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Video: rbb24 | 27.09.2023 | Uri Zahavi | Quelle: IMAGO / Matthias Koch

Nach ersten Einsätzen für Union Berlin

Lichtgestalt Bonucci zeigt Menschlichkeit

Der Wechsel von Leonardo Bonucci zum 1. FC Union Berlin sorgte aufgrund seiner Reputation für großes Aufsehen. Nach seinen ersten Einsätzen für die Berliner zeigt sich jedoch: Bonucci ist auch nur ein Mensch – im Positiven wie Negativen. Von Marc Schwitzky

"Finally (endlich)", brüllte Leonardo Bonucci fröhlich in den Raum, als ein Journalist – nachdem alle Fragen der Medienrunde zuvor auf Englisch gestellt worden waren – ihn auf Italienisch ansprach. So wurde aus dem sehr starren Englisch auf einmal ein wunderbar schwungvolles Italienisch. Bonucci freute sich spürbar nach Wochen des Kulturschocks über einen kleinen Moment des Heimatgefühls.

Der Wechsel des 36-Jährigen, der zuvor nur in Italien aktiv gewesen ist, zum 1. FC Union Berlin sorgte am letzten Tag des Transferfensters für einen regelrechten Knall in Fußballdeutschland. Leute konnten ihren Augen nicht trauen, wie ein UFO landete Bonucci auf dem Rasen der "Alten Försterei". 121 Länderspiele für Italien, amtierender Europameister, 18 Titel und 502 Pflichtspiele für Juventus – eine Lichtgestalt des italienischen Fußballs.

Transfercoup von Union Berlin

Habemus Bonucci

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Und dann im "vielleicht letzten Jahr" seiner Karriere zu Union Berlin? Der Abwehrspieler hat sich diese Entscheidung reiflich überlegt. "Es ist schwer, erstmals außerhalb Italiens zu spielen", so Bonucci: "Ich möchte mich selbst aus meiner Komfortzone herausbewegen, deshalb habe ich mich für Union Berlin entschieden. Es ist schwer, besonders die Sprache, aber ich will mich in allen Lebensbereichen weiterentwickeln."

Bonucci will zur Europameisterschaft 2024

Bei seinen Antworten auf die Fragen der Journalisten wirkt Bonucci trotz seiner 36 Jahre und einem unglaublichen Erfahrungsschatz nahezu schüchtern, aber sehr respektvoll. Er bedankt sich für beinahe jede Frage, will jede Antwort auf eine auf Englisch gestellte Frage auch auf Englisch beantworten – egal, wie lange er zwischendurch nach der richtigen Vokabel suchen muss. So wird aus einer Legende des italienischen Fußballs, vor der Fans und Medien in Ehrfurcht erstarren, nach und nach einfach nur ein Mensch. Ein Mensch mit Anlaufschwierigkeiten, aber auch ambitionierten Zielen.

Neben Union habe es auch ein Angebot von der S.S. Lazio, aber auch aus Saudi-Arabien gegeben. Doch Bonucci entschied sich für Köpenick. "Ich weiß, dass es eine verrückte Entscheidung war", erklärt Italiens Fußballer des Jahres 2016. "Es war auch deshalb eine wichtige Entscheidung, weil ich nach meiner aktiven Karriere Trainer werden will und diese Entscheidung meinen Verstand für verschiedene Fußballstile oder Trainingsmethoden öffnet. Ich wollte eine andere Sprache und Kultur kennenlernen."

Ex-Klub Juventus sei sein Leben, doch nun zähle erstmal nur Union. Und das mit einem klaren Ziel: Der Europameisterschaft 2024 in Deutschland als krönender Abschluss einer herausragenden Karriere. "Ich habe vor zwei Wochen mit Nationaltrainer Luciano Spaletti gesprochen. Er sagte mir, dass ich viele Spiele absolvieren müsse, um in den Kader der Nationalmannschaft zu kommen. Ich weiß, dass es schwer wird, aber ich habe die Euro 2024 als Ziel."

Liga-Debüt gegen Hoffenheim ging schief

Die ersten der erhofften vielen Spiele hat Bonucci in den vergangenen Tagen absolviert. Da sich Konkurrent Robin Knoche verletzte, durfte der Routinier sowohl in der Champions League gegen Real Madrid als auch in der Bundesliga gegen die TSG Hoffenheim starten. Während Bonucci in der Königsklasse seiner Aufgabe gerecht wurde, musste er im Ligabetrieb trotz seiner 36 Jahre Lehrgeld zahlen.

