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Quelle: imago images/Jan Huebner

Leistungsträger und Publikumsliebling

Fabian Reese steht für die neue Hertha und das moderne Berlin

Hertha-Neuzugang Fabian Reese hat sich in kürzester Zeit zum Leistungsträger und Publikumsliebling entwickelt. Das liegt an seinem beispielhaften Eifer auf dem Platz, aber auch seiner großen Identifikation mit Berlin. Von Marc Schwitzky

Eigentlich begann alles mit einem Missverständnis und einer enttäuschten Erwartungshaltung. Wie so oft in den letzten Jahren beim Fußball-Bundesliga-Absteiger Hertha BSC, wird manch eine Person unken. "Ich habe hier unterschrieben und wollte unbedingt Bundesliga spielen. Ich habe die Daumen gedrückt, aber war total hilflos. Ich habe die Spiele zu Hause geguckt und fragte mich, wie ich den Jungs Halt und Unterstützung geben kann", berichtet Fabian Reese in der neu erschienen Dokumentation des Vereins von seiner misslichen Situation.

Hilflos dabei zusehen, wie der eigene Verein der zweiten Liga entgegenwankt – bereits hier können sich Hertha-Fans sehr gut mit dem Sommerneuzugang Reese identifizieren.

Der Flügelstürmer verschrieb sich bereits im vergangenen Winter den Berlinern, spielte jedoch bis zum Ende der Saison 2022/23 weiter für Holstein Kiel. Bei seiner Unterschrift war Hertha noch Erstligist, mit dem persönlichen Aufstieg in die Bundesliga wurde es jedoch nichts: Reese musste trotz ambitionierten Vereinswechsels in Liga zwei bleiben. Doch – so viel ist mittlerweile über 25-Jährigen bekannt – Verzagen war keine Option.

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Hertha will in Kiel den "Schubs" nach oben bekommen

Nach dem Sieg gegen Braunschweig will Hertha in Kiel nun auch auswärts Punkte sammeln. Die Holsteiner legten mit stark verjüngtem Kader allerdings einen Glanzstart in die neue Saison hin und werden die Berliner vor eine schwere Aufgabe stellen.

"Ich hatte Lust auf die Herausforderung, Teil davon zu sein, dass die Stadt wieder komplett hinter dem Verein steht und er dahin zurückkehrt, wo er hingehört. Klar, jetzt haben wir nochmal eine kleine Kurve genommen und noch mehr ausgeholt, kommen dafür aber hoffentlich mit noch mehr Schwung zurück", zeigt sich Reese ehrgeizig. Er sieht den Verein, aber auch die Stadt Berlin weiter als große Chance für sich. "Hertha BSC hat eine unglaubliche Strahlkraft, ist ein Verein mit sehr langer Tradition und viel Wucht. Ich fühle mich einfach sehr wohl in Klubs, in denen die Fankultur gelebt wird und mittelfristig viel Entwicklungspotenzial steckt. So ein Verein ist Hertha."

Reese fällt auf

"Ich glaube, besonders nach dem Abstieg sehnen sich viele nach Identifikationsfiguren und Spielern, die mit Herz auf dem Platz vorangehen, sagt Reese. "Ich möchte auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen – sportlich, fußballerisch, aber auch menschlich und charakterlich."

Eindruck hinterlässt der gebürtige Kieler sofort: mit seinem Vokuhila und lackierten Fingernägeln ist er bereits bei sei seinem ersten Hertha-Training der zentrale Blickfang. Reese ist es wichtig, seinen eigenen Weg zu gehen und diesen Prozess zu inszenieren. "Ohne Frage ist das ein großes Thema für mich. Ich möchte jeden einzelnen ermutigen, so zu sein, wie er ist - und das auch auszuleben, um in unserer Gesellschaft eine Entwicklung stattfinden zu lassen", erklärte er im Juli. "Jeder hat das Recht auf Individualität und darauf, sich so auszudrücken und zu kleiden, wie man möchte."

Den Drang nach Einzigartigkeit lebt Reese sehr öffentlich aus, vor allem auf seinem Instragram-Account inszeniert er sich bewusst als den etwas anderen Fußballer: Bilder in Retro-Klamotten und alten Hertha-Trikots, Foto-Shootings mit der Freundin in der Schöneberger Kiezkneipe "Kupferkanne" oder auch eine Insta-Story, in der seine Partnerin seine Fußballschule für mehr Nachhaltigkeit flickt und er sich nicht einfach die nächsten Treter besorgt. Das regelmäßige Flanieren über die Flohmärkte der Stadt darf natürlich auch nicht fehlen. Immer recht nahe am Hipster-Klischee angelehnt.

