Unions 0:3-Niederlage gegen Leipzig
Union Berlin verliert in ungewohnter Formation gegen Leipzig. Die Gäste profitierten von einer schlechten Phase der Unioner und einer roten Karte. Die Fans von Union feierten ihre Mannschaft dennoch. Von Till Oppermann
Kevin Volland wusste es wohl schon in dem Moment als er am Boden lag: Auf sein Foul an Mohamed Simakan muss eine rote Karte folgen. Mit offener Sohle traf der Angreifer bei seinem Startelfdebüt den Leipziger Knöchel, keine Absicht von Volland, aber eben ein berechtigter Platzverweis.
Fair entschuldigte er sich bei seinem Gegenspieler und ging vom Platz. Da hätte ihm sein Trainer Urs Fischer zuvorkommen sollen. Sowohl im Hinblick auf das Endergebnis – Union hatte in Unterzahl keine Chance mehr, das 0:1 gegen überragend kombinierende Leipziger aufzuholen, als auch wegen der Aufstellung – das Experiment aus dem bewährten 5-3-2-System einen Dreiersturm zu machen, ist am Sonntag gescheitert. Leipzig dominierte das Zentrum. Unions Formation war einer der Gründe für die erste Heimniederlage seit über einer Saison.
Weil Union in der Vorbereitung auf das Spiel gegen Leipzig im Training zeitweise auf vier zentrale Mittelfeldspieler verzichten musste, improvisierte Urs Fischer, um den rotgesperrten Brenden Aaronson zu ersetzen. In vorderster Linie liefen Kevin Behrens, David Datro Fofana und eben Volland auf, hinter ihnen sollten Alex Kral und Aissa Laidouni im Alleingang das Mittelfeld abdecken.
Zu Beginn schien diese Taktik aufzugehen. Immer wieder eröffneten Unions Innenverteidiger mutig flach das Spiel. Union kam in die gegnerische Hälfte und Volland erzielte in der 13. Minute beinahe die Führung nach einer Flanke von Alex Kral. Sobald Leipzig den Ball hatte, machten die drei Angreifer in der gegnerischen Hälfte Druck und erzwangen einige Ballgewinne. Robin Gosens sah "eine gute erste Hälfte" seiner Mannschaft und auch Robin Knoche kam die Partie bis zur Pause ausgeglichen vor.
Doch dann kam der Seitenwechsel und Leipzig konnte seine individuelle Klasse voll ausspielen. Marco Rose hatte seine Mannschaft ohne Flügel aufgestellt, die offensiven Mittelfeldspieler Dani Olmo und Xavi Simons machten das Feld genauso eng wie die Angreifer Louis Openda und Yussuf Poulsen. Normalerweise versucht Union die Mitte so eng zu machen, dass Gegner irgendwann auf den Flügel spielen und eine Flanke schlagen, die die drei hochgewachsenen Innenverteidiger dann wegköpfen sollen, Leipzig hat das durch die fehlenden Außenspieler aber nicht angeboten.
Stattdessen kombinierten sich die hochveranlagten Olmo und Simons auf engem Raum durch die Mitte. Das wurde ihnen durch Unions dünnes Mittelfeld erleichtert. Wenn die erste Pressinglinie der drei Stürmer erstmal überspielt war, hatte RBL viel Platz vor sich. Besonders gut zu sehen war das vor dem 0:1, als Union die Staffelung fehlte. Simons konnte in Ruhe auf den Ball zulaufen und unter die Latte drehen.
Dass die Gäste ausgerechnet in der zweiten Halbzeit so aufdrehten, hatte viel mit Fehlern der Eisernen zu tun. Während die Spielanteile zur Halbzeit mit 44 zu 56 Prozent noch halbwegs ausgeglichen waren, hatte Leipzig in den knapp 20 Minuten nach der Pause bis zu Vollands Platzverweis plötzlich 66 zu 34 Prozent Ballbesitz. "Wir haben nicht ruhig genug gespielt", kritisierte Gosens im DAZN-Interview.
Union versuchte nicht mehr sauber von hinten heraus aufzubauen, sondern spielte überhastete lange Bälle und schenkte Leipzig so mehr Ballbesitzphasen. Weil zwei nachrückende zentrale Mittelfeldspieler mindestens einer zu wenig sind, landeten die zweiten Bälle quasi ausnahmslos bei den Sachsen. Unions 5-2-3-Formation erschwerte es den Innenverteidigern flach ins Mittelfeld zu spielen und die drei Angreifer waren nach Ballverlusten zu schnell aus dem Spiel. Für eine Korrektur war es nach der roten Karte leider zu spät.
In Überzahl dominierten die Leipziger und allen voran Simons und Olmo die Unioner. Dass dem eingewechselten Stürmer Benjamin Sesko noch zwei Tore gelangen, hat wohl keinen in der Alten Försterei wirklich überrascht, so überlegen spielte RB. Den Union-Fans war es sowieso egal, trotz der herben Niederlage gegen den ungeliebten Energy-Drink-Klub aus Leipzig feierten sie zehn Minuten lang ihre Mannschaft.
Auf Neuzugang Robin Gosens machte das besonderen Eindruck, "einmalig" nannte er die Atmosphäre und kündigte an, dass er sich für die Zuschauer "zerreißen" wolle. Gosens' Begeisterung für die neue Umgebung erinnert daran, dass er wie auch Leonardo Bonucci oder der verletzte Lucas Tousart noch so neu bei den Berlinern sind, dass sie sportlich erst noch in das Team eingebaut werden müssen. Besonders die beiden Letztgenannten stehen für Passsicherheit und Ruhe am Ball. Phasen wie die gut 20 Minuten nach der Halbzeit sollen bei Union schon bald der Vergangenheit angehören.
Sendung: rbb24, 03.09.2023, 21:45 Uhr
Beitrag von Till Oppermann
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