Bei der 0:2-Niederlage verschuldete er zunächst den Elfmeter zum zwischenzeitlichen 0:1, indem er Andrej Kramaric zunächst in seinem Rücken verlor und ihn dann zu Boden brachte. Auch beim zweiten Gegentor traf Bonucci eine Mitschuld, da er Maximilian Beiers Laufweg nicht aufnehmen konnte und so den Abschluss ermöglichte. Ein gebrauchtes Bundesliga-Debüt und ein Spiegelbild für die gesamte Unioner Mannschaftsleistung an jenem Tag. "Die erste Halbzeit geht so nicht. Wir waren einfach nicht da, auch Leo nicht", kritisierte Trainer Urs Fischer die Vorstellung seiner Mannschaft bei der vierten Pflichtspielniederlage in Serie deutlich.

"Der Fußball in Italien und der in Deutschland unterscheiden sich komplett", hält Bonucci fest. "In der Bundesliga haben wir Verteidiger deutlich mehr Rasen in unserem Rücken zu decken. Sowohl den heranstürmenden Gegner als auch die Spieltiefe hinter dir zu verteidigen, ist die schwerste Aufgabe für einen Verteidiger. Du musst die Spielsituationen sehr gut lesen, weil Gegenspieler wie Victor Boniface oder Kramaric sehr schnell sind."

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Einen Robin Knoche ersetzt auch Bonucci nicht einfach so

Union hat einen 36 Jahre alten Weltstar verpflichtet, dem aufgrund widriger Trainingsumstände auch die Spielfitness fehlt. "Bei Juventus habe ich zuletzt 50 Tage mit nur zwei Mitspielern trainiert, das ist etwas ganz anderes als mit einem gesamten Team zu trainieren", erklärt Bonucci seine Situation. "Der Trainer und ich besprachen, dass ich drei bis vier Wochen brauchen werde, um voll da zu sein – jetzt haben wir Woche vier und ich hoffe, bald hundertprozentig fit zu sein."

Das Alter, die fehlende Matchpraxis als auch der Fakt, dass Bonucci aufgrund seines späten Wechsels die Vorbereitung der "Eisernen" verpasst hat, erklären, dass er bei all seiner Klasse und Erfahrung nicht ohne weiteres Zutun einen zentralen Leistungsträger wie Robin Knoche gleichwertig ersetzen kann. Besonders Union lebt von einem höchst eingespielten Kollektiv, das bei kleinsten Rissen bereits nicht mehr ans absolute Leistungsmaximum gehen kann. Das wird nun auch ein Bonucci, der sich noch in die wohlgeschliffenen taktischen Muster einfinden muss, lernen.

Eine Frage der Erwartungshaltung

Es ist eben alles eine Frage der gesunden Erwartungshaltung. "Die Verantwortlichen wollten meine Erfahrung und Art zu Verteidigen herholen. Um diese Fähigkeiten zu zeigen, muss ich allerdings Tag für Tag mit dem Team arbeiten", stellt Bonucci fest.

Was die Erwartungshaltung allerdings übertroffen hat, sind die Fans des 1. FC Union Berlin. "Die Fans sind wirklich unglaublich. Auch wenn wir verlieren, unterstützen sie uns", gerät Bonucci ins Schwärmen. "Für sie steht über allem, dass wir alles auf dem Platz lassen, was wir haben. Der Verein steht über allem, nicht der Sieg. Meine Kinder waren ganz begeistert von den Fans. Trotz der Niederlage haben sie gesungen - das wäre zu Hause nicht passiert. Das ist unglaublich. Weil wir alles gegeben haben, geben sie auch alles."

Bei Union geht eben nichts ohne das "Wir" – auf dem Platz wie auf den Rängen. So wäre es im besten Sinne aller, wenn Bonucci irgendwann nicht mehr die überlebensgroße Lichtgestalt, sondern einfach nur der Mensch "Leo" ist. Sein uneitles Auftreten vor den Mikros zeigt, dass er das bereits verstanden hat.

Sendung: rbb24, 26.09.2023, 21.45 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

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