Die Identifikation zeigt sich auch auf dem Platz

Sehr vereinzelt wird Reese in den sozialen Netzwerken bereits vorgeworfen, sich bereits etwas zu sehr mit der Stadt Berlin zu identifizieren, seine Inszenierung würde etwas aufgesetzt wirken. Womöglich sind Urberliner aber auch einfach von den Menschen geschädigt, die diese Stadt wie ein Kleidungsstück an- und ausziehen, sie für ein paar Jahre abkulten und dann wieder hinter sich lassen. Berlin als temporäres Lebensgefühl und nicht als Heimat.

Dass Reese es mit der Identifikation ernst meint, ist allerdings am wichtigsten aller Orte, an denen er sich herumtreibt, zu erkennen: dem Fußballplatz. "Am ersten Tag haben wir gesagt: von Reese zehn Stück und das Trainerteam müsste nicht mehr zum Training kommen. Da ist die Mentalität und der Wille", lobt Hertha-Trainer Dardai seinen Neuzugang auf der Pressekonferenz vor dem Wiedersehen mit Ex-Klub Holstein Kiel.

Herthas neuer Stürmer Reese

"Im letzten halben Jahr haben zwei Herzen in meiner Brust geschlagen"

Als sich Fabian Reese im Winter für Hertha entschied, spielten die Berliner noch in der Bundesliga. Nun peilt der Außenstürmer mit dem Klub den Aufstieg an. Reese über seine Funktion im Team, Vorurteile über Fußballer und seine lackierten Fingernägel.

Solch ein Image, das sich Reese derzeit aufbaut, ist nicht ohne Risiko, da es viel Raum einnimmt und schnell als Show deklariert werden kann. Raum, den der Flügelspieler mit herausragender Arbeitseinstellung aber zu füllen weiß. In jedem Training und jedem Spiel geht der erst 25-Jährige voran – "mit Leistung, Coaching und vor allem Mentalität", wie er selbst sagt. Er wolle ein Vorbild für junge Spieler sein und mit seinem Eifer anstecken, um gemeinsam etwas zu erreichen.

Spieler dieser Bauart haben Hertha viele Jahre gefehlt. "Schade, dass so ein Spieler nicht schon früher da gewesen ist, dann hätte er mit seinem Willen womöglich sogar den Verein gerettet", so Trainer Dardai überschwänglich.

Reese steht für Hertha - und Berlin

Der Großteil der Hertha-Fans sieht es wohl sehr ähnlich – Reese ist in kürzester Zeit zu einem der zentralen Publikumslieblinge aufgestiegen. Wie er sagte: Der blau-weißen Anhängerschaft dürstet es nach vielen schlimmen Jahren nach echten Identifikationsfiguren.

Wenn Reese den jungen Bence Dardai vor dessen Einwechslung am Kopf packt und ihm die motivierenden Worte bis tief in die Seele schreit, dann identifizieren sich die Fans damit. Wenn Reese einen Elfmeterpfiff so sehr feiert, dass man denken könne, das Spiel sei bereits gewonnen, dann identifizieren sich die Fans damit. Wenn er jeden Zweikampf sucht, die letzten Sprints noch einmal aus sich herausquält und das absolute Maximum aus seinen Fähigkeiten herausholt, dann …

Mit seinem Arbeitseifer, seiner Demut und Leidenschaft steht Fabian Reese für das neue Hertha BSC. Eine Mannschaft, die so tief gefallen ist, dass sie nun tatsächlich verstanden hat, dass sie alles geben muss, um wieder nach oben zu kommen. Und die aktuell den Hunger wie auch den Teamgeist entwickelt, um genau das Woche für Woche zu tun. Ein Kollektiv, das unter unterschiedlichsten Umständen aus aller Herren Länder in diese Stadt gekommen ist, um gemeinsam etwas Großes zu schaffen – ist nicht, abseits von schrillen Klamotten und Flohmärkten, genau das Berlin?

Sendung: rbb24, 23.09.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

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