Dreierpack beim Sieg gegen Braunschweig
Herthas neuer Stürmer hat das Spiel gegen Braunschweig im Alleingang entschieden. Haris Tabakovic gibt Hertha weit mehr als nur Torgefahr. Einen so selbstbewussten Spieler hatten die Berliner schon lange nicht mehr. Von Till Oppermann
Fünf Tore in einem Spiel schaffen nur die wenigsten Stürmer. Lionel Messi gelang dieses Kunststück mal gegen Leverkusen und Robert Lewandowski stellte mit fünf Treffern in neun Minuten gegen Wolfsburg einen Bundesligarekord für die Ewigkeit auf. Auch Herthas Haris Tabakovic hat am Sonntag fünf Tore geschossen. Zwar zählten wegen Abseitsentscheidungen nur drei davon und seine Bühne war nicht die Champions League, sondern ein Zweitligaspiel gegen Eintracht Braunschweig, seine Bedeutung für die aktuelle Hertha kann man trotzdem mit der von Messi oder Lewandowski für ihre Mannschaften vergleichen.
Nicht nur hat er mit sieben Treffern aus fünf Spielen mehr als die Hälfte aller Hertha-Tore geschossen. Nein, Haris Tabakovic bringt etwas mit, das vor ihm seit Jahren kein Herthaner mehr hatte: ein unerschütterliches Selbstvertrauen. "Ich zieh einfach mein Ding durch", erklärte er nach dem Spiel.
Es stimmt: Alles, was der Schweizer auf dem Platz macht, wirkt, als wäre es für ihn selbstverständlich. Als gäbe es gar keinen Zweifel daran, dass er den nächsten Zweikampf gewinnt, dass sein Hackenpass ankommt, dass er die Flanke ins Tor köpft. Damit steckt Tabakovic an. Hertha glaubt wieder daran, gewinnen zu können.
Besonders in ihrer Präsenz auf dem Platz unterscheidet sich die neue Hertha-Mannschaft von denen der Jahre davor. Das Ergebnis ist kein besonders raffinierter Fußball, aber einer, der die Fans mitreißt. Hertha überspielt das Mittelfeld direkt, schnell soll der Ball nach außen. Wenn auf den Flügeln Marten Winkler und Fabian Reese die Linie runterhetzen, kann es jederzeit sein, dass sie sich den Ball zu weit vorlegen. Jubel brandet trotzdem auf, denn ihre dynamischen, geradlinigen Sprints und körperlichen Zweikämpfe reißen das Publikum mit und nutzen die gegnerische Abwehr ab. Sobald sie dann mal durchkommen, wird es gefährlich. Die ersten beiden Tore von Tabakovic fielen jeweils nach Einzelaktionen von Reese auf der linken Seite.
"Ich bin unglaublich dankbar für jeden Pass meiner Mitspieler", sagte der Matchwinner deshalb nach dem Spiel. Das ist nur die halbe Wahrheit. Gleichzeitig ist Tabakovic nämlich auch unglaublich wütend über jeden Ball, den er nicht bekommt. Gerne geht er dann erstmal in die Diskussion mit seinen Mitspielern. Wie in der 30. Spielminute, als Tabakovic in der Strafraummitte den Ball forderte, aber Winkler lieber auf den langen Pfosten spielte.
Anstatt sich sofort auf die andere Seite zu drehen, schimpfte Tabakovic wild gestikulierend in Winklers Richtung. Das ist eigentlich ein No-Go, immerhin lief der Angriff noch weiter. Doch Tabakovic kann es sich erlauben, denn gerade rechtzeitig richtete er doch wieder die Augen auf den Ball und köpfte eine Flanke von links ins Netz. Auch wenn das Tor kurz danach wegen einer Abseitsstellung in der Entstehung zurückgepfiffen wurde, hatte Tabakovic auch Winkler mal wieder bewiesen, dass es immer eine gute Idee ist, ihn anzuspielen.
Für 500.000 Euro verpflichtete Sportdirektor Benjamin Weber den großgewachsenen Angreifer aus Österreich. Es könnte das Schnäppchen des Jahres werden. Wer das Raunen im Olympiastadion hört, wenn Tabakovic angespielt wird, weiß: Nach Jahren der Tristesse im Abstiegskampf der Bundesliga haben die Herthaner endlich wieder Spaß daran, wenn ihre Mannschaft nach vorne spielt. Denn vorne lauert "Fluppe", wie Tabakovic in Anlehnung an seinen Nachnamen bei Hertha gerufen wird.
Zum Glück hat er ansonsten wenig mit Zigaretten zu tun. Tabakovic gehört zu den fittesten Spielern im Team - "Haris ist immer der erste im Kraftraum", erzählte auch Trainer Pal Dardai kurz nach Spielende. "An ihm sieht man, wie viel man mit Fleiß erreichen kann." Noch vor drei Jahren wechselte der Angreifer nach einer schlechten Zeit in Ungarn in die zweite österreichische Liga zu Austria Lustenau. Nachdem er seinen Klub in der zweiten Saison zum Aufstieg schoss, ging Tabakovic zu Austria Wien. Dann wurde Hertha auf ihn aufmerksam: "Ich bin sehr dankbar darüber, wie es läuft und sehr glücklich in Berlin", so der 29-Jährige.
Und Berlin ist glücklich mit ihm. Ohne Tabakovic würde Hertha vielleicht noch punktlos dastehen, so entscheidend war seine Leistung für die Siege gegen Braunschweig und Fürth. In der ausgeglichenen zweiten Liga ist es noch wichtiger als anderswo, einen Stürmer zu haben, der im Zweifelsfall ein Spiel allein entscheiden kann.
Das ist Tabakovic, denn obwohl er mehrere Minuten eines Spiels damit verbringt über den Platz zu gehen und entweder in Richtung seiner Mitspieler oder der Schiedsrichter zu lamentieren, ist er in den entscheidenden Momenten da. In Euphorie will er trotz der Bilanz von sechs Punkten und 8:0 Toren aus den letzten beiden Heimspielen nicht verfallen: "Am Ende der Saison werden wir sehen, wo wir stehen", sagte Tabakovic. Wer ihn spielen sieht, denkt dabei nicht ans Tabellenmittelfeld.
Sendung: rbb24 Abendschau, 17.09.23, 19:30 Uhr
Beitrag von Till Oppermann
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