft entgegen geht." Diese Hoffnung erscheint im Moment eher unrealistisch. Der SC Potsdam muss dringend die Kurve kriegen, sonst droht dem Verein ein ähnliches Schicksal wie einem anderen Leuchtturm-Projekt im Potsdamer Sport: Turbine Potsdam.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 25.08.2023, 19:30 Uhr
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